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KSE-Vertrag weiter in der Krise

Sonderkonferenz in Wien ohne Erfolg, aber auch ohne endgültigen Bruch

Von Hans Voß *

Die von Russland geforderte Wiener Sonderkonferenz zur Zukunft des Vertrages über konventionelle Streitkräfte und Rüstungen in Europa (KSE) ist nach vier Tagen ohne greifbare Ergebnisse zu Ende gegangen.

Bereits vor der Konferenz in Wien hatte die russische Führung warnend auf Konsequenzen verwiesen, wenn die NATO die Blockadehaltung nicht aufgebe. Moskau könne ein einseitiges Moratorium erklären und die Fortführung des Vertrages von der NATO-Haltung abhängig machen. Die KSE-Sonderkonferenz fand folglich an einem kritischen Punkt statt. Von ihren Ergebnissen sollte das Schicksal eines 1990 unterzeichneten ersten KSE-Abkommens abhängig gemacht werden, das Ende des vergangenen Jahrhunderts zur Vernichtung von fast 60 000 Großwaffensystemen sowohl der NATO als auch der vormaligen Staaten des Warschauer Vertrages geführt hat und von einem umfassenden und effektiven Inspektions- und Kontrollsystem begleitet war. Auf dem Spiel stand auch der 1999 angepasste KSE-Vertrag. Anstelle festgelegter Gesamthöhen wurde eine Kombination von nationalen und territorialen Obergrenzen beschlossen.

Letzteres war erforderlich, um zu vermeiden, dass durch Truppenkonzentrationen in einzelnen Staaten ein militärisches Übergewicht geschaffen wird. Moskau legte darauf besonderen Wert, um ein Ungleichgewicht durch den NATO-Beitritt von einstigen Verbündeten und die Verlegung von Truppen dorthin zu verhindern.

Diesen Bestrebungen war ein Teilerfolg beschieden – die USA konnten durchsetzen, dass es viele Ausnahmen gibt, um eigene Streitkräfte »zeitweilig« in NATO-Neustaaten zu verlegten. Durch den Boykott des angepassten KSE-Vertrages werden die territorialen Begrenzungen für ausländische Truppenverbände nicht wirksam. Andererseits laufen die NATO-Staaten Gefahr, das Kontroll- und Inspektionssystem, das ihnen einen guten Überblick über russische konventionelle Streitkräfte und Rüstungen verschafft, zu verlieren. Moskau hat bereits damit begonnen, das System zu beschränken.

Die Wiener Sonderkonferenz zeigte, dass sich die NATO-Position allen Ankündigungen zum Trotz nicht geändert hat. Nach wie vor wird die Ratifizierung des KSE-Vertrages von der Erfüllung russischer Vorleistungen abhängig gemacht. Obwohl anerkannt wird, dass Russland im Begriff ist, seine Reduzierungsverpflichtungen in Georgien zu erfüllen, obwohl im Hinblick auf Moldava zugegeben wird, dass sich dort nur noch Restverbände ohne sicherheitspolitische Relevanz zur Sicherung von Depots befinden, bestehen die USA und andere NATO-Staaten auf deren völligen Abzug.

Die Allianz weigert sich zugleich, auf prinzipielle russische Vorstellungen über künftige sicherheitspolitische Strukturen in Europa einzugehen. Moskau hält das gegenwärtige System für überholt. Die Ausdehnung der NATO nach Osten, die Errichtung von Basen auf dem Gebiet der NATO-Neustaaten schaffen immer neue Tatsachen. Völlig unklar sei in diesem Zusammenhang die Stellung der baltischen Staaten, die bisher in keine vertraglichen Verpflichtungen eingebunden sind.

Als Teil der UdSSR wurden sie nicht Mitglied des KSE-Vertrages, sind folglich auch nicht den einschränkenden Bedingungen bei der Stationierung von Fremdtruppen aus dem angepassten KSEVertrag unterworfen. Es grenzt fast an ein Wunder, dass es bei dieser komplizierten Gemengelage jetzt nicht zu einem endgültigen Bruch kam. Von verschiedenen NATO-Staaten ist bekannt, dass sie im eigenen Lager nach Kompromissen suchen.

* Aus: Neues Deutschland, 18. Juni 2007


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