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Koalition streitet über Waffenexporte

Westerwelle attackiert Unions-Politiker

Von Aert van Riel *

Für die FDP geht es bei der Bundestagswahl am Sonntag um ihre politische Existenz. Die Partei hofft nun, sich auf Kosten ihres Koalitionspartners in der Rüstungsexportpolitik profilieren zu können.

Außenminister Guido Westerwelle soll verärgert gewesen sein über Ankündigungen von Unions-Politikern, wonach »die politische Unterstützung für Rüstungsexporte gestärkt werden« müsse. Mehr Mut sei »wünschenswert«, heißt es in einem Positionspapier der Arbeitsgruppe Verteidigung der Unionsfraktion. Der von der Arbeitsgruppe erhobenen Forderung, die Rüstungsexportrichtlinien zugunsten der Industrie zu ändern, hat Westerwelle nun eine Absage erteilt. »Solange ich Außenminister bin, bleiben die Exportrichtlinien so, wie sie sind – restriktiv und mit unseren Partnern eng abgestimmt«, zitierte »Spiegel online« den FDP-Politiker.

Damit nimmt Westerwelle kurz vor der Bundestagswahl ein Thema auf, das von vielen Bundesbürgern kritisch gesehen wird. Nach Umfragen sind rund 60 Prozent der Deutschen dagegen, dass Waffen ins Ausland geliefert werden. Die FDP muss fürchten, an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern und hofft nun, dass einige Bürger ihre verbale Abgrenzung von der Union in der Rüstungsexportpolitik honorieren werden. Dass dies gelingt, ist allerdings unwahrscheinlich. Denn Westerwelle ist in der schwarz-gelben Bundesregierung für eine Rüstungsexportpolitik mitverantwortlich gewesen, die alles andere als restriktiv war. »Seit er als Außenminister mitentscheidet, wurden jährlich im Schnitt Rüstungsexporte in Höhe von 8,15 Milliarden Euro genehmigt«, konstatierte Linksparteivize Jan van Aken. Unter der Großen Koalition davor seien es 7,9 Milliarden Euro und unter Rot-Grün 6,2 Milliarden Euro (2003-2005) gewesen, so der Außenpolitiker, dessen Partei ein Verbot aller Rüstungsexporte fordert.

Die Bundesregierung war in dieser Legislaturperiode wegen der Exporte in Diktaturen in die Kritik geraten. Im letzten Jahr hatte sie die Lieferung von Kriegsgerät im Wert von 1,4 Milliarden Euro an die Golfstaaten Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate genehmigt. Weder die Union noch die FDP hatten dies als problematisch angesehen, denn bei den belieferten Ländern handelt es sich um strategisch wichtige außenpolitische Partner der Bundesrepublik. Bei Geschäften in Ländern, die wegen Menschenrechtsverletzungen als »kritisch« gelten, entscheidet der Bundessicherheitsrat, ein Kabinettsausschuss, über ein Zustandekommen des Deals.

Um den Anschein zu erwecken, man strebe nun eine Beteiligung des Parlaments bei dem Handel mit Kriegsgerät an, fordert die FDP in ihrem Wahlprogramm, dass der Bundestag vertraulich informiert werden solle. Hierfür stellen die Liberalen ein parlamentarisches Gremium mit vollumfänglichen Auskunftsrechten in Aussicht. Die CDU hält eine Kontrolle durch das Parlament für überflüssig. In ihrem Wahlprogramm wird vielmehr die deutsche Rüstungsindustrie gelobt. »Die deutsche wehrtechnische Industrie steht für technologischen Fortschritt und hochwertige Arbeitsplätze, die wir sichern wollen«, heißt es darin. Allerdings wollen die Konservativen laut Programm »an den geltenden strengen Richtlinien für die Ausfuhr von Rüstungsgütern festhalten«. Es ist fraglich, ob diese Ankündigung auch nach der Bundestagswahl noch gelten wird.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 19. September 2013

Stolz auf Kriegsgüter

Von Olaf Standke **

Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien haben am Dienstagabend in Bonn bei einer Podiumsdiskussion eine bessere Kontrolle deutscher Waffenlieferungen gefordert. Wie ernst kann das der CDU-Vertreter eigentlich gemeint haben? Gerade erst versuchten sich die Verteidigungspolitiker der Unionsfraktion in einem Positionspapier in zynischer Politikpoesie: »Wer auf die Exportnation Deutschland stolz ist, darf das auch im Wehrtechnikgeschäft sein.« Hier sei mehr Mut wünschenswert. Konkret heißt das für CDU/CSU: Überdenken der Rüstungsexportrichtlinien, mehr politische Unterstützung für Exporte. Das war dem Koalitionspartner FDP in Gestalt Guido Westerwelles dann doch zu viel des Guten: Diese Richtlinien blieben so, wie sie sind, nämlich »restriktiv«.

Nur haben Westerwelles Worte mindestens zwei Widerhaken. Zum einen in seinem Zusatz »solange ich Außenminister bin«. Und vor allem ist zu fragen: Was ist wirklich restriktiv an der deutschen Rüstungsexportpolitik? Die Bundesregierung hat immer wieder mit Genehmigungen für Lieferungen in Spannungsgebiete und an autoritär regierte Staaten mit einem höchst problematischen Menschenrechtsverständnis für Kritik gesorgt und die eigenen Prinzipien makuliert. Das zeigt sich auch an jenen über 100 Tonnen Chemikalien, die in der vergangenen Dekade an Syrien gingen, obwohl sie auch zur Entwicklung von Giftgas verwendet werden können und alle Welt wusste, dass Damaskus ein umfangreiches Chemiewaffen-Programm betreibt.

** Aus: neues deutschland, Donnerstag, 19. September 2013 (Kommentar)


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