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Leoparden für Indonesien

Deutsche Rüstungsexporte boomen

Von René Heilig *

2010 hat Deutschland Waffen und Rüstungsgüter im Wert von zwei Milliarden Euro ausgeführt. So soll es im Rüstungsexportbericht für 2010 stehen, der dem Kabinett am Mittwoch (30. Nov.) vorliegen wird.

Jüngst hat die als gut informiert geltende Fachagentur »Defence News« ein Ranking der 100 umsatzstärksten Rüstungsunternehmen des Jahres 2010 veröffentlicht. Dabei erreicht der europäische Rüstungskonzern EADS (an dem deutsche Anleger maßgeblich beteiligt sind) Platz sieben mit einem Jahresumsatz von 16,28 Milliarden US-Dollar allein durch Waffenverkäufe. Die Traditionsfirma Rheinmetall erreicht mit 2,6 Milliarden US-Dollar den 30. Platz, gefolgt von Krauss-Maffei-Wegmann und Diehl auf den Rängen 56 und 66. Krauss-Maffei-Wegmann baut Leopard-Panzer, Rheinmetall die Kanonen dafür.

Noch immer hält man sogar die Parlamentarier im Unklaren darüber, ob und wie das Panzergeschäft mit Saudi-Arabien, das unlängst vom Bundessicherheitsrat genehmigt und vor allem von Menschenrechtsorganisationen empört abgelehnt wurde, abläuft. Hinter dem Deal mit den angeblich 200 »Kampfpanzern des 21. Jahrhunderts« (Herstellerwerbung) stehen Deutsche Bank, Bayern LB, Allianz AG, die Commerzbank und die Kreditanstalt für Wiederaufbau - letztere ist eine Anstalt öffentlichen Rechts - als Geld- und Kreditgeber. Mindestens 14 deutsche Finanzdienstleister halten Anteile im Wert von 1,74 Milliarden Euro an den Herstellern des Kampfpanzers, von dessen Typ 2A6 nun auch Indonesien 100 Stück kaufen wird. Für 280 Millionen US-Dollar. Das gab Armee-Stabschef Pramono Edhie Wibowo am Wochenende in der Presse des asiatischen Landes bekannt.

Auch gebraucht bringt das Kriegsgerät einiges. Die Bundeswehr hat bereits in den vergangenen Jahren Hunderte überzählige Panzer verkauft. Derzeit bereitet man - so interne Informationen aus dem Verteidigungsministerium - 80 weitere für den Markt vor. Der Erlös wird zur Beförderung der Bundeswehrreform verwandt.

Die Steigerung des deutschen Rüstungsexports von 2009 zu 2010 um knapp 50 Prozent ist auch dem zweiten deutschen Exportschlager, den U-Booten, zu verdanken. Die HDW-Werft in Kiel, die zum ThyssenKrupp-Konzern gehört, gilt beim Bau von nicht-atomar angetriebenen U-Booten als Weltmarktführer. In den vergangenen Jahren wurden fast 40 Unterwasser-Angriffsplattformen mit Brennstoffzellenantrieb verkauft. Die Werft ist auf Jahre hinaus ausgelastet. Geliefert wird auch widerrechtlich in Spannungsgebiete, so nach Israel und Südkorea. Sogar ein - inzwischen geplatztes - Geschäft mit dem Atomwaffenstaat Pakistan war vom Bundessicherheitsrat genehmigt worden.

Deutschland ist zudem der drittgrößte Exporteur von Klein- und leichten Waffen. Nur die USA und Italien verkaufen mehr Pistolen, Sturm- oder Maschinengewehre sowie Mörser. Laut aktueller Emnid-Umfrage, die die Bundestags-Linksfraktion in Auftrag gegeben hatte, sind 78 Prozent der Deutschen gegen jeglichen Rüstungsexport.

* Aus: neues deutschland, 29. November 2011


Mitteilung an die Medien 28.11.2011

"Vorsätzlich Öl ins Feuer bestehender Konflikte"

Rüstungsexportkampagne kritisiert drastische Steigerung der Kriegswaffenausfuhr und fordert grundsätzliches Verbot

"Während nach einer aktuellen Emnid-Umfrage über 70 Prozent der Bevölkerung für ein Verbot von Rüstungsexporten sind, gibt es für die Bundesregierung beim Waffenhandel so gut wie keine Grenzen mehr. Wer immer mehr U-Boote, Kriegsschiffe, Panzer und Maschinengewehre in Kriegs- und Krisenregionen liefert, gießt vorsätzlich Öl ins Feuer bestehender Konfliktherde.", kritisiert Paul Russmann, einer der Sprecher der bundesweiten Kampagne "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!" und Geschäftsführer der ökumenischen Aktion "Ohne Rüstung Leben" die bereits bekannt gewordenen Zahlen aus dem aktuellen Rüstungsexportbericht 2010 der Bundesregierung, der am Mittwoch im Kabinett verabschiedet werden soll.

"Diese neuerlichen Rekordzahlen sind der Ausverkauf jeglicher Rüstungsexportkontrolle und stellen Art. 26 des Grundgesetzes auf den Kopf" lautet das Fazit von Rechtsanwalt Dr. Holger Rothbauer. "Wir fordern mit der Kampagne "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel" ein grundsätzliches Verbot der Ausfuhr von Kriegswaffen und Rüstungsgütern."

"Zwei Aspekte des neuen Rüstungsexportbericht der Bundesregierung geben mir besonders zu denken: das ist zum einen ein Rekordwert bei den gelieferten Kriegswaffen. Da wird es mit rund zwei Milliarden Euro wohl den höchsten Wert geben, den es je gab. Der zweite Skandal ist politisch-strategischer Natur: Die Bundesregierung verantwortet einen politischen Kurs, der die Ausstattung anderer Länder mit deutscher Waffenhochtechnologie beinhaltet. Das ermöglicht eine Zukunft, in der Deutschland nicht mehr wie in Afghanistan selbst Krieg führt, sondern am Krieg zwar verdient, sich selbst aber als Friedensmacht darstellen kann. Solche Politik ist doppelzüngig.", kommentiert pax christi-Generalsekretärin Christine Hoffmann, Sprecherin der Kampagne.

"Besonders erschreckend ist die Entwicklung im Bereich so genannter ,Kleinwaffen', so Jürgen Grässlin, ebenfalls Sprecher der Kampagne und Bundessprecher der DFG-VK. "Denn zwei Drittel aller Kriegsopfer werden durch Gewehrkugeln getötet. Nach der bereits 2008 erfolgten Lizenzvergabe für das Sturmgewehr G36 von Heckler & Koch konnte das menschenrechtsverletzende Saudi-Arabien 2010 eine eigene Gewehrfabrik in deutscher Lizenz erstellen. Zudem gelangten offenbar illegal G36-Sturmgewehre in verbotene Provinzen Mexikos und nach Libyen. Unsere Strafanzeigen und die laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen H&K sind auch Folge einer Regierungspolitik, die beim G36-Weiterexport auf Kontrollen vor Ort verzichtet. Damit öffnet die Bundesregierung selbst dem illegalem Waffenhandel Tür und Tor."

Laut ersten Informationen erhöhte die Bundesregierung innerhalb eines Jahres die Ausfuhr von Kriegswaffen auf zwei Milliarden Euro. Zudem wurden neue Verträge über zukünftige Rüstungslieferungen im Wert von über fünf Milliarden Euro geschlossen. Ein Drittel der neuen Genehmigungen betreffen Länder außerhalb der EU und NATO - darunter Afrika und die Golfstaaten.




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