Indisch-israelische "Waffenbrüder"
Delhi ist größter Rüstungskunde
Von Hilmar König, Delhi *
Ob Raketen, Munition oder militärische Optik – seit etwa zehn Jahren ist Indien einer der besten
Kunden der israelischen Rüstungsindustrie. Gerade wurde die Fortsetzung dieser Geschäfte
vereinbart.
Mit einem Besuch des Vorsitzenden des israelischen Nationalen Sicherheitsrates, Uzi Arad, zu
Wochenbeginn in Delhi haben Indien und Israel ihre enge Kooperation auf militärischsicherheitspolitischem
Gebiet fortgesetzt. Die Beratungen Arads in Delhi sollen auch internationale
Aspekte berührt haben, darunter Besorgnisse, dass das pakistanische Nukleararsenal in die Hände
von Extremisten fallen und Iran Kernwaffen entwickeln könnten. Schließlich ging es um mögliche
Gefahren für israelische Touristen bei Rundreisen in Indien. Wegen der mehr als 120 Millionen
zählenden muslimischen Minderheit in Indien hängte man das Treffen nicht an die große Glocke.
Erst Ende letzten Jahres war dem Generaldirektor des israelischen Verteidigungsministeriums,
Brigadegeneral Pinchas Buchris, in Delhi der rote Teppich ausgerollt worden. Er nahm an einer
Tagung der gemeinsamen Verteidigungsarbeitsgruppe teil. Im November weilte General Deepak
Kapur, der indische Armeechef, in Israel. Obwohl niemand offiziell von einer »Waffenbrüderschaft«
spricht, bestehen enge militärische Beziehungen.
Auch bei der genannten Tagung soll es vorrangig um eine noch intensivere Kooperation beim Kampf
gegen den Terror und den Austausch von Geheimdienstinformationen gegangen sein. Eine offizielle
Mitteilung dazu gab es nicht. Indien setzte diesen Schwerpunkt, so vermuten Strategieexperten, im
Zusammenhang mit der spektakulären Terroroperation eines aus Pakistan kommenden
Kommandos, das im November 2008 in Mumbai ein Blutbad anrichtete.
Darüber hinaus beriet die Tagung den Ausbau der Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung
sowie neue Waffenkäufe. Seit 1999, berichtete der Indo-Asian News Service, habe Indien von Israel
Rüstungsgüter im Wert von acht Milliarden Dollar gekauft und sei damit dessen größter
Waffenkäufer. Mehr Kriegsgerät bezieht Indien nur von Russland. Im Mai nahmen die indischen
Luftstreitkräfte das erste von drei 2004 in Israel gekauften Fernaufklärungssystemen des Typs
Phalcon-AWACS in Betrieb, das auf eine russische IL-76 montiert wurde. Israel befindet sich zudem
im Rennen um einen Zehn-Milliarden-Dollar-Kontrakt zur Lieferung von 126 Kampfflugzeugen an
Indien.
Auf der Tagung wurde bestätigt, dass die laufenden Projekte planmäßig fertiggestellt werden,
darunter eine SAM-Langstrecken-Boden-Luftrakete für Indiens Marine und eine Mittelstreckenrakete
für die Luftwaffe. Gemeinsam wird auch an einem Raketenschutzschild, an Marschflugkörpern, die
von U-Booten abgefeuert werden können, an Mikrosatellitenüberwachungssystemen,
präzisionsgesteuerter Munition und modernstem Nachtsichtgerät gearbeitet, das Delhi für die
Abwehr von Infiltrationsversuchen an der indisch-pakistanischen Grenzlinie in Kaschmir einsetzen
will.
Den Grundstein für die »Waffenbrüderschaft« legte Ende der 90er Jahre die Regierung der
hindufundamentalistischen Indischen Volkspartei, die die Zusammenarbeit mit Israel intensivierte.
Seitdem steht Delhis zu Glanzzeiten der Bewegung der Blockfreien gepflegte Solidarität mit den
Palästinensern nur noch auf dem Papier. Lediglich Erinnerung sind die Besuche Yasser Arafats in
Delhi und die Treffen mit Indira Gandhi. Auch die gegenwärtige, von der Kongresspartei geführte
Koalitionsregierung räumt dem Verhältnis zu Israel Vorrang ein. Nahostfriedensinitiativen kann man
von ihr nicht erwarten.
* Aus: Neues Deutschland, 7. Januar 2010
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