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Verstellter Blick

Auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtmesse spielte Kriegsgerät eine große, manchmal kaschierte Rolle

Von René Heilig *

In diesem Jahr mussten sich die PR-Manager der Luft- und Raumfahrtshow ILA ein wenig mehr anstrengen beim Schönschreiben der Messe. Die Premierenveranstaltung auf dem neuen Messegelände Berlin »ExpoCenter Airport« habe eine »Punktlandung hingelegt«, lautete ihr genialer Einfall. Routiniert wird dann auf die größte Beteiligung in der über 100-jährigen Geschichte der ILA hingewiesen. In Zahlen: Es waren 90 Aussteller mehr vor Ort als 2010.

Nun gut, das mit der »eindrucksvolle Leistungsschau an High-Tech-Produkten aus allen Bereichen der Aero-Space-Industrie« kann man stehen lassen. Wobei die Veranstalter nicht gerade stolz darauf sein sollten, dass das High-Tech-Thema Unmanned Aircraft Systems - also todbringende militärische Drohnen - einen so großen Raum einnahm. Die »industriellen Innovationen und Forschungsprojekte«, von denen die Rede ist, gab es auch. Doch Sensationelles war nicht dabei. Auch nicht im Umweltbereich Wer gehofft hatte, unter den 275 Fluggeräte, die am Boden und in der Luft gezeigt wurden, echte Highlights zu entdecken, musste sich mit wenigen Maschinen begnügen. Als Weltpremieren wurden der Eurocopter Hybrid-Demonstrator X3 - ein quicklebendiges Zwischending zwischen Hubschrauber und Turboprop-Flächenflugzeug - und die Elektra One Solar gezeigt, die batteriegetrieben einen Piloten und seinen Koffer über ein paar hundert Kilometer tragen kann.

Auch der obligate Eröffnungsbesuch der Kanzlerin kann nicht darüber hinwegtäuschen: Europa braucht nicht vier große Luftfahrtmessen. Es ist - trotz gigantischer Zuwächse im Luftverkehr und trotz diverser Spezialisierungsversuche der Veranstalter - nicht genug Platz da für Megashows im britischen Farnborough, im französischen Le Bourget, für die MAKS in Moskau und die ILA in Berlin.

Die Geschäfte werden in den kommenden Jahrzehnten in Asien und Teilen der arabischen Welt gemacht. Die dortigen Kunden haben es nicht mehr nötig, ins alte Europa zu reisen - zumal dann, wenn die von den Messewerbern versprochen kurzen Wege vom Airport BER zur ILA wegen der geplatzten Flugplatzeröffnung wegfallen.

Gibt es denn gar nichts Positives zu sagen über die ILA 2012? Doch, natürlich. Die neue Start- und Landebahn des BER-Airports bestand ihre Bewährungsprobe.

Platzhirsch auf den Messen in Paris und Berlin ist natürlich (West-)Europas größter Luft-, Raumfahrt- und Rüstungskonzern EADS. Jüngst in Paris glänzte er durch Abschlüsse von Airbus. In Berlin durch die Ankündigung, sich mit dem britischen Riesen BAe zusammentun zu wollen. Damit würde der weltgrößte Rüstungskonzern entstehen, größer als alles je Dagewesene. Thomas Enders, der sich von immer mehr Freunden dies- und jenseits des Atlantiks neuerdings auch offiziell »Tom« nennen lässt, hat eine Vision - die eines 45-Milliarden-Umsatzes. Vom Atom-U-Boot über Flugzeugträger bis zu Grenzsystemen und Luftflotten - alles auf Enders' Mist gewachsen.

Doch dazu muss er erst noch die Regierungen in Berlin und Paris, dann die in London gewinnen. Und wie gewaltig der Widerstand aus Washington gegen diesen Generalangriff auf die US-Wirtschaftsgenerale GE, GMC, GD sein wird, ist noch gar nicht abzusehen.

Enders zwingt Kanzlerin Merkel schneller, als es der recht ist, Position zu beziehen. Ihre erste Äußerung zeigt das: »Das ist ganz eindeutig eine sehr komplexe Transaktion mit Implikationen für die Sicherheit und Industriepolitik«, sagte ihr Regierungssprecher am Freitag. Die deutsche Regierung befinde sich in »konstruktiven Gesprächen« mit den Unternehmen und in enger Abstimmung mit der Regierung in Paris.

Es geht um »Standortfragen, Fragen der Balance und ein mögliches Vetorecht«, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums, ohne über den Einstieg der staatlichen Förderbank KfW ein Wort zu verlieren, die die Hälfte der derzeit von Daimler gehaltenen 15 Prozent EADS-Anteile übernehmen soll. Zu vieles sei noch offen, heißt es im Umfeld der Regierung in Berlin.

Doch EADS ist kreativ. Das zeigte sich unter anderem auf der ILA. Da stellte das Unternehmen seinen größten aktuellen Pannenflieger, den Militärtransporter A400M, aus. Der trat sogar zum Schaufliegen an - was Experten angesichts erneuter Erprobungspläne kaum erwartet hatten. Vorgestellt wurde der Vogel als Beitrag zum »maßgeschneiderten Lufttransport für humanitäre Missionen«. Das Deutsche Rote Kreuz und das Technische Hilfswerk waren sich nicht zu schade, bei der PR-Lüge mitzuspielen. Sie verstellten mit Hilfsgüterpaletten und Wasseraufbereitungsstationen den Blick auf die wahre Bestimmung des Jets. Er ist eine Waffe, er wurde konzipiert und wird gebaut für weltweite Militäreinsätze.

* Aus: neues deutschland, Montag, 17. September 2012


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