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Licht und Schatten in Genf

Die Abrüstungskonferenz beendet ihre Jahressession mit gemischter Bilanz

Von Wolfgang Kötter *

Im Genfer Palast der Nationen ging am 17. September die diesjährige Sitzungsperiode der Abrüstungskonferenz zu Ende. Nun verlagert sich die Debatte in den Weltsicherheitsrat, wo in der nächsten Woche unter erstmaligem Vorsitz von USA-Präsident Barack Obama auf einer Sondersitzung über Nichtverbreitung von Atomwaffen und Abrüstung beraten wird.

Der Genfer Tagungspräsident Christian Strohal zeigte sich enttäuscht: “Das Fenster der Möglichkeit für dieses Jahr schließt sich heute“, beklagte der österreichische Diplomat, „mit großem Bedauern muss ich der Konferenz mitteilen, dass wir keinen Konsens erzielen konnten.“

Andererseits gelang im Mai nach mehr als einem Jahrzehnt Paralyse ein historischer Durchbruch. Die 65 Teilnehmerstaaten einigten sich erstmals wieder auf ein Arbeitsprogramm und bildeten vier Arbeitsgruppen: nukleare Abrüstung; Produktionsstopp („cut-off“) für militärisches Spaltmaterial; Verhinderung eines Wettrüstens im Weltraum; und Sicherheitsgarantien für Nichtkernwaffenstaaten. Darüber hinaus vereinbarten sie auch konkrete Mandate für die Aufgabenstellung und die anzustrebenden Ziele. Zunächst herrschte Euphorie über den Erfolg, aber dann begannen erneut die Mühen des Alltags. Wieder einmal verfing man sich in kleinlichen Streitereien über Verfahrensfragen. So sträubt sich beispielsweise Pakistan dagegen, dass diesjährige Festlegungen einschließlich über Mandate und Funktionen auch für kommende Jahre gelten. Botschafter Zamir Akram fordert außerdem “eine ausgewogene Zeitverteilung” für alle Arbeitsgruppen, denn er befürchtet, zuviel Zeit könnte den Cut-Off-Verhandlungen zugewiesen werden.

Dadurch konnte die praktische Arbeit noch nicht beginnen, und im kommenden Januar muss ein neuer Anlauf unternommen werden. Aber personell gibt es immerhin einvernehmliche Vorstellungen. So soll Dian Triansyah Djani aus Indonesien die erste Arbeitsgruppe leiten, der Schweizer Jürg Streuli die zweite, den Vorsitz der dritten übernimmt der brasilianische Botschafter Luiz Filipe de Macedo Soares und Vorsitzender der vierten wird Mykola Maimeskul aus der Ukraine.

Inhaltlich unterscheiden sich die Aufgabenstellungen durchaus. So ist das Mandat der Arbeitsgruppe „Einstellung des nuklearen Wettrüstens und nukleare Abrüstung“ nur ein Kompromiss. Es fordert noch nicht explizit Vertragsverhandlungen, sondern lediglich „Meinungen und Informationen auszutauschen“ über praktische Schritte zur Reduzierung der Kernwaffen bis hin zu ihrer Beseitigung. Zweifellos können selbst bei bestem politischen Willen aller Beteiligten Ergebnisse nur nach zeitaufwendigen und komplizierten Verhandlungen erwartet werden. Dagegen erhielt die zweite Arbeitsgruppe den konkreten Auftrag, einen nichtdiskriminierenden, multilateralen und verifizierbaren Vertrag über das Verbot der Herstellung von spaltbarem Material für Kernwaffen auszuhandeln. Die Gruppe zum lange heftig umstrittenen Thema der Verhinderung eines Wettrüsten im Weltraum erhielt die vage gehaltene Aufgabe, ohne Einschränkungen alle Fragen der Verhinderung eines Wettrüstens im Weltraum zu erörtern. Gegenstand der Diskussion wird dann ebenfalls ein Vertrag zum Waffen- und Gewaltverbot im Weltraum sein für den Russland und China einen gemeinsamen Entwurf vorgelegt und mehrfach ergänzt haben. Um den seit langem von den Nichtkernwaffenstaaten geforderten Schutz vor einem Angriff mit Atomwaffen geht es in der vierten Gruppe. Sie soll ein „rechtlich bindendes Instrument“ der Sicherheitsgarantien erarbeiten. Dabei kann sie sich auf ein Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag stützen, das die Anwendung von Atomwaffen „generell völkerrechtswidrig“ charakterisiert.

Nun verlagert sich die multilaterale Abrüstungsdebatte vom Genfer See wieder zur UNO an den New Yorker East River. Und sie wird mit einem Paukenschlag beginnen. Am 24. September behandelt der Sicherheitsrat auf einer Sondersitzung das Thema nukleare Nichtverbreitung und Abrüstung. Unter Vorsitz von US- Präsident Barack Obama soll das weitere Vorgehen der internationalen Staatengemeinschaft zur Schaffung einer atomwaffenfreien Welt erörtert werden. Auf seiner Prager Rede am 5. April hatte Obama dazu ein ganzes Bündel spezifischer Maßnahmen vorgeschlagen. Jetzt kommt es darauf an, dafür auch die Unterstützung der übrigen 191 UN-Mitgliedstaaten zu gewinnen.

Themen auf der Tagesordnung der Genfer Abrüstungskonferenz

  1. Einstellung des nuklearen Wettrüstens und atomare Abrüstung
  2. Verhinderung Atomwaffenkrieg
  3. Verhinderung eines Wettrüstens im Weltraum
  4. Sicherheitsgarantien für Nichtkernwaffenstaaten
  5. Neue Massenvernichtungswaffen / radiologische Waffen
  6. Umfassendes Abrüstungsprogramm
  7. Transparenz der Rüstungen

Internationale Abrüstungsverträge, die in der Abrüstungskonferenz bzw. unter ihrer Mitwirkung entstanden:

  • Vertrag über das Verbot der Kernwaffenversuche in der Atmosphäre, im kosmischen Raum und unter Wasser (Teilteststoppvertrag), (1963);
  • Vertrag über die Prinzipien für die Tätigkeit der Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper (Weltraumvertrag), (1967);
  • Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Nichtverbreitungsvertrag), (1968);
  • Vertrag über das Verbot der Stationierung von Kernwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen auf dem Meeresgrund und Ozeanboden und in deren Untergrund (Meeresbodenvertrag), (1971);
  • Konvention über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung von bakteriologischen (biologischen) und Toxin-Waffen und über ihre Vernichtung (Biowaffenkonvention), (1972);
  • Konvention über das Verbot militärischer oder sonstiger feindseliger Anwendung von Mitteln zur Einwirkung auf die Umwelt (Umweltkonvention), (1977);
  • Konvention über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und Anwendung chemischer Waffen und über ihre Vernichtung (Chemiewaffenkonvention), (1992);
  • Umfassender Nuklearer Teststoppvertrag, (1996).


* Eine gekürzte Version dieses Beitrags erschien am 18. September 2009 im "Neuen Deutschland"


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