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Eurofighter contra Rafale – Rüstungsexport-Werbung im Libyenkrieg

Ein Beitrag von Andreas Flocken in der NDR-Sendereihe "Streitkräfte und Strategien" *


Zunächst beschäftigen wir uns mit dem Eurofighter. Das vor rund 30 Jahren konzipierte Kampfflugzeug hatte in diesen Wochen im Libyenkrieg seine Feuertaufe. Die Royal Air Force beteiligt sich an dem Luftkrieg mit 14 Kampfflugzeugen, darunter zehn Maschinen vom Typ Typhoon. Typhoon - so nennen die Briten ihren Eurofighter. Das Jagdflugzeug überwacht die vom UN-Sicherheitsrat verhängte Flugverbotszone über Libyen. Die britischen Piloten sind in Interviews mit der BBC voll des Lobes über die Maschine:

O-Ton Tyhoon-Pilot (overvoice)
„Die Flugzeuge nach Italien zu verlegen und bereits 12 Stunden nach Ankunft in den Einsatz zu schicken – das zeigt sowohl die Flexibilität und die Möglichkeiten der Typhoon-Kampfflugzeuge als auch die Fähigkeiten der Royal Air Force.“

Vier Länder bauen gemeinsam das mehr als 120 Mio. Euro teure Kampfflug-zeug: Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien. Der Kriegseinsatz in Libyen könnte den eher stockenden Verkauf des Eurofighters fördern. Denn Militärs kaufen am liebsten kampferprobte und im Einsatz bewährte Waffensysteme. Beim EADS-Konzern gibt man sich zufrieden. Spitzenmanager Thomas Enders in der ARD:

O-Ton Enders
„Natürlich freuen wir uns, wenn wichtige Produkte wie der Eurofighter sich bewähren. Und natürlich heißt das, dass Exportperspektiven damit vielleicht etwas realistischer werden.“

Denn Indien will 126 Kampfflugzeuge kaufen. Der Wert des Rüstungsge-schäfts: Rund 8 Milliarden Euro. Außerdem gibt es eine Option auf 63 weitere Maschinen. Der Eurofighter hat es mittlerweile in die Endauswahl geschafft. In Nordafrika kämpft das Flugzeug daher nicht nur gegen die libyschen Streitkräfte, sondern im übertragenen Sinn auch gegen westliche Konkurrenz. Konkret: Gegen das französische Kampfflugzeug Rafale. Denn auch diese Maschine hat es in die Endauswahl geschafft. Rafale oder Eurofighter? Die erfolgsverwöhnten USA sind in Indien mit ihren angebotenen F-16 und F-18 Kampfflugzeugen dagegen aus dem Rennen. Eine Entscheidung wird voraussichtlich Anfang nächsten Jahres fallen.

Für Kenner sind bei dem Rüstungsdeal die Franzosen klar im Vorteil. Denn die Rafale ist anders als der Eurofighter bereits seit längerem für die Bekämpfung von Zielen am Boden ausgerüstet. Rund 30 Prozent der NATO-Luftangriffe gegen libysche Ziele werden von der Rafale geflogen, berichtet das Fachblatt NEWSLETTER VERTEIDGUNG. Der Eurofighter ist dagegen für diese sogenannte Luft-Boden-Rolle eigentlich noch nicht einsetzbar. Bis es soweit ist, werden noch mehrere Jahre vergehen, sagen Militärexperten.

Doch kampflos will der EADS-Konzern das Milliardengeschäft der Rafale nicht überlassen. Es war daher sicher kein Zufall, dass der Eurofighter im Li-byenkrieg eine weitere Premiere hatte. Nachdem das Flugzeug zunächst nur zur Durchsetzung der Flugverbotszone eingesetzt wurde, griffen britische Eurofighter am 12. April erstmals auch Bodenziele an. Zwei libysche T-72-Kampfpanzer wurden zerstört. Das Video über diesen Luftschlag war kurz da-nach im Internet zu sehen. Die indische Regierung wird diesen Einsatz zweifellos zur Kenntnis genommen haben.

Die deutschen Eurofighter könnten für solche Missionen auf absehbare Zeit noch nicht eingesetzt werden. Die ersten Piloten sollen erst 2012/2013 für die Luft-Boden-Rolle ausgebildet werden. Die dafür notwendige Bewaffnung wird ab 2015 eingeführt – so die gegenwärtige Planung. Verzögerungen nicht aus-geschlossen.

Das lukrative Rüstungsgeschäft mit Indien hat auch die Regierungen der Eurofighter-Länder auf den Plan gerufen. Im vergangenen Monat hat sich Angela Merkel während ihres Indien-Besuchs mächtig für den Eurofighter ins Zeug gelegt, so als habe nicht der EADS-Konzern, sondern die Bundesregierung die Federführung bei diesem Rüstungsdeal:

O-Ton Merkel
„Ich glaube, dass wir ein gutes Angebot auf den Tisch gelegt haben und das wird jetzt bewertet. Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass unser Angebot auch sehr fair bewertet werden wird, und insofern ist es eine Möglichkeit. Und unser Angebot ist ja auch ein Konsortium, an dem auch andere Länder mitar-beiten. Ich habe mich beispielsweise mit Premierminister David Cameron dar-über unterhalten, weil ja Großbritannien neben anderen Ländern auch eine wichtige Rolle spielt.“

Das Engagement der Bundesregierung erklärt sich auch vor dem Hintergrund, dass Deutschland nicht mehr alle vor einigen Jahren bestellten 180 Euro-fighter abnehmen möchte. Denn mehr als rund 140 Maschinen lassen sich nicht finanzieren, mehr werden zudem für die verkleinerte Bundeswehr nicht gebraucht. Einige Maschinen würde man daher gerne an Indien weitergeben. Das könnte die anstehenden schwierigen Gespräche mit dem EADS-Konzern über eine Reduzierung der Stückzahl erleichtern. Denn Eurofighter-Exporte werden auf die Bestellungen der Bundesregierung angerechnet - so steht es im Koalitionsvertrag.

Verdrängt wird bei solchen Überlegungen allerdings, dass sich die Konflikte auf dem indischen Subkontinent zunehmend verschärfen. Die Atommächte Indien und Pakistan rüsten kräftig auf. Mit der Lieferung von Kampfflugzeu-gen wird sich die Rüstungsspirale in der Region noch schneller drehen. Da-bei gelten in Deutschland weiterhin restriktive Rüstungsexportrichtlinien. Danach dürfen keine Waffen in Länder geliefert werden, wenn dadurch Spannungen verschärft werden könnten. Doch davon will die Bundesregierung im Moment offenbar wenig wissen.

* Aus: NDR-Sendereihe "Streitkräfte und Strategien", 20. Juni 2011; www.ndrinfo.de


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