Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Bremen liefert das Zeug zum Krieg

An der Weser wird mehr für die Bundeswehr produziert als sonstwo im Land

Von Katharina Stockmann *

Die Freie Hansestadt Bremen bekennt sich in Artikel 65 ihrer Landesverfassung zu Frieden und Völkerverständigung sowie der Förderung der friedlichen Entwicklung der Welt. Das ist ein reines Lippenbekenntnis, denn die Hansestadt mischt kräftig im Rüstungsgeschäft mit. Laut dem Hamburger Militärexperten Lühr Henken ist der Rüstungsstandort Bremen ein wichtiger Faktor für die Umstrukturierung der Bundeswehr zur weltweit agierenden Interventionsarmee. »In der Landesverfassung wird ein hehrer Anspruch formuliert, doch die Realität sieht anders aus«, erläuterte Henken, Vorstandsmitglied des Hamburger Forums für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung sowie Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag im Gespräch mit der jungen Welt. »In Bremen wird nicht für den Frieden entwickelt, sondern für den Krieg produziert – und zwar kräftig.«

Von den bundesweit etwa 80000 Arbeitsplätzen im Rüstungsbereich befinden sich 4000 in Bremen. Die Hälfte dieser Arbeitsplätze werde dem Bereich ›Dual-Use‹, das sind sowohl zivil als auch militärisch nutzbare Produkte, und der Zuliefererindustrie zugerechnet. In diesem Zweig wurde 2005 von einem Gesamtumsatz von 15,5, Milliarden Euro bundesweit ausgegangen. Eine Milliarde davon wurde in Bremen erwirtschaftet. Das sind 6,5 Prozent der BRD-Produktion – in einer Stadt, in der 0,66 Prozent der Bundesbürger leben.

In Bremen sind Werke bzw. Zweigniederlassungen der wichtigsten Rüstungsfirmen angesiedelt. Zum Beispiel von Atlas-Elektronik, dem führenden Elektronikausstatter von U-Booten und Weltmarktführer bei Minenabwehrsystemen. Auch Rheinmetall Defensive Electronics (RDE) ist in Bremen zu finden – laut Eigenwerbung »das führende europäische Systemhaus für Landstreitkräfte«.

Auf der Lürssen-Werft produzierte Korvetten der sogenannten Braunschweig-Klasse sind ausgestattet mit den deutsch-schwedischen Marschflugkörpern RBS 15 MK3, die eine Reichweite von 200 Kilometern haben. Bei EADS Bremen werden die Rümpfe der 192 geplanten Militärmaschinen A 400 M hergestellt. 60 davon erhält die Bundeswehr, die sie ab 2011 einsetzen will. Damit können wahlweise Kampfhubschrauber, Panzer oder 116 Soldaten mit Ausrüstung weltweit transportiert werden. Die im Technikpark der Universität angesiedelte Firma Orbitale Hochtechnologie Systeme (OHB) ist das Generalauftragnehmer für die Herstellung des ersten Aufklärungssatellitensystems der Bundeswehr, SAR-Lupe. Es erlaubt eine nationale, von Wetter und Tageszeit unabhängige, präzise Erdbeobachtung weltweit. Außerdem ist OHB an der Herstellung des EU-Navigationssystems »Galileo« beteiligt, dem Konkurrenzunternehmen zum vom Pentagon betriebenen GPS.

Henken zufolge ist Bremen ein wichtiger Faktor im Rüstungsgeschäft, nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. »Die unter anderem auf der Lürssen-Werft produzierten Korvetten sind ein spektakulär neues Kampfmittel. Erstmals kann die Bundesmarine von der See aus Ziele weit im Landesinneren treffen. Durch den A 400 M werden gravierende Transportprobleme gelöst. Fallschirmspringer und Lasten können sogar während des Fluges abgesetzt, das heißt es kann Nachschub in Kampfgebiete gebracht werden. Die in Bremen entwickelte und produzierte Technologie ist die Voraussetzung für die weltweite Einsatzfähigkeit der Bundeswehr.

* Aus: junge Welt, 23. Dezember 2008


Zu weiteren Beiträgen über Rüstung, Militärausgaben und Rüstungsexport

Zurück zur Homepage