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Frieden schaffen – aber wie?

Das Internationale Konversionszentrum Bonn (BICC) legt seinen Jahresbericht 2005/2006 vor: "Es fehlt an nachhaltigen Konzepten und Mitteln zur Friedenskonsolidierung sowie zur Vorbeugung von Konflikten"


Jahresbericht 2005/2006

2006 startet das BICC (Bonn International Center for Conversion – Internationales Konversionszentrum Bonn) eine neue Publikationsreihe – den Jahresbericht (Annual Report). Wir wollen damit inhaltlich zu unseren Kerngebieten Waffenkontrolle, Frieden schaffende Maßnahmen und Konflikte Stellung nehmen sowie weltweite Auf- und Abrüstungstrends analysieren. Aber wir wollen auch einen besseren Einblick in die praktische Arbeit des BICC ermöglichen. Kurze Artikel schildern Erfahrungen, Zielsetzungen, Ergebnisse und Forschungsschwerpunkte von ausgewählten Projekten. Ein Geschäftsbericht gibt Aufschluss über die wirtschaftliche Entwicklung des BICC. Kurz – wir wollen eine breite Öffentlichkeit, Wissenschaft und potentielle Auftraggeber umfassend über unsere Arbeit informieren.

Der Leitartikel des diesjährigen Jahresberichts hat die Überschrift „Wie kann Frieden geschaffen werden? – Erfolge, Scheitern und Herausforderungen“. BICC versteht unter Konversion die Umwandlung militärischer Prozesse, Aktivitäten, Ressourcen und Strukturen. So definierte Konversion unterstützt auch Krisenprävention und den Wiederaufbau in Nachkonfliktsituationen. Die hier diskutierte Frage, wie nachhaltig Frieden geschaffen werden soll, ist angesichts schwelender oder immer wieder aufflammender Konfliktherde wie in Afghanistan, im Irak, in der Nahostregion und in Ländern Afrikas südlich der Sahara von entscheidender Bedeutung. Wo liegen die „wunden Punkte“, die manche Gewaltkonflikte so zählebig machen? Hat die internationale Gemeinschaft aus Fehlern gelernt ? Was können Waffenkontrolle sowie Abrüstung, Demobilisierung und Reintegration, Sicherheitssektorreform und Krisen verhütende Maßnahmen leisten?

Untermauert werden diese Aussagen durch eine Einschätzung internationaler Auf- und Abrüstungstrends. Die Auswertung umfangreicher Daten legt nahe, dass die Tendenz zu weltweit erhöhten Militärausgaben weiterhin ungebrochen ist. Was aber bedeutet dies für regionale Konfliktkonstellationen? Welche Aussagen können über den Zusammenhang Sicherheit und Entwicklung getroffen werden? Was beinhaltet menschliche Sicherheit? Gemeinsam mit dem Leitartikel bildet diese Analyse den Brückenschlag zum ehemaligen Jahrbuch des BICC, dem „Conversion Survey“, der zehn Jahre bis 2005 erschien und kontinuierlich globale Auf- und Abrüstungstrends auswertete.

Einzelne Artikel widmen sich herausgestellten Projekten des BICC. Vorgestellt z.B. werden Erfahrungen mit international anerkannten Weiterbildungsmodulen zur Kleinwaffenkontrolle von TRESA (Training and Education on Small Arms). Erläutert wird die neue Datenbank zu Rüstungsexporten ebenso wie Forschungen zur deutschen und europäischen Rüstungsindustrie. Um den Zusammenhang zwischen der Nutzung natürlicher Ressourcen und Konflikten drehen sich die Beiträge zu „Grenzüberschreitendem Wassermanagement“ und über die „Rolle externer Akteure in Bürgerkriegsökonomien in Afrika südlich der Sahara“. Berichtet wird über ein Forschungsvorhaben zu „Integrierten Friedensmissionen der Vereinten Nationen“, militärische Reformen in Albanien und Mazedonien sowie über nationale wie internationale Erfahrungen und Perspektiven der Liegenschaftskonversion. Als repräsentativ für die Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit kann das Ausstellungsprojekt „Millenniumsziele 2015 – Gemeinsam für Armutsbekämpfung und Entwicklung“ gelten.

Ein Novum ist der erstmals veröffentlichte Geschäftsbericht des BICC. Er informiert nicht nur über Zahlen und Fakten der wirtschaftlichen Entwicklung, sondern auch über Projekte und Personal des Zentrums. Eine Publikationsliste vervollständigt das Bild der Aktivitäten.

Konversion ist Innovation - hierfür steht das BICC als europa- und weltweit bislang einziges Konversionsforschungszentrum. Mit unserem neuen Jahresbericht wollen wir in Zukunft kontinuierlich Auskunft geben, wie wir für unseren Informations-, Beratungs- und Forschungsauftrag aufgestellt sind.

Peter Croll
Direktor des BICC



Frieden schaffen – aber wie?

BICC Presseerklärung, 16. Mai 2006*

Um Probleme der Friedenskonsolidierung geht es im Leitartikel des aktuellen Jahresberichts 2005/2006 des BICC (Internationales Konversionszentrum Bonn). Die Wissenschaftler des BICC kommen dabei zu dem Schluss – trotz einzelner Erfolge ist die internationale Gemeinschaft zu wenig in der Lage, bewaffnete Auseinandersetzungen zu beenden und friedliche Nachkriegsgesellschaften aufzubauen. Es fehlt an nachhaltigen Konzepten und Mitteln zur Friedenskonsolidierung sowie zur Vorbeugung von Konflikten. Dabei sind gerade Konversionsmaßnahmen wie Kleinwaffenkontrolle, Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration ehemaliger Kämpfer sowie die Reform des Sicherheitssektors oft die Schlüssel zum Frieden.

2005 hat die internationale Gemeinschaft zwar teilweise größere Bereitschaft gezeigt, gewaltsamen Konflikten vorzubeugen bzw. offene Kampfhandlungen zu beenden. Diesen Trend belegt der BICC-Jahresbericht mit Beispielen wie dem Kosovo, Sierra Leone und dem Sudan. Das größte Problem liegt jedoch darin, dass internationale Interventionen allein, insbesondere wenn sie mit einem Militäreinsatz verbunden sind, oft dazu neigen, Konflikte lediglich „einzufrieren“. „Militärische Gewalt kann nur eines von vielen Elementen einer erfolgreichen Intervention zur dauerhaften Friedenssicherung sein. Mehr Geld und mehr Gedanken sollte in die übrigen Elemente investiert werden, die für die Friedenskonsolidierung nach einem Konflikt erforderlich sind“, raten die BICC-Autoren.

In diesem zivil-militärischen Spannungsfeld sehen die BICC-Experten nun in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) und in Darfur, Sudan, große Herausforderungen auf die internationale Gemeinschaft zukommen:
  • Trotz der Bemühungen der Vereinten Nationen, die seit 2002 in der DR Kongo im Einsatz sind, ist es nicht gelungen, den nach wie vor schwelenden Konflikt zu beenden. Eine Friedensmission müsste helfen, den Demobilisierungsprozess abzuschließen, eine neue, demokratisch kontrollierte Armee aufzubauen sowie die Einnahmen aus dem Export von natürlichen Ressourcen, die Konfliktgegenstand sind, gerechter zu verteilen. „Notwendig ist eine umfassende Strategie der Europäischen Union für den Kongo und seine Nachbarländer, die neben der langfristigen Entsendung von Truppen auch zivile Komponenten beinhalten sollte”, fordern die Experten des BICC.
  • Anfang Mai 2006 wurde ein Abkommen zur Beendigung des bewaffneten Konflikts in Darfur im Westen des Sudan erzielt. Millionen Menschen sind jedoch weiterhin auf der Flucht. „Die internationale Gemeinschaft muss schnell handeln und stabilisierende Maßnahmen ergreifen – einerseits um die huma-nitäre Situation zu verbessern und andererseits um den fragilen Frieden falls notwendig auch durch weitere Blauhelmtruppen abzusichern”, betont Peter Croll, Direktor des BICC.
Als die größten Misserfolge internationaler Interventionen 2005/2006 benennt der BICC-Jahresbericht die folgenden Fälle:
  • Der Irak belegt in erschreckender Weise, wie ein Militäreinsatz fehlschlagen kann, wenn er von größeren Teilen der Bevölkerung nicht als legitim angesehen wird. Schätzungen sprechen von über 8.000 getöteten Zivilisten und ca. 800 gefallenen Koalitionssoldaten seit April 2005. Der irakische Premier Nuri al-Maliki fordert die Entwaffnung der Milizen und den Aufbau nationaler Sicherheitskräfte. „Der Irak kann auch als Beispiel dafür gelten, wie wichtig die Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung von Kämpfern sowie der Aufbau eines staatlich kontrollierten Sicherheitssektors in der Stabilisierungsphase nach dem Ende von Feindseligkeiten sind”, unterstreicht Peter Croll.
  • Das internationale Engagement zur Beendigung von Kampfhandlungen hat zwar teilweise dazu geführt, offene Konflikte zu beenden und die Zahl der Todesopfer im Gefecht zu reduzieren, war aber weitaus weniger erfolgreich dabei, den Tod ziviler Opfer abseits der Schlachtfelder zu verhindern. Laut jüngsten Schätzungen beläuft sich z. B. die Gesamtzahl der Todesopfer in der DR Kongo seit 1998 auf rund vier Millionen, während die Zahl der Gefechtstoten wahrscheinlich unter 200.000 liegt.
Steigende Militärausgaben und mangelnde Ressourcen für die Entwicklung

2004, im letzten Jahr, für das zum Zeitpunkt der Abfassung des BICC-Jahresberichts gesicherte Daten vorlagen, beliefen sich die weltweiten Militärausgaben auf rund eine Billion US-Dollar (gegenüber 950 Milliarden US-Dollar 2003). Seit dem Jahr 2001 mit geschätzten 825 Milliarden US-Dollar haben die weltweiten Militärausgaben um 18 Prozent zugenommen. Der Verteidigungshaushalt der USA allein macht dabei fast die Hälfte der weltweiten Militärausgaben aus, die globale Zunahme ist also hauptsächlich auf die beträchtliche Aufstockung des US-Wehretats nach den Anschlägen des 11. September 2001 zurückzuführen. Zu den anderen großen Ländern, deren Militärausgaben zwischen 2001 und 2004 gestiegen sind, gehören China, Indien und Russland.

Die Verteidigungsausgaben der Mitgliedstaaten der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) beliefen sich 2003 (letzte verfügbare Vergleichzahl) auf 726 Milliarden US-Dollar (2002: 671 Milliarden), die Ausgaben der OECD-Staaten für die Entwicklungszusammenarbeit hingegen nur auf 69 Milliarden US-Dollar (58 Milliarden US-Dollar 2002).

„Mit diesem Verhältnis von eins zu zehn klafft die Spanne zwischen Militärausgaben und Mitteln für die Entwicklungszusammenarbeit deutlich auseinander. Die falsche Prioritätensetzung der letzten Jahre setzt sich weiter fort“, kritisiert Marc von Boemcken, Projektleiter Daten am BICC, und verweist gleichzeitig auf den Zusammenhang zwischen bewaffneten Konflikten und Armut. So kam es nach Angaben des HIIK (Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung) 2005 in 25 der 40 am wenigsten entwickelten Länder der Welt zu gewaltsamen innerstaatlichen Auseinandersetzungen.

Fehler der Geber

Einer der Gründe für die fehlenden Erfolge beim Frieden Schaffen ist der allgemeine Mangel an finanziellen Mitteln, insbesondere, wenn die anfänglich große Hilfsbereitschaft der internationalen Geber nach der unmittelbaren Konfliktfolgezeit zu Ende geht. Dies muss auch im größeren Kontext der Bemühungen um die Realisierung der Millenniumsentwicklungsziele (MDG) bis 2015 gesehen werden. Einige Geberländer deuteten an, dass sie wegen knapper Finanzmittel Schwierigkeiten haben werden, die zugesagte Anhebung ihrer offiziellen Entwicklungshilfe (ODA) auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auch tatsächlich einzuhalten.

Häufig sind aber auch die Aktivitäten zwischen den verschiedenen Geberländern oder auf nationaler Ebene schlecht koordiniert. „Die Geber haben Präferenzen und Eigeninteressen, die nicht immer zu einem ausgewogenen Ansatz beim Friedensaufbau führen. Der Zeitplan für die Unterstützung nach einem Krieg hängt dann weniger vom Bedarf vor Ort als von Haushaltslaufzeiten und politischen Erwägungen der Geberländer ab“, erklärt Peter Croll. Außerdem neigen internationale Akteure dazu, das Potenzial regionaler und lokaler Initiativen zu unterschätzen, die aktiv in den Friedensprozess einbezogen werden sollten, um nachhaltige Ergebnisse zu gewährleisten.

Konversionsmaßnahmen zur Friedenskonsolidierung

„Es liegt auf der Hand, dass weitere gründliche und anwendungsorientierte Forschung notwendig ist, um die Bedingungen einer erfolgreichen Friedenskonsolidierung zu bestimmen. Hier müssen die Erkenntnisse einfließen, die in konkreten Postkonfliktsituationen gewonnen wurden“, lautet das Fazit der BICC-Experten. Die Vorgeschichte des Konflikts, aber auch Erfahrungen von Gesellschaften, die gerade einen Konflikt hinter sich haben, müssen berücksichtigt werden, um die strukturellen Faktoren zu bestimmen, die für Erfolg oder Misserfolg ausschlaggebend sind.

Beratungsbedarf besteht sowohl für nationale Regierungen und Zivilgesellschaften als auch für die Institutionen der Vereinten Nationen. Dies gilt auch für die 2005 ins Leben gerufene VN-Kommission für Friedenskonsolidierung, deren Stellung bislang unklar ist.

Anwendungsorientierte Forschung und Beratung auf diesem Gebiet gehören zu den zentralen Tätigkeiten des BICC, insbesondere, was die Themen Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration, Reform des Sicherheitssektors, Sanktionen und Kleinwaffenkontrolle angeht.

Der BICC-Jahresbericht 2005/2006, der in einer neuen Publikationsform auf Deutsch und Englisch erscheint, enthält neben Analysen zur Friedenskonsolidierung erstmals auch konkrete Projektdarstellungen und einen aktuellen Geschäftsbericht des Konversionszentrums.

Quelle: Pressemitteilung des BICC; www.bicc.de

Zum vollständigen Jahresbericht 2005/2006 geht es hier: www.bicc.de (pdf-Datei)


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