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Deutscher Rüstungsboom

Laut Regierungsbericht Rekordlieferungen / Kampfpanzer für Saudi-Arabien

Von Olaf Standke *

Das Bundeskabinett billigte am Mittwoch den Rüstungsexportbericht 2010: Mit einem Volumen von 2,1 Milliarden Euro wurden so viele Kriegswaffen wie noch nie ausgeliefert.

Für 1,3 Milliarden Euro exportierten deutsche Waffenschmieden 2009 Rüstungsgüter. 2010 waren es 2,119 Milliarden, 60 Prozent mehr. Von solchen Wachstumsraten träumen andere in Zeiten der Krise. Und dahinter stecken nicht nur »Sondereffekte« durch den Verkauf von Kriegsschiffen an die hoch verschuldeten NATO-Partner Griechenland und Portugal. Auch die Ausfuhr in Entwicklungsländer nahm um über 100 Prozent zu.

Dabei behauptet die Bundesregierung, Genehmigungen würden erst erteilt, wenn sicher sei, dass deutsche Waffen nicht für Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden oder zur Verschärfung von Krisen beitragen. Doch allein der Export nach Pakistan belief sich auf 65 Millionen Euro, Irak kaufte Waffen für 27,6 Millionen Euro. Auf Platz zehn der wichtigsten Zielländer liegt Saudi-Arabien mit einem genehmigten Volumen von 152,5 Millionen Euro. Gestern nun hat der im saudischen Verteidigungsministerium zuständige General Abdullah al-Salehim bestätigt, dass Riad insgesamt 270 Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 A7+ kaufen wolle.

Berlin drängt auch international auf eine erleichterte Ausfuhr rüstungsrelevanter Güter, vor allem mit Blick auf sogenannte Dual-Use-Produkte, die sowohl zu zivilen als auch zu militärischen Zwecken eingesetzt werden können. Bei der Exportkontrolle solle das »Bestreben, Proliferationsbemühungen und destabilisierende Waffenanhäufungen zu verhindern, den legalen Handel, insbesondere die Wirtschaftsbeziehungen mit neuen Gestaltungsmächten, nicht unangemessen erschweren und verhindern«, heißt es gewunden in einer Stellungnahme an die EU-Kommission.

Zwar lag der Wert der 2010 erteilten Ausfuhrgenehmigungen mit 4,7 Milliarden Euro leicht unter dem Volumen des Jahres zuvor, doch sichern diese Vertragsabschlüsse den deutschen Rüstungskonzernen weiter gute Geschäfte, auch in Afrika oder im Nahen Osten. Wie die Zeitung »Haaretz« meldete, sollen im Bundeshaushalt für das nächste Jahr sogar 135 Millionen Euro bereitgestellt werden, um den Kauf ein weiteren U-Boots der Dolphin-Klasse durch Israel zu subventionieren.

Mit dieser Politik werde vorsätzlich Öl ins Feuer bestehender Konfliktherde gegossen, kritisiert Paul Russmann, Geschäftsführer der ökumenischen Aktion »Ohne Rüstung Leben«. Der linke Bundestagsabgeordnete Jan van Aken sprach von einem »menschenrechtlichen und friedenspolitischen Offenbarungseid der Bundesregierung« und forderte strikte Rüstungsexportverbote.

* Aus: neues deutschland, 8. Dezember 2011


Deutsche Waffen überall

Von Jörn Boewe **

Die hohe Nachfrage nach Kriegsgütern hat der deutschen Rüstungsindustrie im vergangenen Jahr einen Exportboom beschert. Der Wert der Waffenausfuhren summierte sich 2010 auf 2,1 Milliarden Euro, wie aus dem Rüstungsexportbericht hervorgeht, den das Kabinett am Mittwoch in Berlin verabschiedete. Dies waren 58 Prozent mehr gegenüber 2009, als Kriegsgüter für 1,3 Milliarden Euro exportiert worden waren. Laut einer im Bericht zitierten Studie des US-amerikanischen Congressional Research Service lag Deutschland 2010 bei den tatsächlichen Waffenausfuhren weltweit an dritter Stelle hinter den USA und Rußland. Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI hatte bereits im Juni darauf hingewiesen, daß die Bundesrepublik in den letzten fünf Jahren beinahe so viele Rüstungsgüter ausgeführt hat wie Frankreich und Großbritannien zusammen.

Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte die starke Zunahme mit einem Sondereffekt: Die Hälfte des Gesamtwerts für 2010 basiere auf der Lieferung von Kriegsschiffen an NATO-Partnerländer. Allerdings nahmen auch die Ausfuhren in Entwicklungsländer deutlich zu: Von 52 Millionen Euro 2009 verdoppelten sie sich auf 108 Millionen. Davon entfielen allein 65 Millionen auf Pakistan und 27,6 Millionen auf den Irak.

Insgesamt wurden im Jahr 2010 Exportgenehmigungen für Kriegsgüter im Wert von rund 4,7 Milliarden Euro erteilt, das waren 290 Millionen Euro weniger als im Vorjahr. Die Summe steht für Vertragsabschlüsse, nicht für tatsächlich ausgeführte Waren. Von diesem Volumen entfielen rund 70 Prozent auf EU- und NATO-Staaten, auf Entwicklungsländer 365 Millionen Euro. Das waren dem Ministe­rium zufolge 43 Millionen Euro weniger als 2009. Nur ein winziger Bruchteil der Exportanträge wurde nicht bewilligt, worauf der Abgeordnete Jan van Aken (Die Linke) in einer Auswertung des Berichts hinwies: Gerade einmal 0,15 Prozent des beantragten Volumens seien 2010 abgelehnt worden.

Größter außereuropäischer Vertragspartner 2010 war Südkorea. Der Wert der genehmigten Rüstungsexporte dorthin belief sich 2010 auf 270 Millionen Euro. Die Vereinigten Arabischen Emirate folgten mit 262 Millionen Euro. Saudi-Arabien liegt mit 152 Millionen Euro auf Platz zehn aller Empfängerländer. Die Bundesregierung war im Sommer in die Kritik geraten, weil sie nach undementierten Medienberichten den Export von 200 »Leopard 2«-Kampfpanzern in das fundamentalistisch regierte Königreich genehmigt hatte.

Wie Die Zeit am Mittwoch meldete, will Saudi-Arabien weitere 70 dieser Panzer von der deutschen Firma Krauss-Maffei-Wegmann kaufen. Dies hätten der im saudischen Verteidigungsministerium zuständige General Abdullah Al-Saleh sowie der Militärattaché der BRD-Botschaft in Riad bestätigt.

Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte, alle Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsexporte seien nur nach »eingehender Prüfung im Einzelfall« erteilt worden, damit die Waffen »nicht für Menschenrechtsverletzungen mißbraucht werden oder zur Verschärfung von Krisen beitragen«.

Der Rüstungsexportbericht 2010 sei »ein menschenrechtlicher und friedenspolitischer Offenbarungseid der Bundesregierung«, kommentierte der Linkspolitiker Aken. Das Papier zeige deutlich, daß nur gesetzliche Verbote den Export deutscher Waffen wirksam einschränken könnten. Dies verlangten auch Peter Strutynski und Lühr Henken vom »Bundesausschuß Friedensratschlag«. Beide plädierten zudem für die Einrichtung eines Konversionsfonds, um die Umstellung von Rüstungsbetrieben auf zivile Güter zu fördern.

** Aus: junge Welt, 8. Dezember 2011


Todeshändler

Von Olaf Standke ***

Nun haben wir es offiziell schwarz auf weiß: Mit Lieferungen im Umfang von über zwei Milliarden Euro war 2010 ein Rekordjahr für die deutschen Waffenproduzenten. Noch nie zuvor haben sie so viele Kriegsgüter exportiert, wie der jetzt vom Bundeskabinett bestätigte alljährliche Rüstungsbericht belegt. Er ist auch ein Dokument des friedenspolitischen Versagens der schwarz-gelben Regierung. Denn Deutschland verdient so weltweit an Kriegen und Konflikten. In den vergangenen Jahren hat die Bundesrepublik ihren globalen Marktanteil mehr als verdoppelt und belegt auf der Hitliste der Todeshändler inzwischen nach den USA und Russland Platz drei. Von A wie Afghanistan bis Z wie Zypern reicht die Liste der Zielländer deutscher Rüstungsexporte. Darunter Spannungsgebiete und Staaten, die massiv Menschenrechte verletzen.

Damit makuliert diese Regierung ihre doch angeblich so strengen Richtlinien auf unverantwortliche Art und Weise. Die Ausfuhrrekorde stehen für einen Ausverkauf der Exportkontrolle mit lächerlichen Ablehnungsquoten. Ein Beispiel ist der gestern in Riad bekräftigte Kauf von 270 der modernsten Leopard-Kampfpanzer durch Saudi-Arabien. Auch diese Lieferung wäre zudem hinter verschlossenen Türen vom Bundessicherheitsrat gebilligt worden - letztlich gegen den Willen einer großen Wählermehrheit. Denn laut Umfragen wenden sich 78 Prozent gegen den Export von Kriegsgerät. Es ist höchste Zeit für strenge gesetzliche Verbote, um die Ausfuhr deutscher Waffen wirksam einzuschränken.

*** Aus: neues deutschland, 8. Dezember 2011 (Kommentar)


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