Rüstungsexporte als Sicherheitsrisiko
GKKE kritisiert Lieferungen in Spannungsgebiete - Zusammenfassung des Berichts der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE)
Im Folgenden dokumentieren wir eine Presseerklärung der GKKE zum Rüstungsexportbericht 2005 der Bundesregierung sowie die Zusammenfassung des ausführlichen Berichts dazu, den es vollständig als pdf-Datei auf der Website der GKKE herunterzuladen gibt: www.gkke.org. Daraus zitieren wir auf dieser Seite die Zusammenfassung.
Mit dem Exportbericht 2005 der Bundesregierung befassten sich bereits früher folgende Beiträge:
Rüstungsexporte als Sicherheitsrisiko
GKKE kritisiert Lieferungen in Spannungsgebiete
Berlin, den 18.12.06 – Als unglaubwürdig betrachtet die Gemeinsame Konferenz Kirche
und Entwicklung (GKKE) den Anspruch der Bundesregierung, eine restriktive
Rüstungsexportpolitik zu verfolgen.“Wir halten die Politik für expansiv“, erklärte der
Evangelische Vorsitzende der ökumenischen Organisation, Prälat Stephan Reimers, bei
der Vorstellung des Rüstungsexportberichts der GKKE heute in Berlin. Basis für diese
Einschätzung der GKKE sei der steile Anstieg des Werts der exportierten Kriegswaffen
um mehr als 40 Prozent auf 1,65 Milliarden € im Jahr 2005 gegenüber 1,13 Milliarden €
im Vorjahr. Auch bei den Rüstungsgütern gibt es nach den von der Bundesregierung
vorgelegten Zahlen einen Anstieg von 3, 8 Milliarden € auf 4,2 Milliarden €.
Die besondere Kritik der GKKE gilt den hohen Ausfuhren in Entwicklungsländer, die
zugleich Empfänger öffentlicher Entwicklungshilfe sind. Sie erhielten 2005 Rüstungsgüter
im Wert von 1,65 Milliarden €. Die Lieferungen in Länder der Krisenregion des Nahen und
Mittleren Ostens kritisiert die GKKE als „Abkehr vom Grundsatz, Waffen nicht in
Spannungsgebiete zu liefern“. Bernhard Moltmann, Vorsitzender der Fachgruppe der GKKE,
die den Bericht erstellt hat, bemängelte die geringe Bindungskraft von politischen
Selbstverpflichtungen. Obwohl Deutschland den EU-Verhaltenskodex für Rüstungsausfuhren
übernommen hat, wurden in 46 Fällen Ausfuhrgenehmigungen erteilt, ohne dass wesentliche
Kriterien des Kodex wie die Achtung der Menschenrechte oder die Abwesenheit interner
Gewaltkonflikte erfüllt waren. Die GKKE äußerte die Erwartung, dass die Bundesregierung
ihre EU-Präsidentschaft zu einer Aufwertung des Verhaltenskodex zu einer verbindlichen EURegelung
nutzt.
Der katholische GKKE-Vorsitzende, Prälat Karl Jüsten, kritisierte Ausführungen des
Weißbuchs der Bundesregierung zur Sicherheitspolitik, die der Rüstungsindustrie
Unterstützung bei ihren Bemühen um Exporte und Kapazitätsauslastung zusagen und damit
einer weiteren Steigerung der Ausfuhren Vorschub leisten können. Er mahnte einen
sorgfältigen Umgang mit den ehtischen Implikationen von Waffenexporten an, bei denen „es
nicht nur Sach-, sondern auch um Wertentscheidungen geht“.
Rüstungsexportbericht 2006 der GKKE
Vorgelegt von der GKKE-Fachgruppe Rüstungsexporte, Bonn/Berlin 2006
Zusammenfassung
Die Berichterstattung durch die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung
(1) Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) legt zum
zehnten Mal seit 1997 einen Rüstungsexportbericht vor. Der Bericht wird
von der GKKE-Fachgruppe „Rüstungsexporte“ erstellt. Ihr gehören Vertreter
der Kirchen und Fachleute wissenschaftlicher Einrichtungen, der kirchlichen
Entwicklungszusammenarbeit und aus Nichtregierungsorganisationen
an.
Der Bericht stellt öffentlich verfügbare Informationen über die deutschen
Ausfuhren von Kriegswaffen und Rüstungsgütern des Vorjahres (2005)
zusammen und ordnet sie in das politische Umfeld ein. Dies geschieht in
der Absicht, diesen Politikgegenstand dem öffentlichen Diskurs zugänglich
zu machen und den Stellenwert der deutschen Rüstungsausfuhren im Zusammenhang
der Friedens-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik zu bewerten.
Die Anleitung zu einer ethisch angeleiteten Beurteilung dient dem
Dialog mit den Trägern politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher
Verantwortung.
Deutsche Rüstungsexporte im Jahr 2005
(2) Im September 2006 hat die Bundesregierung ihren siebten Rüstungsexportbericht
über die Ausfuhr von Kriegswaffen und die erteilten Ausfuhrgenehmigungen
für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter im Jahr
2005 vorgelegt. Das Zahlenmaterial ist für die GKKE Anlass, anhaltende
Bekenntnisse von offizieller Seite zu einer zurückhaltenden Rüstungsexportpolitik
in Frage zu stellen:
-
Der Wert der ausgeführten Kriegswaffen im Jahr 2005 liegt um 44 Prozent
über dem des Vorjahres. Zwischen 1997 und 2005 hat er sich
mehr als verdoppelt. Obwohl sich NATO und EU im zurückliegenden
Jahrfünft vergrößert haben, sind der Anteil der Mitgliedstaaten sowie
der ihnen gleichgestellten Staaten unter den Empfängern gesunken,
während der der Drittstaaten zugenommen hat.
- Das gleiche gilt für die Werte der erteilten Ausfuhrgenehmigungen. Hier
ist ein Anstieg um 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr festzustellen.
Noch höhere Zuwächse ergeben sich aus einem Vergleich der Daten für
1996 mit jenen für das Jahr 2005. Ebenfalls wächst die Zahl der Drittstaaten
unter den Empfängern.
- Der starke Anstieg der genehmigten deutschen Rüstungsexporte in so
genannte „klassische Entwicklungsländer“ widerlegt frühere Behauptungen
der Bundesregierung, dass Rüstungsausfuhren in solche Länder
kaum noch von Bedeutung seien. (2005: 911 Millionen €; 2004: 429
Millionen €) Die GKKE hat schon in den Vorjahren solche Einschätzungen
zurückgewiesen, da seit Genehmigung des Transfers von U-Booten
und Korvetten an Südafrika im Jahr 1999 absehbar war, dass es hier zu
einem Anstieg kommen würde.
(3) Die GKKE stellt fest, dass auch der traditionsreiche Grundsatz, deutsche
Waffen nicht in Spannungsgebiete zu liefern, ausgedient hat. Mittlerweilen
werden Rüstungsexporte in den Nahen und Mittleren Osten
ebenso genehmigt wie nach Südasien, Südostasien und in den Fernen Osten.
Viele der Rüstungstransfers verlaufen nicht mehr allein in eine Richtung,
sondern sind Teil umfassenderer Kooperationen. Deutsche Rüstungslieferungen
tragen in Südamerika dazu bei, einer regionalen Rüstungsdynamik
durch die Lieferung moderner Panzer eine neue Qualität zu
geben.
(4) Die GKKE beobachtet eine Erosion des inhaltlichen Profils der Kriterien,
die die Genehmigung von Rüstungsausfuhren ausschließen sollen.
Der Gesamtwert aller genehmigten deutschen Rüstungsexporte in Länder,
die den Kriterien des EU-Verhaltenskodex für Rüstungsexporte von 1998
nicht zweifelsfrei genügen, betrug im Jahr 2005 etwa 920 Millionen €. 36
Staaten, die nach internationalen Maßstäben die Menschenrechtsstandards
nicht oder nur bedingt erfüllten, erhielten Importgenehmigungen;
in 19 Empfängerstaaten waren innere Gewaltkonflikte im Gange. Bei der
gleichen Zahl von Staaten ist fraglich, ob sich die Rüstungsimporte mit
den Zielen einer nachhaltigen Entwicklungsstrategie vereinbaren lassen.
(5) Die Herausforderungen der internationalen Sicherheitspolitik durch
Folgen scheiternder oder zusammengebrochener Staaten haben inzwischen
auch ihren Niederschlag in den Rüstungsexporten gefunden. Militärische
Eingriffe von Außen in der Absicht, Frieden und Sicherheit (wieder)
herzustellen, ziehen steigende Lieferungen von Rüstungsgütern nach
sich. Dies zeigt sich an hohen Werten für deutsche Rüstungslieferungen
an den Irak und an Afghanistan, aber auch an der Nachfrage nach Kleinwaffen
für Friedensmissionen. Von parallelen Schritten einer Demobilisierung
bewaffneter Organisationen und einer Zerstörung vorhandener Waffenpotentiale
ist nicht die Rede. Entwicklungsanstrengungen, um gesellschaftliche,
wirtschaftliche und politische Ursachen von Terror und Gewalt
in den Krisenregionen zu beseitigen, verlieren an Aufmerksamkeit. Deshalb
plädiert die GKKE für den Vorrang einer umfassenden Friedensstrategie
gegenüber kurzfristigen und regional begrenzten Sicherheitskonzepten.
(6) Die GKKE konstatiert mit Besorgnis eine weltweite Renaissance der
nuklearen militärischen Option. Darauf zielende Bestrebungen, wie sie im
Iran vermutet und von Nordkorea artikuliert werden, haben internationale
Spannungen erzeugt, wie sie nur in der Ära des Kalten Krieges bestanden
hatten. Umso wichtiger ist es, vorhandene Kontrollregime zu stärken. Gerade
die deutsche Rüstungsexportpolitik hatte in den 1980er Jahren gegen
den Makel gekämpft, durch die verdeckte Weitergabe von einschlägigem
Fachwissen und Dual-use-Gütern zur nuklearen Aufrüstung in Konfliktregionen
beigetragen zu haben. Die Folge war eine Verschärfung entsprechender
Ausfuhrbestimmungen und deren Kontrollen. Deutschland
hat durch seine Mitwirkung in der „Nuclear Suppliers Group“ (dem Zusammenschluss
von Staaten, die über Nukleartechnologie verfügen und
den Transfer an Dritte internationalen Kontrollregimen unterwerfen) die
Möglichkeit, die Weitergabe von Nukleartechnologie, die militärisch genutzt
werden kann, zu verhindern. Zudem erhalten mit Indien, Israel und
Pakistan drei Staaten, die im Besitz von Kernwaffen sind oder von denen
dies angenommen wird, in erheblichem Umfang konventionelle deutsche
Rüstungsgüter.
(7) Die GKKE entnimmt den Daten einen Widerspruch zwischen den politischen
Bemühungen der Bundesregierung, die illegale Verbreitung von
kleinen und leichten Waffen einzudämmen, und dem Volumen der erteilten
Ausfuhrgenehmigungen für diese Waffenkategorie. Die gesetzlich bedingte
Abgrenzung zwischen Waffen für den zivilen und den militärischen
Gebrauch, erschwert es, ein klares Bild der Verhältnisse zu gewinnen. Außerdem
ist der gesicherte Endverbleib gelieferter Waffen kaum zu gewährleisten.
Viele Waffen, die einmal legal in Umlauf gebracht worden
sind, geraten häufig später in andere Hände. Allein der Wert der Ausfuhrgenehmigungen für Kleinwaffen für militärische Zwecke hat sich zwischen
1996 und 2005 nahezu versiebenfacht. Vergrößert hat sich auch der Kreis
der Abnehmer außerhalb von NATO und EU.
(8) Angesichts der steigenden Bedeutung des privatwirtschaftlichen Sicherheitsgewerbes,
das teilweise originäre militärische und polizeiliche
Aufgaben übernimmt, sieht die GKKE die Notwendigkeit, rechtliche Voraussetzungen
für die Tätigkeit solcher Unternehmungen deutscher Herkunft
zu schaffen. Dies sollte im Einklang mit gleichzeitigen europäischen
Initiativen geschehen und kann sich an Modellen orientieren, die dafür
bereits in Staaten wie in der USA oder Israel bestehen.
Akzente in der deutschen Rüstungsexportpolitik
(9) Zu den positiven Entwicklungen in den Jahren 2005/2006 zählt die
GKKE:
-
Die Berichterstattung der Bundesregierung über ihre
Rüstungsexportpolitik hat an Qualität gewonnen. Dies gilt unter
anderem für die Darstellung der Bemühungen, den EU-Verhaltenskodex
für Rüstungsexporte von 1998 weiter zu entwickeln, und des
Engagements, der illegalen Verbreitung von kleinen und leichten Waffen
entgegen zu wirken. - Die Bundesregierung wiederholt ihre Zusage, den EU-Verhaltenskodex
durch eine Umwandlung zu einem „Gemeinsamen Standpunkt“ aufzuwerten
und ihm rechtliche Verbindlichkeit zu verleihen.
- Die Bundesregierung zeigt sich bereit, zusammen mit anderen EUStaaten
auf UN-Ebene mit den Verhandlungen über einen internationalen
Vertrag zur Kontrolle des Waffenhandels zu beginnen.
- Deutschland hat europäische Regelungen zum Verbot des Handels mit
Gütern, die zur Folter oder Vollstreckung von Todesstrafen genutzt
werden können, in nationales Recht umgesetzt. Dies gilt auch für die
inzwischen bestehende Genehmigungspflicht für Handel und Vermittlungsgeschäfte
von sensiblen Dual-use-Gütern.
(10) Negativ bewertete Entwicklungen im Jahr 2005/06 führen die GKKE
zu folgenden Feststellungen:
-
Die GKKE sieht die Absicht der im November 2005 ins Amt gekommenen
Bundesregierung, die Genehmigungsverfahren für Rüstungsexporte
zu beschleunigen und zu entbürokratisieren, kritisch. Auch hier besteht
die Gefahr, dass dies um den Preis geschieht, die ohnehin noch mangelnde
Transparenz zu verringern.
- Die GKKE vermisst eine inhaltliche Verknüpfung der Berichterstattung
über die Rüstungsexportpolitik mit den Aktivitäten der Menschenrechtspolitik
und den Bemühungen um Krisenprävention und Konfliktsteuerung.
Die gerade unter entwicklungspolitischen Gesichtspunkten
immer wieder angemahnte Kohärenz politischen Handelns findet
hier keinen Niederschlag.
- Angesichts des Umfangs der Sammelausfuhrgenehmigungen, die im
Rahmen von regierungsamtlichen Kooperationsvorhaben erteilt werden,
stellt die GKKE fest, dass sich der Kreis der Adressaten inzwischen über
EU-, NATO- und ihnen gleichgestellte Staaten hinaus erweitert hat.
Heute kommen bereits Firmen aus Südafrika, Malaysia, Chile und Israel
in den Genuss dieser erleichterten Transferbedingungen. Dieser Entwicklungstrend
beeinträchtigt die Wirksamkeit deutscher Kontrollmöglichkeiten
von Re-Exporten gemeinschaftlich gefertigter Rüstungsgüter.
- Die GKKE widerspricht der Absicherung von Rüstungsexportgeschäften
durch Hermes-Bürgschaften. Dies steht nicht im Einklang mit den
Grundsätzen für dieses Instrument der Außenhandelsförderung, das eine
nachhaltige Entwicklung in Empfängerländern unterstützen soll.
- Die GKKE verweist auf den erheblichen Anteil von Dual-use-Gütern
deutscher Herkunft an konventioneller Rüstung in Empfängerstaaten.
Umso mehr ist Sorgfalt bei der Genehmigung von Ausfuhren dieser Art
geboten. Dies gilt auch für das Zusammenwirken EU-weiter und deutscher
Regelungen.
Aktuelle Kontroversen
(11) Im Blick auf den innerhalb der EU geführten Streit über die Aufrechterhaltung
des Waffenembargos gegenüber China sieht die GKKE keinen
Anlass, bisherige Restriktionen aufzugeben. Die Menschenrechtslage in
China ist weiter beklagenswert, und das Land hat sich keinem wirksamen
Kontrollregime für seine eigenen Rüstungsausfuhren unterworfen. Es
bleibt abzuwarten, ob die geringen Genehmigungswerte für deutsche Rüstungsausfuhren
nach China im Jahr 2005 ein einmaliger Fakt bleiben oder
der Achtung des Embargos von 1989 geschuldet sind. Die Aufrüstung und
Modernisierung der chinesischen Streitkräfte stehen im Zusammenhang
mit regionalen Spannungen und einer anhaltenden Rüstungsdynamik. Dazu tragen auch deutsche Rüstungslieferungen an Südkorea und Taiwan
bei.
Die Auseinandersetzungen über das Waffenembargo gegenüber China
dürfen nicht die Weiterentwicklung des EU-Verhaltenskodex für Rüstungsausfuhren
blockieren.
(12) Die Krise des Friedensprozesses im Nahen Osten und die Bewältigung
der Folgen des israelisch-libanesischen Krieges im Juli/ August 2006
überlagern die Aufmerksamkeit für die seit langem bestehende deutschisraelische
Rüstungskooperation. Jenseits der völkerrechtlich unbestrittenen
Anerkennung des Existenzrechts des Staates Israel mahnt die GKKE,
bei deutschen Rüstungslieferungen an Israel und benachbarte Staaten die
Auswirkungen auf das Bedürfnis der Menschen in der gesamten Region
nach Frieden, Recht und Sicherheit in Rechnung zu stellen.
In der aktuellen Situation sieht die GKKE gewichtige Argumentationsnöte
darin, dass Deutschland einerseits Waffen und Rüstungsgüter in die Region
exportiert und andererseits die deutsche Bevölkerung um Spenden gebeten
wird, um Kriegsschäden zu reparieren.
(13) Der erfolglose Ausgang der UN-Überprüfungkonferenz des Aktionsprogramms
gegen die illegale Verbreitung kleiner und leichter Waffen im
Juli 2006 bedeutet nach Ansicht der GKKE kein Ende der Notwendigkeit
weiterer wirksamer Schritte. Ansätze regionaler Verpflichtungen und
Maßnahmen scheinen derzeit mehr Erfolg zu versprechen als globale Vorhaben.
Das begrüßenswerte Engagement der Bundesregierung in dieser
Sache und die Zusage, nur an staatliche Empfänger zu liefern, stehen allerdings
im Widerspruch zu den sich ausweitenden Genehmigungsvolumina
für deutsche Exporte von kleinen und leichten Waffen. Deshalb dringt
die GKKE darauf, auch hier die deklaratorische und praktische Ebene miteinander
in Einklang zu bringen und den Grundsatz „Neu für Alt“ strikt zu
befolgen. Dieser besagt, bei Neulieferungen vorhandene Bestände zu zerstören.
Dennoch bleibt der Bedarf, einen gesicherten Endverbleib gelieferter
Waffen zu gewährleisten und mit der Erteilung von Lizenzen und der
Lieferung von Herstellungsanlagen sorgfältig umzugehen.
Der Kontext von Frieden, Sicherheit und Entwicklung
(14) Zwei Gründe haben die GKKE in diesem Jahr bewogen, die ethischen
Kriterien einer Bewertung der Rüstungsexportpolitik zu reflektieren: Zum
einen signalisiert die kontinuierliche Beobachtung dieses Politikfeldes eine
inhaltliche Erosion der Maßstäbe, die die deutsche Genehmigungspraxis
anleiten. Zum anderen ist unübersehbar, dass die Krise der Staatlichkeit
in vielen Konfliktregionen die Wiederherstellung des staatlichen Gewaltmonopols
verlangt, um Ordnung und Teilhabe der Menschen an öffentlichen
Gütern zu sichern. Dies kann die Lieferung von Waffen an Polizei
und Streitkräfte als legitime Inhaber staatlicher Gewalt mit sich bringen.
Dabei bleiben Frieden, Sicherheit und Entwicklung die leitenden Normen.
Die konkreten Verhältnisse erfordern jedoch, im Blick auf Rüstungsexporte
differenzierter zu argumentieren.
(15) Die GKKE geht von der moralischen Position aus, dass der Transfer
von Mitteln der Gewalt prinzipiell der gleichen Beurteilung unterliegt wie
die Androhung oder Anwendung von Gewalt. Gewalt aber ist eines der
schwersten Übel für Menschen und deren Zusammenleben. Rüstungstransfers
dürfen nicht die Neigung zu gewaltförmigem Handeln von Staaten
nach Innen wie nach Außen steigern. Sie müssen geeignet sein, dem
Bedürfnis der Menschen nach Schutz vor physischer Gewalt zu dienen.
Dies schließt auch die Prüfung ein, ob der Bedarf an Sicherheit auch auf
anderem Wege befriedigt werden kann. Ferner haben Rüstungstransfers
im Einklang mit den Erfordernissen des guten Regierens zu stehen. Sie
dürfen die Erwartungen an Entwicklung im Sinne einer gerichteten Veränderung
der Lebensperspektiven nicht beeinträchtigen. Dies alles verlangt
eine zeitlich wie sachlich weiter reichende Perspektive, als sie in der Regel
bei rüstungsexportpolitischen Entscheidungen zum Zuge kommt. Aktualismus
ist in dieser Sache ein falscher Ratgeber. Stattdessen ist zu begründen,
dass die Rüstungsexporte tatsächlich den Vorgaben von Frieden,
Sicherheit und Entwicklung genügen.
(16) Den politischen Regelwerken für die deutsche Rüstungsexportpolitik
ist durchaus eine Sensibilität gegenüber den Normen von Frieden, Sicherheit
und Entwicklung zu unterstellen. Doch binden sie die Praxis der Rüstungstransfers
nicht so eindeutig an die Normen, wie es ihr Wortlaut zu
versprechen scheint. Eingeräumte Ermessensspielräume werden gemeinhin
zugunsten von Rüstungsexporten genutzt. Zudem können Gesetze,
„politische Grundsätze“ oder Verhaltenskodices nicht verbergen, dass
letztlich die Orientierung der Lieferländer an ihren eigenen Sicherheits-
und Wirtschaftsbelangen ausschlaggebend ist. Die GKKE sieht sich mit
ihren Partnern in Entwicklungsländern verpflichtet, hier insbesondere die
Sicht von Empfängerstaaten und -gesellschaften zur Geltung zu bringen.
(17) Die Bezüge von Rüstungsexporten auf die Normen von Frieden, Sicherheit
und Entwicklung gelten ebenfalls für eine Bewertung der wachsenden
Zahl internationaler Friedensmissionen und Interventionen in Krisen-
und Konfliktregionen. Auch hier ist eine besondere Begründungspflicht
geboten und sind langfristige Auswirkungen wie Nebeneffekte in
Rechnung zu stellen. Deshalb verweist die GKKE auf das komplexe Zusammenwirken
von politischen, militärischen, wirtschaftlichen und entwicklungsbezogenen
Elementen, die für einen Erfolg relevant sind. Erfahrungen
zeigen, dass wichtige Gesichtspunkte dafür sind: das Beibehalten
eines multilateralen Ansatzes, das Wissen um direkte und indirekte Kosten
und die Notwendigkeit besonnener Entscheidungen. Letztere sollten
bereits vorab die Konsequenzen für alle Beteiligten – die Entsender, die
Adressaten und die Nachbarn – berücksichtigen, aber auch abwägen, wie
im Fall eines Scheiterns zu verfahren ist. Das Unterfangen, mit einer militärischen
Intervention oder der Entsendung einer Friedensmission Frieden
herzustellen und zu sichern, bleibt ein Testfall für die Glaubwürdigkeit des
Außenverhaltens von rechtsstaatlichen Demokratien.
Quelle: Rüstungsexportbericht 2006 der GKKE. Vorgelegt von der GKKE-Fachgruppe Rüstungsexporte, Bonn/Berlin 2006. Redaktion: Gertrud Casel / Dr. Jürgen Hambrink.
Der Bericht ist als pdf-Datei herunterzuladen unter: www.gkke.org
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