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Hauptsache Arbeitsplätze

Linker Wirtschaftsminister in Brandenburg handelt sich durch Ansiedlung einer Rüstungsfirma Kritik ein. Grüne gerieren sich als Pazifisten

Von Ralf Wurzbacher *

Wegen der Ansiedlung eines Rüstungsunternehmens in der Nähe von Berlin machen die Grünen in Brandenburg Front gegen Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Die Linke). Der hatte bei der Ankündigung des Umzugs der Consulting & Services GmbH (AC&S) vom Bodensee ins Luftfahrtzentrum Wildau im September gesagt: »Dies ist ein guter Tag für die deutsche Hauptstadtregion.« Die AC&S ist ein namhafter Player auf dem deutschen Rüstungsmarkt und mischt bei Projekten wie dem Kampfhubschrauber Tiger, dem Airbus A-400M und dem Eurofighter mit. Die Verlegung nach Wildau hat wohl auch damit zu tun, daß es in Baden-Württemberg wiederholt Proteste gegen die Aktivitäten der Firma gegeben hatte.

Auch Berliner Friedensaktivisten sehen die AC&S in »tödliche Machenschaften« verstrickt. Das sogenannte Zentrum für Politische Schönheit, das zuletzt gegen den Export deutscher Panzer nach Saudi-Arabien in Aktion getreten war, will ebenso beim Thema AC&S zur Tat schreiten. Für verbale Unterstützung sorgt derweil Michael Jungclaus von der Grünen-Landtagsfraktion in Potsdam. Er wirft Christoffers und seiner Partei Scheinheiligkeit vor. Man könne sich nicht »bei Sonntagsreden und auf Parteitagen als Gralshüter des Pazifismus aufspielen« und dann drei Wochen später die Ansiedlung eines Rüstungsunternehmens loben, mokierte er sich gegenüber der Presse. Die Linke müsse »ehrlicher« werden und weiter: »Opposition und Regierung gleichzeitig, das geht nicht.«

Daß solche Sprüche ausgerechnet von den Grünen kommen – die schon einmal Frieden gepredigt und gleichzeitig Krieg geführt haben – sorgt wiederum bei der Linken für Empörung. Steffen Streu, Sprecher im Wirtschaftsministerium, hält die Kampagne für substanzlos. Die Grünen könnten weder sagen, wie man eine solche Ansiedlung juristisch verhindert, noch, wo man die Grenzen ziehen soll zwischen ziviler und militärischer Produktion, meinte er gestern gegenüber junge Welt. Tatsächlich ist die AC&S in beiden Gebieten aktiv, wobei die Firmenleitung angesagt hat, sich in Brandenburg lediglich zivilen Projekten zu widmen. Gegenüber der Märkischen Allgemeinen (MAZ) vom Mittwoch wollte Geschäftsführer Dirk Tapella aber nicht ausschließen, daß »auch mal ein militärisches Thema dabei ist«.

Fördergelder vom Land Brandenburg hat die AC&S nach Regierungsangaben keine erhalten. In der Antwort des Wirtschaftsministers auf eine Kleine Anfrage der Grünen ist nur von der »Bereitstellung der Räumlichkeiten am Standort Wildau« die Rede. Das Unternehmen habe sich in Eigenregie an das Raumfahrtzentrum in Wildau gewandt und leiste für die Unterbringung Mietzahlungen, erläuterte Ministeriumssprecher Streu. Weiter heißt es in der Replik der Regierung, AC&S sei angetreten, »Betankungssysteme für die zivile Luftfahrt, insbesondere für den Langstrecken-Cargo-Bereich zu entwickeln«. Die Referenzprojekte, die das Unternehmen auf seiner eigenen Internetseite aufführt sind jedoch zweifellos überwiegend militärisch.

Fakt ist aber auch: Die Landesregierung hat keine Handhabe, eine Unternehmensansiedlung zu verhindern, wie dies auch Sprecher Streu bekräftigte. Außerdem sei die gesamte Luft- und Raumfahrtindustrie sowohl im zivilen und militärischen Bereich aufgestellt, und die Übergänge sind in vielen Fällen fließend. »Denkt man das zu Ende, müßte man eigentlich die gesamte Branche aus Deutschland verbannen und mit ihr die vielen Arbeitsplätze.« Auch die Grünen hätten kein Konzept, »wie man den Verlust von dann 10000 Stellen in Brandenburg kompensiert«, so Streu.

Die abrüstungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag, Inge Höger, überzeugt die Argumentation nur zum Teil. Sie könne verstehen, daß Christoffers »Interesse daran hat, Arbeitsplätze nach Brandenburg zu holen«, wurde sie in der MAZ zitiert. Für sie sind die zivilen Projekte von AC&S aber nur eine Art »Placebo«, tatsächlich sei die Firma bei so gut wie allen neuen Projekten der Rüstungsindustrie mit dabei. Aus ihrer Sicht sollte die Firma ihr großes Know-how künftig ausschließlich für zivile Produkte nutzen.

* Aus: junge Welt, Freitag, 21. Dezember 2012


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