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Rüstungsdeal mit Angola kein Ausrutscher

Lieferung von Kriegsschiffen ist nicht Beginn, sondern Fortsetzung der militärpolitischen Kooperation

Von Sebastian Carlens *

Die Lieferung von Patrouillenbooten der Bremer Lürssen-Werft an die angolanische Kriegsmarine, die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Ende vergangener Woche in Aussicht stellte, hat die Debatte um die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung weiter angeheizt. Der Kriegsschiffsverkauf ist allerdings nicht der Beginn einer militärischen Kooperation der BRD mit Angola, sondern deren konsequente Fortsetzung. Der Deal wurde bereits vor zwei Jahren eingefädelt, als eine angolanische Regierungsdelegation im Februar 2009 nach Bremen gereist war und Verhandlungen über den Kauf von Kriegsschiffen mit der Lürssen-Werft geführt hatte. Die von den Vettern Peter und Friedrich Lürssen geführte Traditionswerft beschäftigt über 1000 Mitarbeiter und ist, neben Luxusyachten, auf militärisches Marinegerät spezialisiert; bereits im Ersten und Zweiten Weltkrieg belieferte die Werft die deutsche Armee.

Das Zustandekommen des Geschäftes ist maßgeblich dem Engagement Friedrich Lürssens geschuldet. Schon 2007 reiste er im Troß des damaligen Bundeswirtschaftsministers Michael Glos (CDU) nach Angola. Laut Hamburger Abendblatt (Donnerstagausgabe) erhielt er die prinzipielle Zustimmung zu dem Deal bereits vom Bundessicherheitsrat der großen Koalition. Auch bei Merkels gerade beendeter Afrikareise, die unter anderem nach Angola führte, war Lürssen mit dabei. Nicht nur Aufrüstung, sondern auch enge Kooperation bei Aufbau und Schulung des angolanischen Militärs gehören zum militärpolitischen Dialog der BRD mit der aufstrebenden afrikanischen Regionalmacht.

Genau vor zwei Jahren, am 17. Juli 2009, war der damalige Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) mit seinem angolanischen Amtskollegen Kundi Paihama zusammengetroffen. Das Verteidigungsministerium ließ damals verlauten, Angola gewinne nach einem Jahrzehnte dauernden Bürgerkrieg und anschließendem Wiederaufbau »zunehmende Bedeutung« im südlichen Afrika. Bei den Gesprächen der beiden Minister hätte die Entwicklung militärpolitischer Beziehungen im Mittelpunkt gestanden. Am vergangenen Donnerstag bot die deutsche Regierungschefin den Angolanern auch die Ausbildung ihrer Soldaten durch die Bundeswehr an. Das südwestafrikanische Land müsse sich darauf vorbereiten, »im Rahmen der Afrikanischen Union« (AU) »Sicherheitsmissionen zu übernehmen«, so das Pressestatement der Kanzlerin.

Die Bundesregierung unterstützt seit geraumer Zeit Militärmissionen der AU, von der African Standby Force, einer Kriseninterventionstruppe der AU, bis hin zu Trainingseinrichtungen wie dem Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre in Ghana. Ziel dieser Kooperation ist es beispielsweise, auch ohne den kostspieligen und gefährlichen Einsatz deutscher und europäischer Soldaten islamistische Kräfte von der Macht in afrikanischen Ländern fernzuhalten, wie dies mit der African Union Mission (AMISOM) in Somalia versucht wird.

Auch ganz konkrete wirtschaftliche Aspekte könnten deutsche Rüstungsexporte nach Angola beschleunigen. Rund acht Prozent der weltweit nachgewiesenen Erdgasreserven lagern in Afrika und vor Afrikas Küsten, Angola gilt neben Äquatorialguinea und Nigeria als bedeutendster Energielieferent des Kontinents. Das Erdgas, das bei der Ölförderung anfällt und in Angola bisher nahezu vollständig abgefackelt wurde, soll in Zukunft aber verflüssigt und exportiert werden, berichtete der Tagesspiegel 2009. »Ein hohes Kooperationspotential sehen deutsche Experten vor allem im Energiesektor«, verkündete »Germany Trade and Invest« (GTAI), die vormalige Bundesagentur für Außenwirtschaft. Verflüssigtes Erdgas würde per Schiff nach Europa transportiert werden. Patrouillenboote kämen, gerade aufgrund der zunehmenden Piraterie vor der afrikanischen Küste, zur Absicherung solcher Transporte gelegen.

* Aus: junge Welt, 18. Juli 2011


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