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Rüstungsgeschäft

Merkel will Kriegsschiffe nach Angola verkaufen *

Die Kanzlerin will nicht mehr nur Geld nach Afrika schicken, sondern auch Geschäfte machen. Angola soll mehrere Patrouillenboote erhalten. Zwar hat dies wohl nicht dieselbe Brisanz wie das Panzergeschäft mit Saudi-Arabien. Eine politische Debatte löst der Deal trotzdem aus. Luanda/Berlin (dpa) Deutschland bereitet ein 60-Millionen-Euro-Rüstungsgeschäft mit der Marine des südwestafrikanischen Staates Angola vor. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Mittwoch nach einem Treffen mit Staatspräsident José Eduardo dos Santos in der Hauptstadt Luanda, es gehe um "Patrouillenschiffe für die Grenzsicherung". Es sei in deutschem Interesse, wenn Afrika regionale Konflikte durch regionale Truppen selbst befrieden könne.

Die Opposition im Bundestag kritisierte die Pläne scharf und warf der Kanzlerin - auch mit Blick auf den Panzerdeal mit Saudi-Arabien - Lobbyarbeit für die Rüstungsindustrie vor.

Linken-Fraktionschef Gregor Gysi erklärte: "Angola befindet sich keineswegs in einem stabilen Zustand. Schon deshalb verbietet es sich, an dieses Land Waffen zu verkaufen." "Angola braucht sicher jede Hilfe und Unterstützung, aber ganz sicher keine Patrouillenschiffe zur Grenzsicherung", sagte Grünen-Chefin Claudia Roth in Berlin. "Merkel will den deutschen Wohlstand und Export auf dem Rücken der Ärmsten sichern."

Merkel wies solche Bedenken zurück. "Angola gehört zu den Ländern in der Afrikanischen Union, die sich für Stabilität einsetzen", sagte die Kanzlerin in Luanda. "Ich glaube nicht, dass wir in umfassendem Sinne hier die Aufrüstung betreiben. Das sind Grenzsicherungsboote." Und weiter: "Wir helfen bei der Ausbildung der Streitkräfte." Die angolanischen Soldaten kämen aus Bürgerkriegen und müssten sich jetzt darauf vorbereiten, im Rahmen der Afrikanischen Union Sicherheitsmissionen zu übernehmen. Das entlaste auch die Europäer. "Bei allen Defiziten, glaube ich, strengt sich Angola an."

Angola, das nach der Unabhängigkeit 1975 bis 2002 im Bürgerkrieg lebte, zählt zu den wichtigsten Ölexporteuren Afrikas und dennoch zu den ärmsten Ländern der Welt. Der Regierung wird vorgehalten, nur unzureichend die Armut in der eigenen Bevölkerung zu bekämpfen. Viele deutsche Firmen meiden Angola wegen der massiven Korruption.

Hintergrund: Angola - Erdöl, Kriegsfolgen, Armut

Das südwestafrikanische Angola ist mit seinen großen Ölvorkommen eines der rohstoffreichsten Länder des Kontinents. Dennoch lebt ein Großteil der rund 18 Millionen Einwohner in Armut. Angola ist mit rund 1,25 Millionen Quadratkilometern mehr als 13 Mal so groß wie die frühere Kolonialmacht Portugal. Die Hauptstadt Luanda liegt an der 1650 Kilometer langen Atlantikküste.

Staatspräsident José Eduardo dos Santos regiert seit 1979. Die Parlamentswahlen im September 2008 wurden von internationalen Beobachtern als "allgemein frei und fair" bezeichnetet, das Land gilt als politisch stabil. Menschenrechtsorganisationen beschuldigen Angola aber der Polizeiwillkür und Folter.

Zu den wichtigen Exportgütern zählen Öl, Diamanten, Kaffee, Fisch und Holz. Deutschland importierte 2010 Waren für rund 227 Millionen Euro aus dem afrikanischen Land. Daran hatte Erdöl einen Anteil von 98,4 Prozent. Im Gegenzug gingen Produkte für 263 Millionen Euro aus der Bundesrepublik nach Angola.

Bis heute leidet die Republik unter den Folgen eines Bürgerkriegs (1975-2002) mit mehr als 500 000 Toten. Immer noch sollen zehn Millionen Landminen vergraben sein. Viele Straßen sind noch immer unpassierbar, was den wirtschaftlichen Aufbau des Landes behindert.

Außerdem kommt es seit der Unabhängigkeit 1975 immer wieder zu Kämpfen zwischen angolanischen Streitkräften und Angehörigen der Front für die Befreiung der Exklave Cabinda (FLEC). Im Jahr 2006 unterzeichneten Vertreter der FLEC und der angolanischen Regierung eine Friedensvereinbarung, die allerdings nicht von allen Rebellen in der ölreichen Region eingehalten wurde. (dpa)



* Aus: Neues Deutschland, 14. Juli 2011


Waffenhändler unterwegs

Von Arnold Schölzel **

Der Panzerdeal mit Saudi-Arabien war nur eine Zwischenstation, der deutsche Handel mit Rüstungsgütern wird von der Bundesregierung erneut kräftig gefördert. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) erklärte zum Auftakt eines zweitägigen Besuchs in Israel am Dienstag: »Wir werden die Rüstungskooperation weiter vorantreiben.« Am Mittwoch berichtete die Nachrichtenagentur dapd zum Ergebnis des Aufenthalts von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Luanda: »Deutschland will Angola aufrüsten«. Die Opposition im Bundestag und die deutsche Friedensbewegung reagierten mit scharfer Kritik.

Offiziell wurde zu den Gesprächen de Maizières in Tel Aviv nur mitgeteilt, daß die Bundeswehr in ihrem Afghanistan-Einsatz weiterhin auf israelische Drohnen setzen wird. Der Vertrag für die Nutzung der unbemannten Aufklärungsflugzeuge vom Typ »Heron« werde um zwei Jahre bis 2014 verlängert. Die Drohnen dienten zur Unterstützung der Einsätze des Kommandos Spezialkräfte (KSK) am Hindukusch, erklärte der Minister. Die wichtigsten Rüstungsverhandlungen zwischen Israel und Bundesrepublik wurden allerdings offiziell nicht erwähnt: die U-Boote der »Dolphin«-Klasse und Korvetten, die von deutschen Werften geliefert werden sollen. Am 5. Mai hatte das Internetportal »Defense Industry Daily« kurz nach einem Besuch des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Berlin gemeldet, daß Deutschland nun bereit sei, den gelieferten drei U-Booten drei weitere folgen zu lassen. Netanjahu hatte um einen erheblichen Rabatt für die Kampfschiffe gebeten, die auch mit atomar bestückten Marschflugkörpern ausgestattet werden können.

De Maizière erörterte mit seinen Gesprächspartnern, Verteidigungsminister Ehud Barak und Netanjahu, auch militärische Vorbereitungen auf die Ausrufung eines palästinensischen Staates im Herbst einschließlich eines eventuellen Einsatzes der Bundeswehr. Er erklärte dazu am Mittwoch, eine Mission sei »nicht vorherzusehen«. Er habe den Eindruck, daß das Zutrauen der israelischen Regierung in eine mögliche internationale Truppe unter UN-Aufsicht »sehr gering« sei.

Merkel erklärte am Dienstag abend (12. Juli) in Luanda, daß die Bundesrepublik Angola zur Aufrüstung seiner Marine Patrouillenboote für die Grenzsicherung angeboten habe. Nach Angaben des Präsidenten des Bundesverbandes der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, Friedrich Lürßen, der zu Merkels Delegation gehört, geht es um sechs bis acht Boote mit einem Stückpreis zwischen zehn und 25 Millionen Euro. Eine grundsätzliche Genehmigung für den Vertrieb der Schiffe liege seiner Werft vor. Merkel bot außerdem die Ausbildung angolanischer Soldaten an.

Die deutsche »Kooperation für den Frieden« erklärte anläßlich der Gespräche de Maizières in Tel Aviv: »Die Bundesregierung ist angehalten, keine Waffen in Länder des Nahen und Mittleren Ostens von Saudi-Arabien bis Israel zu exportieren und die militärische Zusammenarbeit einzustellen. Sie muß sich nachdrücklich für das Ziel der für 2012 geplanten UN-Konferenz für eine massenvernichtungswaffenfreie Zone in der Region engagieren.« Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion Die Linke, Gregor Gysi, kommentierte Merkels Auftritt in einer Presseerklärung mit den Worten: »Angola befindet sich keineswegs in einem stabilen Zustand. Schon deshalb verbietet es sich, an dieses Land Waffen zu verkaufen.« Merkel müsse aufhören, »immer wieder auf Wunsch der Waffenlobbyisten Rüstungsgeschäfte zu betreiben«.

** Aus: junge Welt, 14. Juli 2011


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