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Weltbank holt mehr raus, als sie gibt

Hilfen des Instituts, das angeblich die Entwicklung in armen Ländern fördern soll, haben einen hohen Preis

Von Anil Netto, IPS *

Die finanziellen Leistungen der Weltbank für die Länder des Südens sind geringer als die von diesen gezahlten Beträge. Dies geht aus einem neuen Bericht der Organisation Social Watch mit Sitz beim Third World Institute in der uruguayischen Hauptstadt Montevideo hervor. Dem zum Jahrestreffen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) in Singapur am 19. und 20. September veröffentlichten Papier zufolge ist der Nettotransfer – die Auszahlung abzüglich Zinsen und Tilgung – zwischen der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD) und den Entwicklungsländern seit 1991 negativ.

Die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA) – neben der IBRD, der Internationalen Finanzkorporation (IFC), der Multilateralen Investitionsgarantieagentur (MIGA) und dem Internationalen Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) Teil der Weltbankgruppe – ist die einzige der Weltbankschwestern, von der die armen Länder tatsächlich Geld erhalten. Allerdings belaufen sich die ausgeschütteten Summen aus der Kasse der IDA auf nicht mehr als vier bis fünf Milliarden US-Dollar im Jahr. Anders als die IBRD, die Kredite zu marktüblichen Zinsen vergibt, sind die Darlehen der IDA zinslos. Sie haben eine Laufzeit von 35 bis 50 Jahren, sind zehn Jahre lang tilgungsfrei und werden nur den ärmsten der armen Länder gewährt.

Insgesamt bekommt die Weltbankgruppe 1,2 Milliarden Dollar mehr zurück, als sie herausgibt, heißt es im Social Watch Report 2006. Damit verfehle sie ihre eigentliche Aufgabe, den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt in den Entwicklungsländern zu fördern, moniert Social Watch, ein Zusammenschluß von über 400 zivilgesellschaftlichen Organisationen aus 60 Ländern.

Massive Kritik wurde in Singapur auch an einer PR-Kampagne der Bank laut. Sie versuche mit Begriffen wie »gute Regierungsführung« und »Armutsbekämpfung«, ihre neoliberale Agenda und Forderungen nach Deregulierung, Privatisierung und einem Abbau der staatlichen Subventionen für Basisdienstleistungen zu kaschieren, hieß es. »Good Governance«, unterstrich Weltbankpräsident Paul Wolfowitz in seiner Rede zum Jahrestreffen, »führt zu schnellerem und stärkerem Wachstum und stellt sicher, daß jeder Entwicklungsdollar für den Kampf gegen Armut, Hunger und Krankheit ausgegeben wird«.

Auf die aus der Kasse der Weltbank stammenden Entwicklungsdollar trifft das jedoch nicht unbedingt zu. So hat die Bank der Regierung des indonesischen Diktators Suharto in 30 Jahren rund 30 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt und zugesehen, wie das korrupte Regime große Teile der Gelder veruntreute und eine Menschenrechtsverletzung nach der anderen beging. Für die Glaubwürdigkeit der Bank war das nicht gerade ein Ausweis.

Vieles könnte sich nach Auffassung der Kritiker verbessern, wenn die Weltbank die Forderung nach Transparenz, mit der sie ihren Kunden begegnet, selbst ernster nehmen, Projekte entsprechend prüfen und sogenannten »Whistle Blowern« – Mitarbeitern, die öffentlich auf Mißstände hinweisen – mehr Gehör schenken würde. Für lange überfällig halten sie auch eine Reform der Entscheidungsstrukturen sowohl bei der Weltbank als auch beim Internationalen Währungsfonds, zumal die Länder des Südens das Gros der Verwaltungskosten beider Institute tragen. Noch aber haben die größten Anteilseiger das Sagen, wiewohl der Fonds in Singapur bis 2008 eine grundlegende Reform des Stimmrechts zugunsten der bislang unterrepräsentierten Schwellenländer angekündigt hat.

Bei der Weltbank sind die USA und Japan mit je einem Exekutivdirektor vertreten und haben 16 respektive sieben Prozent der Stimmgewalt. Demgegenüber sind die 53 afrikanischen Länder durch drei Direktoren repräsentiert, von denen einer zwei und die anderen beiden je drei Prozent der Stimmkraft halten.

Nicht unbedingt zum Vorteil der Entwicklungsländer sind auch die von der Weltbank finanzierten Projekte. Seit Jahren kritisierten Beobachter, daß sie vornehmlich Großkonzernen nutzen und für die direkt betroffene Bevölkerung oft katastrophale Folgen haben. Beispiele dafür sind die von Anrainern und indigenen Gruppen strikt abgelehnten Staudämme Pak Mun in Thailand und Kedung Ombo in Indonesien.

* Aus: junge Welt, 27. September 2006


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