Kriege zur Neuordnung der Welt
Sämtliche traditionellen Ordnungskriterien und Verfügungssysteme sind zusammengebrochen - Wolfgang Scheler und Ernst Woit legen ein neues Buch vor
Wolfgang Scheler/Ernst Woit (Hg.): Kriege zur Neuordnung der Welt. Imperialismus und Krieg nach dem Ende des Kalten Krieges. Kai Homilius Verlag: Berlin 2004; 306 Seiten; 24,80 Euro (ISBN 3-89706-878-8)
Mit Beiträgen von Erhard Crome, Hans-Werner Deim, Hermann Hagena, Joachim Klopfer, Gerhard Kümmel, Rolf Lehmann, Wolfgang Scheler, Gregor Schirmer, Arnold Schölzel, Ernst Woit
Buchbesprechung
Die Kriege der Vergangenheit brachten Staatenkonstellationen und Imperien
von befristeter Dauer hervor, die angesichts der Notwendigkeit fortgesetzter
Expansion schließlich ihrerseits den konstituierenden Momenten ihrer
Gewaltherrschaft zum Opfer fielen und neuen Reichen unterworfen wurden. Die
gegenwärtig geführten Kriege zur Neuordnung der Welt stellen demgegenüber
die strategische Phase der angestrebten letztgültigen globalen Herrschaft
dar, mit deren Vollendung jedwedes Potential militärischen, ökonomischen,
sozialen und ideologischen Widerstands unumkehrbar in die Defensive
gezwungen wäre.
Da die heute geschlagenen Schlachten das Folgeprodukt historisch
festzumachender Entwürfe und Verläufe darstellen, drängen sich zwangsläufig
gewisse Übereinstimmungen mit aus der Geschichte bekannten Mustern und
Geschehnissen auf. So wenig man aber Ähnlichkeiten bestreiten kann, wie sie
zwangsläufig an einer Abfolge aufeinander aufbauender Etappen
vervollkommneter Gewalt herauszuarbeiten sind, so verhängnisvoll wäre es,
die derzeit forcierte globale Kriegsführung samt der davon nicht zu
trennenden Repression auch in den Metropolen als bloße Wiederholung immer
gleicher Konflikte oder Rückfall in überwunden geglaubte Barbarei zu
mißdeuten. Wenn man einmal zu der Überzeugung gelangt ist, daß die
Außenpolitik im klassischen Sinn zugunsten einer globalen Innenpolitik
zurückgelassen wird und Kriege demnach den Charakter weltpolizeilicher
Kontroll- und Strafmaßnahmen annehmen, kommt man nicht umhin, sich mit dem
vollständigen und unwiderruflichen Zusammenbruch sämtlicher traditionellen
Ordnungskriterien und Verfügungssysteme auseinanderzusetzen.
Die vielzitierte neue Weltordnung, wie sie im übrigen bereits vor
Jahrzehnten als Entwurf vorformuliert wurde, ist von viel weitreichender
Konsequenz, als dies gemeinhin in Erwägung gezogen wird. Da sich
Geschichtsbetrachtung in aller Regel in der rückblickenden Interpretation
erschöpft, die im Dienste des Postulats historischen Fortschritts früheren
Epochen spezifische Negativmerkmale andichtet, über die man sich im Lichte
moderner Erkenntnis erhaben glaubt, mangelt ihr jeder prognostische Nutzen,
der über ihre zentrale Funktion hinausginge, das Szenario künftiger
Verfügungsgewalt zu leugnen oder zu rechtfertigen. Teilt man aber die
Auffassung, daß die Herrschaft des Menschen über den Menschen das
konstituierende Moment seiner Geschichte darstellt, kommt man nicht umhin,
künftige Schrecken nie gekannten Ausmaßes zu fürchten und sich nicht mit der
vagen Hoffnung zufriedenzugeben, daß sich diesem Irrsinn gegenüber die wie
auch immer gearteten Kräfte des Guten im Menschen durchsetzen müßten.
Das Gute zu postulieren und es vom Bösen abzugrenzen, macht doch gerade die
Überzeugungskraft einer Bush-Administration aus, die als primitiv und
borniert zu bezeichnen Wasser auf die Mühlen umfassender Denkkontrolle ist.
Man prüfe nur einmal nüchtern, in welchem Ausmaß man selbst bereit ist, den
Terrorbegriff anzuwenden. Gewiß wird die Grenzziehung je nach politischer
Coleur etwas anders verlaufen, doch ist man mit der Übernahme dieses
Verteufelungskonzepts als solcher seiner Zielsetzung längst auf den Leim
gegangen. Selbst wenn man die Debatte in der Weise zu wenden meint, daß man
die Protagonisten des sogenannten "Kampfs gegen den Terror" als die
eigentlichen "Terroristen" geißelt, verschreibt man sich dem fundamentalen
Drang, die eigene Position der Seite der Gerechten zuzuschlagen.
Auch wenn man dem Diktat monotheistischer Glaubenslehre entwachsen zu sein
meint, ist die Perspektive, die eigene Rettung zu Lasten des anderen zu
betreiben, von geradezu überwältigender Überzeugungskraft. Es handelt sich
dabei ja um keine akademische Debatte, sondern ganz im Gegenteil um die
Existenz in einer Welt, in der das befristete Überleben längst zum Privileg
einer rapide schrumpfenden Minderheit geworden ist. Dies gilt um so mehr
angesichts katastrophaler Umwälzungen bislang vorherrschender
Versorgungslagen einer Menschheit, die künftig zu einem geringeren Bruchteil
denn je Zugang zu Atemluft, trinkbarem Wasser und ausreichend Lebensmitteln
haben wird.
Für die Strategen der neuen, weil letztgültigen Weltordnung muß die
Sicherung dieser Existenzgrundlage die alles entscheidende
Planungs- und Handlungsmaxime sein. Um den größtmöglichen Zugriff zu
gewährleisten, ist eine administrative Kontrolle globalen Ausmaßes
unabdingbar, die eine nie zuvor gekannte Unterjochung und Ausmerzung aller
potentiell widerständigen Kräfte bis hinein in die Denkweise voraussetzt. Da
Menschen zu Millionen an Durst, Hunger und Krankheit zugrundegehen, darf
daraus nach Maßgabe der Eliten nie wieder eine Revolte hervorgehen, die sich
zu einer Wirkgewalt sammelt und verdichtet, welche das fundamentale
Ordnungssystem bestreitet und sich zu dessen Umwälzung anschickt.
Aus der Durchsetzung dieses Entwurfs resultiert das weltweite Wüten einer
Kriegsmaschinerie, deren monströses Ausmaß auch der gegenwärtige Boom des
Waffengeschäfts illustriert. Wie aus dem soeben vorgestellten "Jahrbuch zu
Rüstung und Abrüstung" des Stockholmer Friedensforschungsinstituts
(Stockholm International Peace Research Institute - SIPRI) hervorgeht, sind
die internationalen Rüstungsausgaben im vergangenen Jahr auf die
rekordverdächtige Summe von 1,05 Billionen Dollar (844 Milliarden
Euro) gestiegen, woran die USA mit nahezu der Hälfte (47 Prozent) beteiligt
sind. Im Jahr zuvor hatten die weltweiten Ausgaben für Rüstung eine
Gesamtsumme von 956 Milliarden Dollar erreicht.
Seit 1995 wuchsen die Militärausgaben um 2,4 Prozent und seit 2002 um sechs
Prozent jährlich, so daß sie inzwischen fast das Niveau aus Zeiten des
Kalten Krieges erreichen. Die Rüstungsausgaben sämtlicher Staaten beliefen
sich 2004 auf umgerechnet 162 Dollar (132 Euro) für jeden Menschen auf der
Welt.
Die USA dominieren dabei sowohl die Produktion als auch den Verkauf von
Rüstungsgütern und besitzen heute nach allen nur denkbaren Zählweisen eine
klare Vormachtstellung. Allein die zusätzlichen Aufwendungen der
US-Regierung für ihren "Krieg gegen den Terror" überstiegen seit 2003 mit
238 Milliarden Dollar alle Militärausgaben in Afrika, Lateinamerika und
Asien (unter Einschluß Chinas, aber ohne Japan) zusammengenommen. Mit 38 der
hundert weltweit führenden Rüstungsproduzenten und einem Marktanteil von
63,2 Prozent (Zahlen für 2003) beherrschen die USA auch die internationale
Waffenherstellung. Auf die 42 führenden europäischen Rüstungsunternehmen,
darunter auch sechs russische Anbieter, entfielen von den Gesamtverkäufen im
Wert von 236 Milliarden Dollar 30,5 Prozent.
Der Bericht des Stockholmer Instituts belegt zudem, daß sich die führenden
Waffenhersteller enorm vergrößert haben und inzwischen mit multinationalen
Großunternehmen zu vergleichen sind. So seien die Umsätze der hundert
führenden Waffenfirmen größer als das zusammengerechnete Bruttosozialprodukt
der 61 ärmsten Länder der Welt.
Verglichen mit den immensen Aufwänden im Dienst der Kriegsführung nehmen
sich die Hilfszahlungen die führenden Industrienationen für die armen Länder
lächerlich gering aus. Indessen schlägt sich diese Diskrepanz nicht im
öffentlichen Bewußtsein nieder, denn wie jüngste Meinungsumfragen zeigen,
glaubt beispielsweise eine Mehrheit der Amerikaner, daß ihr Land etwa 24
Prozent seines Staatshaushalts für Hilfsgelder zur Linderung der Armut in
der Welt aufbringe. Die Fehleinschätzung könnte kaum größer sein, sind es
doch derzeit nur verschwindend geringe 0,16 Prozent. Jeffrey Sachs, ein
Ökonom der Columbia University, der den Vorsitz des Millennium-Projekts der
UNO innehat, bezeichnete daher die Annahme, eine Flut US-amerikanischer
Hilfsgelder fließe nach Afrika, als eine der größten nationalen Mythen der
USA.
Ungeachtet der Tatsache, daß die Vereinigten Staaten vor drei Jahren die
UNO-Deklaration mitunterzeichnet haben, wonach die reichen Länder ihre
Hilfszahlungen bis 2015 auf 0,7 Prozent ihres Haushalts aufstocken wollen,
sind die USA bislang nicht über die genannten 0,16 Prozent hinausgekommen.
Großbritannien, Frankreich und Deutschland haben zumindest Pläne
angekündigt, wie sie den vereinbarten Betrag zu erreichen gedenken, doch
nicht einmal ein derartiges Täuschungsmanöver hat die US-Regierung für nötig
erachtet. Fakten und öffentliches Bewußtsein klaffen inzwischen so weit
auseinander, daß die von der Bush-Administration dieser Tage in Aussicht
gestellte Anhebung ihrer Hilfszahlungen um nicht einmal 0,007 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts allen Ernstes in einer vor Krokodilstränen triefenden
Debatte um Hunger und Elend in der Welt als Zeichen des guten Willens gelobt
wurde.
Doch selbst wenn es tatsächlich die in der UNO-Deklaration fiktiv
angepeilten 0,7 Prozent wären, entspräche dies mit rund 80 Milliarden Dollar
in etwa dem Betrag, den der US-Senat soeben als Aufstockung der
Militärausgaben für die andauernde Okkupation des Irak bewilligt hat. Bei
dem Argument angeblich fehlender Mittel handelt es sich daher um eine
gezielte Irreführung, wie beispielsweise die im vergangenen Jahr um fast 140
Milliarden Dollar gesenkten Unternehmenssteuern belegen.
Während die reichen Industrienationen eine noble Absicht und Anstrengung
vorhalten, die Armut in der Welt zurückzudrängen, sprechen ihre Taten eine
vollständig andere Sprache. Man sollte auch in dieser Hinsicht der
internationalen Arbeitsteilung der führenden Mächte nicht auf den Leim
gehen, wie dies das Gros der Medien in Reaktion auf den pompös präsentierten
Plan zur Entschuldung Afrikas gerade getan hat. Der britische Premier Tony
Blair gerierte sich als Speerspitze vorgetäuschter Hilfbereitschaft der
Europäer, der gegenüber die US-Regierung einmal mehr knauserte wie Dagobert
Duck. Das gab Stoff, Empörung abzuarbeiten und sich frierend vor
Gemütlichkeit in einer Welt moralischer Scheingefechte einzurichten.
Es ist bezeichnend für die aktuelle Diskussion um Roß und Reiter der neuen
Kriege, daß die Benennung ihrer letztendlichen Agenten außerordentlich
schwerfällt und sich mit jeder vorschnellen Aufklärung nur um so
bereitwilliger im sich verdichtenden Nebel der Verschleierung verläuft. So
neigt eine zahlenmäßig starke Fraktion dazu, ein Chaos regionaler Konflikte
überwiegend nichtstaatlicher Akteure, privatisierten Kriegshandwerks und
ethnischer Konflikte zu beklagen, dessen wesentliches Manko das Fehlen
staatlicher Ordnung sei. Diese Sichtweise verliert sich in den
Erscheinungsformen und dient sich regulierenden Mächten an, die sich der
entfesselten Vernichtungswut der um das Überleben ringenden regionalen
Kriegsherrn zu ihren eigenen Zwecken bedienen. Man denke in diesem
Zusammenhang nur an die heute so gern zur Charakterisierung jedweder
regionalen Konflikte zitierte "Balkanisierung", die ursächlich keineswegs
ein zum Ausbruch drängender Gärungsprozeß unter den dort lebenden Völkern
war, sondern im Gegenteil die gezielte Zerschlagung des jugoslawischen
Staates, der die angeblichen Erzfeinde lange und erfolgreich in Koexistenz
und Kooperation verbunden hatte.
Zweifellos sind kapitalistische Wirtschaftsweise und nationale Basis in zu
benennenden Metropolen Wesensmerkmale der dominanten Linie innovativer
Verfügungsgewalt. Dennoch wäre es zu kurz gegriffen, allein auf die USA als
aggressivsten Kriegstreiber zu verweisen und die Analyse damit zu
beschließen, da dieser Rückfall in ein nationalstaatliches Konzept den
überstaatlichen Charakter administrativer Regulation sträflich
vernachlässigt. Die Existenz rivalisierender Staaten, konkurrierender
Profitinteressen und in ihrer Lebensweise widerstreitender Kollektive birgt
noch immer die Unwägbarkeit nicht kalkulierbarer Verläufe, so daß sie einem
Entwurf endgültiger Funktionszuweisung und Ressourcenzuteilung im Wege
steht.
Das letzte Wort der Analyse ist also noch nicht gesprochen, wie auch die
Durchsetzung einer unumkehrbaren Ordnung auf den Weg gebracht, doch beileibe
nicht vollendet ist. Um so unverzichtbarer ist daher die Auseinandersetzung
mit den Kriegen zur Neuordnung der Welt, zu der der Ende vergangenen Jahres
im Berliner Kai Homilius Verlag erschienene Sammelband der Herausgeber Ernst
Woit und Wolfgang Scheler einen ebenso fundierten wie die Debatte
befruchtenden Beitrag liefert.
Wie schon der Blick in den biographischen Anhang zeigt, kommen in der
wohlbedacht zusammengestellten Sammlung Autoren zu Wort, die man mit Fug und
Recht als langjährige Experten auf diesem Gebiet bezeichnen kann.
Bemerkenswerterweise finden sich darunter etliche ehemalige Generäle der NVA
und der Bundeswehr, was jeder Spekulation, es könne sich bei dem zweiten
Band der Reihe Globale Analysen womöglich um eine Außensicht ohne intime
Kenntnis der Materie handeln, von vornherein den Boden entzieht. Daß auch
und gerade vormals hochrangige Offiziere und Militärtheoretiker der DDR
trittsichere und weitreichende Analysen und Einschätzungen präsentieren,
kann indessen nur dann erstaunen, wenn man die Konfrontation konkurrierender
Gesellschaftssysteme auf so umfassende Weise ad acta gelegt hat, wie dies
die Protagonisten einer unilateralen Ordnung gerne hätten.
Das von den Friedensforschern Ernst Woit und Wolfgang Scheler, zwei
namhaften Mitgliedern der "Dresdner Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik",
herausgegebene Kompendium über alte und neue Kriege, ihre Voraussetzungen
und die Strategien ihrer Rechtfertigung entlarvt den sogenannten "Krieg
gegen den Terror" als Schimäre, welche die eigentlichen Kriegsziele der
angestrebten Neuordnung der Welt verschleiert. Ernst Woit, der mit zwei
eigenen Beiträgen im Sammelband vertreten ist, befaßt sich in einem Anhang
mit dem allgegenwärtigen Terrorismusbegriff, der heutzutage wie ein
Glaubensbekenntnis jeder halbwegs bedeutsamen Politikerrede vorangestellt
wird und längst als unhinterfragtes Allgemeingut im Denken der Menschen
Wurzeln geschlagen hat. Mit seiner Untersuchung des sogenannten "Terrors"
öffnet der Dresdner Professor die Tür zu einer kritischen Auseinandersetzung
mit den Urhebern dieser Kampagne, die ein innovatives Konzept des
verwerflichen Unmenschen jenseits aller akzeptablen Motive und
Handlungsweisen in die Welt gesetzt und zur Begründung ihrer Kriegszüge
herangezogen haben.
Der einleitende Beitrag aus der Feder Arnold Schölzels führt den Leser in
leicht nachvollziehbaren Schritten zugleich so tief ins Thema ein, daß der
Analyse von Mitherausgeber Wolfgang Scheler über die alte Frage nach dem
Wesen des Krieges der Weg bereitet ist. Scheler, der früher einen Lehrstuhl
für Philosophie an der Militärakademie der NVA innehatte, kann auf
langjährige Forschungen zurückblicken, die ihm erlauben, die neuen Kriege
fundiert und plausibel unter die Lupe zu nehmen. Er kritisiert in diesem
Zusammenhang die Untersuchung des Berliner Historikers Herfried Münkler zum
selben Thema und erörtert zudem Lösungsansätze, die es nicht mit der
vermeintlichen Unausweichlichkeit des Krieges bewenden lassen.
Mitherausgeber Ernst Woit bleibt in seinen Beiträgen zur Strategie und
Ideologie der Rechtfertigung imperialistischer Kriege und zur asymmetrischen
Kriegsführung seinem Ruf als Humanist und unermüdlicher Warner treu. Er
widerlegt klar und wissenschaftlich fundiert die Propaganda der Fürsprecher
von Gewalt und Krieg.
Von besonderem Interesse sind zweifellos auch die Beiträge der ehemaligen
Militärs Hans-Werner Deim, Hermann Hagena, Rolf Lehmann und Joachim Klopfer.
Hier werden Vorbereitung und Durchführung von Kriegen gewissermaßen auf der
Seite der "Hardware" erläutert und in einen umfassenderen Kontext gestellt.
So legt Brigadegeneral a.D. Hagena die Weltkriegspläne der USA dar, wobei er
neben deren weitreichenden Möglichkeiten auch die damit verbundenen Risiken
charakterisiert. Die beiden Dresdner Militärwissenschaftler Lehman und
Klopfer präsentieren russische Auffassungen zum Charakter von Kriegen und
militärischen Konflikten der Gegenwart und Zukunft. In einem
zusammenfassenden Abriß stellen sie eine verständliche und präzise Analyse
des militärischen Denkens im heutigen Rußland vor, die um aufschlußreiche
Beispiele und Zahlen sachdienlich ergänzt wird.
Gregor Schirmer befaßt sich mit völkerrechtlichen Aspekten der gegenwärtigen
Kriegsrenaissance und mahnt ein zeitgemäßes Friedensvölkerrecht an:
"In der neuen Sicherheitsdoktrin gehen die USA weit über
jede bisherige Auslegung des Selbstverteidigungsrechts
hinaus. Es werden Selbstverteidigungsrechte proklamiert,
die nichts anderes als ein neues, kaum begrenztes ius ad
bellum bedeuten. Erstens beanspruchen die USA das
Selbstverteidigungsrecht nicht nur für einen bevorstehenden,
nicht mehr anders abwendbaren Angriff, sondern für einen
möglichen Angriff irgendwann in der Zukunft. Zweitens
erfinden sie Tatbestände, die mit einem bewaffneten Angriff
nichts mehr zu tun haben. Zuerst Menschenrechtsverletzungen,
dann Unterstützung von Terrorismus, dann Besitz von
Massenvernichtungswaffen, dann die Existenz eines
diktatorischen Regimes. Drittens sollen auch nichtstaatliche,
private Akteure bewaffnete Angriffe im Sinne von Art. 51
durchführen können und damit das Selbstverteidigungsrecht
auslösen. Viertens werden keine Mittel für diese
'Selbstverteidigung' ausgeschlossen, auch die atomaren nicht.
Fünftens wird das Privileg dieser Selbstverteidigung offenbar
nur den USA und ihren jeweiligen Verbündeten zugebilligt und
dem Rest der Staaten, auf jeden Fall den 'Schurkenstaaten'
verweigert."
Gerhard Kümmel setzt sich in seinem Beitrag mit dem Phänomen des sogenannten
Selbstmordanschlags auseinander, der insbesondere als extreme Kampfform
militärisch unterlegener Völker gegen übermächtige Besatzungsmächte von
wachsender Bedeutung in den Auseinandersetzungen ist. Und schließlich prüft
Erhard Crome die friedenssichernden Potenzen der Bewegung der Sozialforen im
Kontext seiner imperialismuskritischen Analyse.
Wenn es im Vorwort der Herausgeber heißt, das vorliegende Buch wolle ein
Angebot zur Diskussion machen und zu humanistischem Denken und Handeln
herausfordern, kann man als interessierter Leser die Umsetzung dieser
Intention als rundum gelungen bezeichnen. Legen schon die einzelnen Beiträge
für sich genommen wesentliche Aspekte des Themas sachkundig dar, so bietet
die Zusammenschau um so mehr Anhaltspunkte für die weitere Beschäftigung mit
diesem Komplex, weshalb die Freude an der Rezeption qualitativ hochwertiger
Analysen nahtlos in eine fortgesetzte Entwicklung der darin aufgeworfenen
Fragen übergehen kann.
* Diese Besprechung erschien in der elektronischen Zeitschrift "Schattenblick"
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