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Zwei Riesen, die einander brauchen

Trotz aller Streitpunkte suchen China und die USA die Zusammenarbeit

Von Anna Guhl *

Allein drei Tage seiner ersten Asien-Reise plant Präsident Obama für China ein. Schon das zeigt die Bedeutung Pekings für die US-amerikanische Außenpolitik.

So viel Zeit sich Obama auch für seinen Besuch in China nimmt, ob sie für die geplante umfangreiche Agenda ausreicht, bleibt abzuwarten. Dabei ist Obama sehr gewillt, die Großmacht China fest in seine neue Asien-Strategie einzubinden. In einem Interview vor der Reise sprach er von einem »vitalen Partner und Wettbewerber«, an dem kein Weg vorbei führe, wenn es in diesen Tagen um die Lösung von weltwirtschaftlichen oder weltpolitischen Fragen geht. Das fernöstliche Land hat gerade in den letzten Jahren an Macht und Ansehen in Asien gewonnen und konnte sich nicht zuletzt dank seiner zunehmenden Wirtschaftsstärke zugleich politisch profilieren. China steht für viele seiner Nachbarn auch in dieser Wirtschaftskrise als verlässliche Wachstumskraft.

Peking fördert Wirtschaftskooperationen, ohne auf politischen Vorbedingungen zu bestehen. 166 Freihandelsabkommen sind in der Region bereits abgeschlossen, 62 weitere werden derzeit verhandelt. Die Volkswirtschaften und Unternehmen in Asien verflechten sich immer mehr, und China ist aktiv an diesem Prozess beteiligt. Die westlichen Industrieländer spielen dabei immer weniger eine Rolle. Das muss den USA zu denken geben. Die neue Regierung hat auch sehr gut verstanden, dass sie sich in Asien mehr engagieren muss.

Viele wohlklingende Worte waren so von Obama vor seiner Reise nach Peking zu hören: Er glaube an ein starkes, blühendes und erfolgreiches China in der Zukunft. Dort sieht man dem Besuch eher gelassen entgegen. Peking ist mehr an pragmatischen und nützlichen Beziehungen interessiert, die ohne ständige Reibereien funktionieren, als an schönen Worten. Auch wenn es Obamas erster Besuch im neuen Amt sein wird, Chinas Partei- und Staatschef Hu Jintao ist für ihn kein Unbekannter mehr. Zwei Mal in diesem Jahr, im April in London und im September in Pittsburgh, haben sich beide am Rande des G-20-Gipfels bereits gesprochen und auf eine konstruktive Kooperation verständigt.

Noch vor zehn Jahren drehten sich amerikanisch-chinesische Gipfeltreffen allein um ein paar bilaterale Themen wie die Taiwan-Problematik oder den gegenseitigen Warentransfer. Die USA haben mehr über China hinweggesehen als es ernst genommen. Heute stehen im Mittelpunkt der Gespräche vor allem globale Themen: Bewältigung der Finanzkrise, Anti-Terrorkampf, Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen, Energiesicherung und Klimaveränderung. Peking weiß inzwischen sehr genau, wie wichtig sein Handeln für die USA ist. Allein der Blick auf die Devisenreserven der Chinesen zeigt, beide Länder müssen sich nicht unbedingt mögen, doch sie sind aufeinander angewiesen.

China bleibt mit rund 800 Milliarden Dollar US-amerikanischer Staatsanleihen Washingtons größter Schuldner. Auch deshalb eilte Außenministerin Hillary Clinton schon kurz nach Amtseinführung nach Peking. China sollte um Gottes Willen nicht umschwenken und auf den viel stärkeren Euro setzen; vor allem sollte es nicht verkaufen. China wiederum braucht den US-amerikanischen Markt für seine umfangreichen Exporte, und der ist in den vergangenen Monaten zweistellig eingebrochen.

Die Balance im beidseitigen Warentransfer ist bei weitem noch nicht hergestellt. Das machen auch die neuerlichen Streitpunkte deutlich. Washington verlangt höhere Exportzölle auf chinesische Einfuhren und sieht den chinesischen Renminbi weiterhin als absolut unterbewertet an. China wirft im Gegenzug den US-Amerikanern Protektionismus vor und verlangt die Anerkennung seines Status als Marktwirtschaft. Dass die neue Administration sich in politischen Aussagen eher zurückhält, wird in Peking allerdings positiv vermerkt. Präsident Obama habe mehrmals die Anerkennung der heutigen Grenzen Chinas betont und sich gegen Unabhängigkeit und Lostrennung von Tibet und der uigurischen Region Xinjiang ausgesprochen. Chinas Botschafter in den USA, Zhou Wenzhong, hofft, dass der Präsident diese neuen Ansätze auch mit tatkräftigen Aktionen untermauert und verweist in diesem Zusammenhang auf Taiwan. Menschenrechtsorganisationen dagegen schlagen Alarm. Bereits Hillary Clintons Charme-Offensive habe der chinesischen Führung in die Hände gespielt, sie kümmere sich immer weniger um demokratische Entwicklungen und Werte in ihrer Politik. Dabei würden politische Zensur und Repressionen in China eher wieder zunehmen, mahnen sie jetzt an.

* Aus: Neues Deutschland, 12. November 2009


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