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Neues Selbstbewußtsein

Treffen der blockfreien Staaten in Havanna im Zeichen der weltweiten Wirtschaftskrise: Gemeinsam handeln gegen die Hegemonialmächte

Von Benjamin Beutler *

Die Abschlußerklärung vom Donnerstag (30. April) ließ nichts an Klarheit vermissen. Vier Tage lang hatten in Havanna die Vertreter von 112 Mitgliedsstaaten der »Bewegung der Blockfreien Staaten« (NAM) den 15. Gipfel des Zusammenschlusses vorbereitet. Dieser soll ein Signal des Aufbruchs werden, so der Tenor. Er wird vom 11. bis 16. Juli dieses Jahres in der ägyptischen Touristenhochburg Scharm Al-Scheich abgehalten werden – und von großer Bedeutung sein. Das zumindest meint Miguel d’Escoto, ehemaliger Außenminister des sandinistischen Nicaraguas und aktueller Vorsitzender der UN-Generalversammlung. D’Escoto: Bis heute seien die Forderungen des Bündnisses ehemaliger Kolonialländer gültig geblieben. Brandaktuell sei folglich weiterhin deren Ausrichtung »gegen den Imperialismus, Kolonisierung, Rassismus und jede Form der Besetzung und Einmischung seitens der Hegemonialmächte«.

Insbesondere angesichts der Weltwirtschaftskrise müsse sich die NAM ihrer wichtigen Rolle bewußt sein, meinte der Nicaraguaner weiter. Denn wer sonst verteidige die »Rechte der Mehrheiten und Besitzlosen, der Opfer der bestehenden Weltwirtschaftsordnung«, fragte der ehemalige Priester die nach Kuba gereisten Delegationen. Zu denen gehörten neben jenen der Mitgliedsstaaten auch 14 mit Beobachterstatus sowie zehn mit Gaststatus. Im Juli müsse in Ägypten die »vielleicht einzigartige Chance« genutzt werden, »an der Schaffung einer neuen ökonomischen Weltordnung teilzunehmen«.

In der Abschlußerklärung wird von den USA gefordert, das in der Bucht von Guantánamo widerrechtlich »besetzte Staatsterritorium« Kubas zurückzugeben. Außerdem habe Washington seine »unilaterale Feindseligkeit gegen Havanna einzustellen. Gemeint sind unter anderem propagandistische Radio- und TV-Sendungen, die von Florida aus in Richtung der Karibikinsel ausgestrahlt werden. Die US-Wirtschaftsblockade wurde erneut als völkerrechtswidrig verurteilt.

Die NAM-Erklärung fordert eine friedliche Lösung des Palästina-Konfliktes, eine Aufhebung bestehender Sanktionen gegen Simbabwe sowie die Auslieferung des Terroristen Luis Posada Carriles aus den USA, der für ein Attentat auf ein kubanisches Zivil­flugzeug 1976 mit 73 Toten verantwortlich ist. Die NAM-Delegationen stellten sich hinter die demokratisch gewählten Linksregierungen des süd­amerikanischen Kontinents. Demokratien wie die in Venezuela und Bolivien seien zu schützen. Ihnen stehe es frei, ihr »wirtschaftliches, politisches und soziales System ohne ausländische Intervention, Subversion, Abhängigkeit und Beschränkungen zu wählen«, so die Deklaration.

Die in den 50er Jahren initiierte »Blockfreienbewegung« tritt für Gleichberechtigung zwischen den Staaten ein und versucht, über eine stärkere Süd-Süd-Kooperation das Gewicht der von den Großmächten abhängigen Staaten zu erhöhen. Behinderte die große Mitgliederzahl in der Vergangenheit oft ein starkes Auftreten, so sprach die NAM in den den vergangenen Jahren wieder mit vereinter Stimme. Gute Argumente hat sie allemal: Sie vertritt über die Hälfte der Weltbevölkerung, in der UN-Generalversammlung haben ihre Mitglieder fast zwei Drittel der Sitze inne.

* Aus: junge Welt, 2. Mai 2009


Signale der Blockfreien

Staatengremium positioniert sich zur weltweiten Wirtschaftskrise

Von Harald Neuber *


In Havanna endete am Donnerstag eine Ministerkonferenz der Nichtpaktgebundenen zur Vorbereitung des Juni-Krisengipfels in New York. Für Gastgeber Kuba war es ein erfolgreiches Heimspiel.

Die in der kubanischen Hauptstadt Havanna versammelte Ministerkonferenz der Bewegung der Blockfreien Staaten hat eine gemeinsame Initiative auf dem für Anfang Juni in New York geplanten Krisengipfel der UNO angekündigt. Bei dieser Zusammenkunft wollen die 192 UNO-Mitgliedsstaaten Lösungen gegen die weiter eskalierende Weltwirtschaftskrise beraten. Künftige Maßnahmen »dürfen die tief greifenden Unterschiede in der internationalen Wirtschaftsarchitektur nicht weiter verstärken«, heißt es in der Abschlusserklärung, die von den blockfreien Staaten am Donnerstagabend (Ortszeit) in Havanna verabschiedet wurde.

An dem Treffen der 1961 in Belgrad gegründeten Bewegung nahmen nach Medienangaben 112 der 118 ständigen Mitglieder sowie mehrere Beobachterstaaten teil. Es war zugleich die vorerst letzte Konferenz unter kubanischer Führung. Ende des Halbjahres gibt Havanna die Präsidentschaft über die Organisation an Ägypten ab. Die Ministerkonferenz von Havanna hatte deswegen auch zur Aufgabe, das kommende Treffen der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten Mitte Juli in dem arabischen Land vorzubereiten.

Zuvor aber werde man in New York auf »demokratische und umfassende Lösungen« für die Weltwirtschaftskrise drängen, sagte Kubas Außenminister Bruno Rodríguez. Er bekräftigte damit zum Ende der dreitägigen Konferenz den Standpunkt von Kubas Staats- und Regierungschef Raúl Castro. Dieser hatte am Mittwoch gefordert, Strategien ausschließlich innerhalb der UNO zu verhandeln. Das Vorgehen der 20 wirtschaftsstärksten Länder (G 20) würde die weltweit bestehende soziale Kluft nur noch weiter vertiefen, so Castro. Die G-20-Staaten hatten eine Stärkung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank angekündigt. Diese Institutionen, so Castro, seien für die aktuelle Krise aber gerade verantwortlich.

Deutlich sprachen sich die Teilnehmer des Blockfreiengipfels auch gegen einseitig verhängte Sanktionen aus. Vor allem die US-amerikanische Blockade gegen Kuba müsse nach fünf Jahrzehnten umgehend beendet werden, heißt es in der gut 450 Absätze umfassenden Abschlusserklärung des Ministertreffens. Kritisiert wurden auch die Sanktionen gegen die Regierung von Simbabwe sowie der Haftbefehl gegen den sudanesischen Staatschef Omar al-Baschir.

Vor allem auf Drängen der USA hatte der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Anfang März einen Haftbefehl gegen Baschir wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen beantragt. »Die Inhaftierung des amtierenden Präsidenten würde in keiner Weise zum Frieden in (der westsudanesischen Unruheprovinz) Darfur beitragen«, so Kubas Vizeaußenminister Abelardo Moreno dazu am Dienstag.

Deutlich gestärkt wurde auch das Gastgeberland Kuba in seinem Kampf gegen die US-Blockade. Im Beisein des Generalsekretärs der UNO-Vollversammlung, Miguel d'Escoto, verurteilten die Delegierten die Strafmaßnahmen. Sie verstoßen, so die Staatenvertreter, gegen die Prinzipien der UNO-Charta. Zuvor bereits hatten die Länder der Blockfreienbewegung die Auslieferung des Exilkubaners und mutmaßlichen Terroristen Luis Posada Carriles nach Venezuela verlangt.

Nach Ende der Ministerkonferenz äußerte sich Vizeaußenminister Moreno zufrieden. Kuba übergebe an Ägypten den Vorsitz über eine »aktivere Organisation mit stabileren, standhafteren und kohärenteren Positionen«.

** Aus: Neues Deutschland, 2. Mai 2009


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