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Washington droht neue Weltordnung

Schicksal des Dollars entscheidet sich auch in Tokio / Streit um Militärbasis auf Okinawa

Von Olaf Standke *

Tokio, der APEC-Gipfel in Singapur, Peking, Seoul - das Programm der morgen beginnenden ersten Asientour von US-Präsident Barack Obama ist prall gefüllt. Es widerspiegelt auch die veränderte Sicht der Supermacht auf die Region.

Auch Reisepläne machen Prioritäten jenseits politischer Sonntagsreden deutlich: Nicht die Rückschau auf den Mauerfall vor 20 Jahren hat US-Präsident Obama im November favorisiert, sondern eine Tour durch die nach Einschätzung vieler Experten wichtigste Region der Zukunft. Der Bush-Regierung schien Asien zuletzt nur noch mit Blick auf ihren Anti-Terrorkrieg als Militärbasis von Interesse zu sein. Und in Strategiepapieren wurde vor allem die Angst vor einem aufgerüsteten China geschürt. Doch in Asien lebt nicht nur die Hälfte der Menschheit, die Region weist auch das weltweit höchste Wirtschaftswachstum aus. Lag dort der Anteil des innerasiatischen Transfers am gesamten Handelsvolumen 1980 noch bei 37 Prozent, so erreicht er inzwischen fast 60 Prozent.

Zudem halten Japan und China zusammen etwa 45 Prozent der US-amerikanischen Auslandsschulden, allein über 1,5 Billionen US-Dollar in Staatsanleihen. Das Schicksal des Dollars und des Haushalts der Supermacht liegt gleichsam in ihren Händen. Es bestehe kaum Zweifel, dass sich die Voraussage von »Goldman Sachs« bewahrheiten wird, meint Kishore Mahbubani, Dekan der Lee-Kuan-Yew-Schule an der Universität von Singapur: Von den vier größten Volkswirtschaften im Jahr 2050 werden neben den USA drei asiatisch sein - China, Indien und Japan. An diese »neue Weltordnung« müsse sich Washington anpassen, so der Autor der Studie »Die Rückkehr Asiens. Das Ende der westlichen Dominanz«.

Obamas Berater scheinen sie aufmerksam gelesen zu haben. »Amerika ist zurück!», rief Außenministerin Hillary Clinton aus, als sie Mitte Juli in Bangkok den Vertrag für Freundschaft und Zusammenarbeit mit dem südostasiatischen Staatenbund ASEAN unterzeichnete. Und es trifft auf eine veränderte Region. Ungeachtet ihrer Vielfalt und ökonomischen Differenziertheit sucht sie Zusammenhalt - was sich auch bei der Bewältigung der Finanzkrise in einem eigenen Rettungsfonds von 120 Milliarden Dollar zeigt. Die japanische Zentralbank hatte bereits nach der Krise vor elf Jahren vorgeschlagen, einen Asiatischen Währungsfonds zu schaffen, um sich besser gegen einen Dollar-Einbruch abzuschirmen. Die USA sabotierten damals den Plan.

Auch der ASEAN-Integration öffnen sich neue Perspektiven. Bereits im Januar werden die zehn Mitgliedstaaten die meisten Zölle abschaffen. Bis 2015 wollen sie eine gemeinsame Freihandelszone und eine Sicherheits-, Wirtschafts- und soziokulturelle Gemeinschaft bilden. Sie sehen sich als Kern einer künftigen EU-ähnlichen Struktur in Ostasien. China unterhält mit dem Bündnis bereits ein Freihandelsabkommen. Kein Wunder, dass man in Washington aufschreckte. Für die »Financial Times« ist Obamas Tour Teil des »Kampfes um Einfluss« zwischen den USA, China und Japan. Das Weiße Haus müsse handeln, »bevor die Idee einer regionalen Gemeinschaft ohne die Vereinigten Staaten in Asien Wirklichkeit wird«. Das ist nicht einfach, wie Obama schon auf seiner ersten Station spüren dürfte.

Bereits im Februar hatte man Tokio vertraglich zugesagt, den Truppenstützpunkt auf Okinawa nahe der Stadt Ginowan an die Küste zu verlagern und zu verkleinern. Rund 1600 Kilometer südlich der Hauptstadt sind über die Hälfte der insgesamt 47 000 US-Soldaten in Japan stationiert. Washington will bis 2014 etwa 8000 von der Insel abziehen und auf die Pazifikinsel Guam verlegen, was sich Tokio 2,8 Milliarden Dollar und zusätzlich bis zu 3,29 Milliarden Dollar in Form von Krediten und Investitionen kosten lassen wollte. Mit dieser Vereinbarung gab die damalige japanische Regierung dem Druck der eigenen Bevölkerung nach, die sich immer wieder massiv über die Belastungen durch die US-Truppen und Vergehen einzelner Soldaten beklagte.

Der neue Premierminister Yukio Hatoyama will die Beziehungen grundsätzlich neu ausrichten. Sie müssten »gleichberechtigter« werden, sagte er jetzt vor dem Parlament in Tokio. Im Wahlkampf hatte seine Demokratische Partei »mehr Distanz« versprochen. Der 1951 unterzeichnete Vertrag über gegenseitige Kooperation und Sicherheit ist ein Pakt aus den Zeiten des Kalten Krieges. Mit ihm bot Washington im Gegenzug zu Tokios bedingungsloser außenpolitischer Unterstützung militärischen Schutz. Nicht nur die Sozialdemokratische Partei, die zur Regierungskoalition gehört, fordert nun die Schließung des Stützpunktes auf Okinawa. Hatoyama will die Vereinbarung über die Marinebasis Futenma mit dem Ziel einer Verlegung ins Ausland neu verhandeln. Zugleich soll das Mandat für die schwimmende »Tankstelle«, die Japans Marine im Indischen Ozean für die NATO-Truppen in Afghanistan eingerichtet hat, im Januar nicht erneuert werden. Zehntausende haben am Wochenende gegen Militärstützpunkte im Lande demonstriert. Einen Tag vor den Massenprotesten war ein 66-jähriger Japaner auf Okinawa überfahren worden. Hatoyama hat nachdrücklich die Auslieferung jenes Soldaten gefordert, der für den Unfalltod verantwortlich sein soll.

Trotz allem äußerte sich Barack Obama zuversichtlich über die Zukunft der Militärkooperation. Es sei »normal«, dass die neue Regierung die Vereinbarungen überprüfe, sagte er dem japanischen Fernsehsender NHK. Er wolle auch unbedingt als erster amtierender US-Präsident die 1945 von amerikanischen Atombomben zerstörten japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki besuchen - aber nicht dieses Mal, da sei der Terminkalender einfach zu voll.

Hintergrund

Zu den Stationen der Asientour von Barack Obama gehört am Wochenende auch der Gipfel der APEC (Asia-Pacific Economic Cooperation) in Singapur. Die Asiatisch-Pazifische Wirtschaftsgemeinschaft ist eine internationale Organisation mit dem Ziel, das ökonomische Wachstum in der Region zu stärken, vor allem durch Abbau von Handelsbarrieren und grenzüberschreitende Wirtschaftskooperation. Sie wurde 1989 auf Initiative Japans und Australiens in Canberra gegründet. Gehörten ihr damals zwölf Länder an, zählt sie heute 21 Staaten: Australien, Brunei, Chile, VR China, Indonesien, Japan, Hongkong, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Papua-Neuguinea, Peru, Philippinen, Russische Föderation, Singapur, Südkorea, Taiwan, Thailand, USA und Vietnam. Diese Member Economies (Mitgliedsökonomien) stellen 41 Prozent der Weltbevölkerung und erwirtschaften mit 20 Billionen US-Dollar über die Hälfte des weltweiten Bruttoinlandsprodukts und mehr als 40 Prozent des Welthandels.

Gab es am Anfang vor allem informelle Gespräche, folgten mit zunehmender Zusammenarbeit Gipfelkonferenzen als Diskussions- und Entscheidungsforum. Sie finden inzwischen jährlich statt. 1994 einigten sich die APEC-Länder auf die Schaffung einer Freihandelszone (»Bogor Goals«). Längst werden auch Themen wie Zukunftstechnologien, Bildung, Frauen, Jugend oder die Bekämpfung des internationalen Terrorismus debattiert. 2007 in Sydney stand erstmals Klimaschutz auf der Agenda. Doch blieb die APEC ein Koordinierungs- und Dialog-Forum - zwar mit Konsenspflicht bei den Vereinbarungen, aber ohne vertragliche Verpflichtungen. Das APEC-Sekretariat in Singapur mit einem Jahresbudget von kaum vier Millionen US-Dollar hat nur organisatorische Aufgaben. Auch die völlige Liberalisierung von Handel und Investitionen liegt so allein in der Zuständigkeit des jeweiligen Mitgliedstaats. Sta



* Aus: Neues Deutschland, 12. November 2009


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