Berlin: Wieder ein Totalverweigerer vor Gericht - und eine Verurteilung
"Warum ich meine Verwendung für den Zivildienst verweigere."
Wir bitten um Beachtung folgender Mitteilungen.
Nach knapp 1,5 Jahren Wartezeit, werde ich (Sascha) mich nun am
30.01.2001, wegen Dienstflucht vor Gerichtverantworten
müssen.
Das Konzept der Gesamtverteidigung der BRD ruht auf 2 wesentlichen
Stützpfeilern: Auf der einen Seite die militärische Verteidigung
(Bundeswehr/Soldaten), auf der anderen Seite die Zivilverteidigung (in
welcher
Zivildienstleistende eingeplant sind). In der Kriegs- oder sogenannten
Verteidigungsplanung
der BRD spielen Zivildienstleistende eine sehr wesentliche Rolle.
Mobilmachungsergänzungen von Personal und Material, Truppenversorgung mit
Material,
Hilfe bei der Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktionen sind
einige, der hier nur kurz angeschnittenen Aufgaben, für welche
Zivildienstleistende im Kriegs- oder Verteidigungsfall eingeplant sind.
Wenn Soldaten in den Krieg ziehen, sollen es Zivildienstleistende sein,
die Truppen mit Rohstoffen versorgen, oder für die Aufrechterhaltung des
Landesfriedens Sorge tragen sollen.
Zwar werde ich nach heutiger Rechtslage als Zivildienstleistender nicht
gezwungen sein, im Kriegsfall direkt jemanden zu erschießen, aber
Zivildienstleistende stützen und fördern durch Ihren Dienst, das der Arm
der
militärischen Verteidigung genau dazu befähigt wird. Befähigt zum
gezielten Töten von
Menschen und der Vernichtung von Werken gemeinsamer Arbeit. Und ob ich nun
jemanden beim Töten unterstütze oder ob ich selber töte ist für mich ein
und
der selbe Tatbestand.
Zivildienst ist keine Alternative zum Dienst bei der Bundeswehr, sondern
stellt somit eine für jede Kriegsführung notwendige Ergänzung da.
Zivildienst
ist genau wie die Bundeswehr ein Dienst der auf einer Befehls und
Gehorsamsebene aufbaut, und Menschen das Recht auf Selbstbestimmung und
freie
Entscheidung nimmt und somit einem kritischen Bewußtsein entgegenarbeitet.
Auch im
Zivildienst werden Menschen Teil einer Maschinerie, in der sie nicht mehr
eigene Entscheidung treffen sollen, sondern nur noch nach den Interessen
der
Befehlserteilenden zu funktionieren haben. Mein Gewissen gehört mir und
nicht
dem Staat und eine höhere Pflicht als eigenverantwortlich zu handeln, gibt
es nicht.
Wehrpflicht ist keine Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben von
Menschen. Ich halte es für wichtig, die Allgemeine Wehrpflicht, welche
eine
ständige Vorbereitung für den Krieg darstellt, nicht mit dem Attest oder
Krankenschein zu umgehen, sondern sich offen gegen sie zu stellen, um
Öffentlichkeit gegen diese gesellschaftliche Militarisierung zu schaffen
und Kriege
im Vorfeld zu verhindern. Ich glaube, daß eine ehrliche
Auseinandersetzung,
das deutlich gesprochene NEIN zu Unrecht, Grundvoraussetzung dafür ist,
wenn
Mensch das politische Klima in diesem Land verändern will. In diesem Sinne
ist Totale Kriegsdienstverweigerung (TKDV) für mich auch ein Kampf, für
eine bessere menschliche Welt.
Das Menschen aus Profitinteressen dazu gebracht werden, sich gegenseitig
umzubringen, ist eine Tatsache, die es zu bekämpfen gilt.
Verschickt diese Mail weiter !!! Diskutiert!!! Handelt!!!
Unterstützt den Prozeß!! - Für ein selbstbestimmtes freies Leben!!
Krieg dem Krieg
Kommt zum Gerichtstermin am 30.01.2001 um 9.00 Uhr in Raum 131 1/B in der
Wilsnacker Str.4 in Berlin
Treffpunkt für gemeinsame Demo zum Gericht, gleicher Tag,
pünktlich: 8.15 Uhr, S- Bellevue
Bringt Transpis mit!!
Oben stehender Text wurde uns zugesandt von:
Ohne Uns - Rundbrief zur Totalen Kriegsdienstverweigerung
c/o Jörg Eichler, Ludwigstraße 6, 01 097 Dresden
email: je519121@rcs.urz.tu-dresden.de
http: www.ohne-uns.de
Totalverweigerer verurteilt
Die DFG-VK teilte inzwischen in einer Presseerklärung mit, dass ein anderer Totalverweigerer vom selben Amtsgericht, vor dem der oben genannte Fall verhandelt wird, verurteilt wurde.
PRESSEERKLÄRUNG 01/2001, 24. Januar 2001
Verantwortlich: Frank Brendle
40 Stunden Arbeit für Totalverweigerer
Kein Freispruch, weil der Angeklagte kein Zeuge Jehovas ist
Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten hat heute den 22jährigen Totalen
Kriegsdienstverweigerer Dirk Schwieger zu einer Jugendstrafe von 40 Stunden
gemeinnütziger Arbeit verurteilt.
Der Student hatte im November 1998 den Zivildienst in einem Hamburger
Krankenhaus angetreten, nach fünf Monaten jedoch abgebrochen.
Ausschlaggebend dafür war, wie er vor Gericht aussagte, die militärische
Verplanung des Zivildienstes. "Meine Loyalität gilt allein der Erhaltung des
menschlichen Lebens", erklärte Schwieger. Die Einbettung des Zivildienstes
in die Gesamtverteidigung und seine Pflicht, im Kriegsfall
Versorgungs-tätigkeiten für die Bundeswehr zu leisten, habe bei ihm zu einem
Gewissenskonflikt geführt, den er nur durch die Beendigung des Zivildienstes
habe lösen können.
Rechtsanwältin Gabriele Heinecke hatte einen Freispruch gefordert, da es
sich um eine Gewissensentscheidung gehandelt habe, die vom Grundgesetz
geschützt sei.
Amtsrichter Jentsch versuchte jedoch, das Gewissen des Angeklagten
auszuleuchten. Zwar anerkannte er den Gewissenskonflikt, sprach ihm aber
nicht die für einen Frei-spruch nötige Intensität zu - ganz so, als könne
irgendjemand bewerten, wie tief ein Anderer von einer Gewissensentscheidung
bewegt ist. Der Richter erklärte mehrfach, Schwieger sei zwar "nicht
rechtsfeindlich", habe aber auch nicht eine solche Gewissens-not, wie sie in
ähnlichen Fällen bei Zeugen Jehovas gegeben sei. Wie er das heraus-gefunden
hat, darüber sagte er nichts. Außerdem, so der Richter, hätte Dirk Schwieger
ein so genanntes freies Arbeitsverhältnis nach § 15a Zivildienstgesetz
eingehen können.
Mit dem Urteil zu 40 Stunden gemeinnütziger Arbeit blieb Richter Jentsch
deutlich unter dem Strafantrag des Staatsanwaltes, der vier Wochen
Dauerarrest gefordert hatte.
Die DFG-VK bedauert es, dass das Amtsgericht Berlin-Tiergarten nicht den Mut
hatte, eine persönliche Gewissensentscheidung über das Wehrpflichtgesetz zu
stellen. Der Frage nach der Verfassungswidrigkeit der Wehrpflicht aufgrund der
fehlenden Wehrgerechtigkeit ist das Gericht ausgewichen: Der Richter verwies
darauf, dass hier "Konsequenzen im gesetzgeberischen Bereich" gefordert
seien. Wir drücken es deutlicher aus: Die Wehrpflicht gehört abgeschafft!
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