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Abstimmung durch freie Entscheidung: 90.000 für Zivildienst - 70.000 für Kriegsdienst

Die Evangelische Arbeit für Kriegsdienstverweigerer wird 50 Jahre alt. Pressemitteilung der EAK

Die Arbeit der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer (EAK) ist wenig spektakulär, aber sehr wirkungsvoll, wie die jährlichen Zahlen über die Kriegsdienstverweigerung zeigen. Am 19. September 2006 begeht die EAK ihren 50. Geburtstag (unsere Gratulation!) mit einem Studientag in Münster. Darüber informiert die folgende Pressemitteilung. Landesbischöfin Dr. Margot Käßmann hat ein Grußwort beigesteuert, das wir auszugsweise ebenfalls gern dokumentieren.



Herausgegeben von der Pressestelle der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)

Pressemitteilung 178/2006

50 Jahre evangelische Arbeit für Kriegsdienstverweigerer

Arbeitskreis lädt zu Jubiläumsveranstaltung in Münster

Seit 50 Jahren berät die Evangelische Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer (EAK) junge Menschen, die vor der Entscheidung stehen, Militärdienst zu leisten oder den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern. Zu diesem Anlass lädt die Mitgliederversammlung der EAK am Dienstag, den 19. September, zu einem Studientag in Münster ein. Auf dem Programm stehen Beiträge und Gesprächsrunden, unter anderem mit dem Beauftragten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Kriegsdienstverweigerung und Zivildienst, Landessuperintendent i.R., Gerrit Noltensmeier.

Den inhaltlichen Schwerpunkt der Veranstaltung bildet ein Vortrag von Propst i.R. Heino Falcke zum Thema „Friedensethische und friedenspolitische Implikationen der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen“. Der Bundesbeauftragte für den Zivildienst, Dieter Hackler, äußert sich im Gespräch mit Seelsorgern zur Frage „Sozialer Friedensdienst als Leitmotiv?!“

Seit 1956 besteht die EAK als eine Arbeitsgemeinschaft in der EKD. In der EAK sind auf Bundesebene zusammengeschlossen: Die landeskirchlichen und freikirchlichen Beauftragten für Kriegsdienstverweigerer und Zivildienstleistende, die Vertreter regionaler Arbeitsgemeinschaften zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer und die Vertreter kirchlicher Werke und Verbände, die sich mit dem kirchlichen Dienst an Kriegsdienstverweigerern befassen. Schon 1950 erklärte die Synode der EKD: „Wir begrüßen es dankbar und voller Hoffnung, dass Regierungen durch ihre Verfassung denjenigen schützen, der um seines Gewissens willen den Kriegsdienst verweigert. Wer um des Gewissens willen den Kriegsdienst verweigert, soll der Fürsprache und der Fürbitte der Kirche gewiss sein.“

Die EAK ist ein kirchlicher Dienst für Kriegsdienstverweigerer und Zivildienstleistende und diejenigen, die vor der Entscheidung stehen, Militärdienst zu leisten oder den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern und hilft jedem Kriegsdienstverweigerer (ob mit oder ohne Konfession), sein Grundrecht nach Art. 4 Absatz 3 des Grundgesetzes wahrzunehmen. Dies geschieht über das Angebot der persönlichen Beratung, die Herausgabe der Zeitschrift „zivil – für Frieden und Gewaltfreiheit“ und die kirchlichen Rüstzeiten/Werkwochen.

Die Zahl der gemusterten jungen Männer pro Jahrgang liegt nach Angaben der EAK nach wie vor bei ca. 370.000 im Bundesgebiet. Ca. 140.000 Anträge auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer werden pro Jahr gestellt. Die Zahlen derjenigen, die zu einer Dienstableistung in der Bundeswehr oder im Zivildienst herangezogen werden, liegen in den Jahren 2005 und 2006 bei 90.000 im Zivildienst, bei knapp 70.000 in der Bundeswehr pro Jahr und bei 9-monatiger Dienstdauer. Etwa 11.000 junge Männer leisten Alternativdienste bei Zivil- und Katastrophenschutz oder bei der Feuerwehr, ca. 1.500 Wehrpflichtige werden wegen Diensten bei Polizei oder Bundesgrenzschutz nicht herangezogen.

Andere Dienste im Ausland oder im Inland (Freiwilligendienst von längerer Dauer) leisten im Jahresdurchschnitt zur Zeit rund 3.500 junge Männer. Nach der Erfahrung vieler Träger von Freiwilligendiensten sei die Nachfrage nach freiwilligen Alternativdienstplätzen regelmäßig höher als das bisherige Angebot.

Hannover, 14. September 2006
Pressestelle der EKD
Silke Fauzi


"Die Evangelische Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer, in der sich die Vertreter der EJD, der Konferenz der Studentenpfarrer, der Evangelischen Frauenarbeit, der Beratungsstellen der Landeskirchen, der Freikirchen und der Inneren Mission zusammenschließen, um Fragen der Kriegsdienstverweigerung zu beraten und abzustimmen, hat bereits 1956 gearbeitet. Die Wurzeln dieser Einrichtung reichen zurück bis zur EKD-Synode von Berlin-Weißensee, die unter dem Motto »Was kann die Kirche für den Frieden tun?« steht und zum DEKT in Essen im selben Jahr. (…) Unmittelbarer Anlass für die konkreten Überlegungen zur Einrichtung einer Arbeitsgemeinschaft ist der »Ratschlag der EKD zur gesetzlichen Regelung des Schutzes der Kriegsdienstverweigerer vom 15.12.1955«. Aus den darauf folgenden Überlegungen aufbauend trifft sich 1956 im Frühjahr ein »Ausschuss für Kriegsdienstverweigerungsfragen«(…). Spätestens seit 1957 führt die EAK bereits Rüstzeiten für Kriegsdienstverweigerer durch, die die Jugendarbeit tangieren."
Quelle: Ingo Holzapfel, Bindung und Freiheit – Die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend von 1949–1969, Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2001, 301f.



"Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein"

Grußwort von Landesbischöfin Dr. Margot Käßmann, Hannover (Auszug)

(...) "Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein", ist eine der Kernaussagen der ersten Vollversammlung des ökumenischen Rates der Kirchen 1948. Daran knüpfte die Evangelische Kirche an, als sie in der Synode von Weißensee 1950 für sich festlegte: ,,Wir begrüßen es dankbar und voller Hoffnung, dass Regierungen durch ihre Verfassung denjenigen schützen, der um seines Gewissens willen den Kriegsdienst verweigert. Wir bitten alle Regierungen der Welt, diesen Schutz zu gewähren. Wer um des Gewissens Willen den Kriegsdienst verweigert, soll der Fürsprache und der Fürbitte der Kirche gewiss sein." Das ist sozusagen der Gründungsaufruf für lhre Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer.

50 Jahre Begleitung von Kriegsdienstverweigerern, das sind viele Tausend Gespräche mit jungen Christen und selbstuerständlich auch mit Atheisten und Angehörigen anderer Religionen, die sich über ihre Gewissensentscheidung für oder gegen den Waffendienst klar werden wollen, das sind viele Tausend Begleitungen in die mündlichen Anhörungen, die es bis 2003 für Kriegsdienstvenreigerer gab, das sind viele Tausend Gespräch über die schriftliche Darlegung der Gewissensentscheidung, die für Kriegsdienstverweigerer immer noch nötig ist, wenn sie sich ein Grundrecht berufen. Dass ein Grundrecht erst nach staatlicher Überprüfung verliehen oder in einigen Fällen auch versagt wird, bleibt ein Skandal in unserer Gesellschaft.

45 Jahre Begleitung der Kriegsdienstverweigerer in ihrem Dienst - der Ersatz- und spätere Zivildienst wurde 1961 eingeführt -, das sind viele Tausend Gespräche in den Einrichtungen, in denen die Zivis arbeiten, das ist Begleitung in schwierigen Lebenssituationen und das sind einige Tausend Rüstzeiten, an denen viele zehntausend Zivildienstleistende teilgenommen haben. (...)

Auch wenn es Zivildienstleistende möglicherweise mit dem wünschenswerten Wegfall der Wehrpflicht bald nicht mehr geben wird, freiwillige Friedensdienste im In- und Ausland wird es weiterhin geben. Kriegsdienstverweigerer wird es ebenfalls immer geben - unabhängig davon, wie die Bundeswehr organisiert ist. Deshalb wünsche ich der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer auch in der Zukunft viel Kraft für ihre Arbeit, weiter den Mut, deutlich für die Kriegsdienstverweigerer einzutreten, die Entschlossenheit, diese Arbeit auch innerhalb der EKD in Zukunft abzusichern und uns allen die Zuversicht, dass sich die Kriegsdiensverweigerung als das deutlichere Zeichen für den gewaltfreien Frieden durchsetzen wird. (...)

Hannover, 28. August 2006
M. Käßmann



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