Beim Stelldichein der Rüstungsindustrie gibt es auch ökologische Panzerkanonen
Ein Bericht über die weltgrößte Waffenmessen "Eurosatory" in Paris
In der Schweizer Wochenzeitung "WoZ" erschien am 11. Juli ein Artikel über die weltgrößte Rüstungsmesse in Paris, den wir unseren Besuchern nicht vorenthalten wollen. Hier werden die Waffen gezeigt, die bald auf den Schlachtfeldern der Welt zum Einsatz kommen. Dass neben der Schweiz, die natürlich die WoZ in besonderer Weise interessiert, auch die Bundesrepublik und Israel mit ihren Produkten nach Käufern und Märkten Ausschau halten, liegt auf der Hand.
Das Stelldichein der Rüstungsindustrie
Ökologische Panzerkanonen
Von Tobias Gasser, Paris
...
Alle zwei Jahre trifft sich die verschworene
Gemeinschaft der
Waffenproduzenten, -händler und -käufer in Paris an
der Rüstungsmesse
Eurosatory. Über 40.000 geladene Gäste – es kommt
nicht jeder rein –,
130 offizielle Delegationen mit 500
Entscheidungsträgern aus über 100
Staaten flanieren zwischen den Ständen und Vitrinen
der 800 Aussteller.
Gleich am Eingang weist ein Schweizer Kreuz zum
Swiss Pavillon, in dem
sich 23 Schweizer Rüstungsfirmen zusammen
präsentieren. Ein
behäbiges Alpenmassiv ziert den Pavillon. Alfred
Markwalder, Chef der
Gruppe Rüstung der Schweizer Armee, lädt im
Hochglanzprospekt des
Swiss Pavillon ein, "die Innovation, kooperativen
Fertigkeiten und das
Leistungsregister der Schweizer Rüstungsindustrie zu
testen. Die
Schweizer Missionen im Ausland wie auch die Gruppe
Rüstung freuen
sich, Ihnen behilflich zu sein, um die gewünschten
Kontakte zu
etablieren."
Von dieser Exportförderung profitiert auch der
Rüstungskonzern Ruag, der
die politisch umstrittene
9-Millimeter-Deformationsmunition SeCa (Security
Cartridge) ausstellt. Der Bundesrat hat im September
2001 empfohlen,
diese "Mannstoppmunition" von der Wunschliste der
Polizeikommandanten zu streichen. Die Schweiz könne
sich nicht fürs
humanitäre Völkerrecht einsetzen und gleichzeitig
die
Deformationsgeschosse im ordentlichen Polizeidienst
zulassen, hiess es
damals. Das hielt die Vertreterin der Ruag aber
nicht davon ab, einem
deutschen Besucher zu erklären, dass diese
«bleifreie» Munition "Leiden
verkürzt". Die gleiche Munition werde ja auch bei
der Jagd eingesetzt.
Neben Handgranaten, der Überwachungsdrohne Ranger
und einer
"ökologischen" Trainings-Panzerkanone war auch die
120-Millimeter-Kanistermunition zu bewundern. "Wie
ein Hagelsturm"
wirke diese Streumunition gegen "weiche und harte
Ziele", verspricht die
staatlich-eidgenössische Waffenschmiede. 32
panzerbrechende
Tochtergeschosse verstreuen 30.000 messerscharfe
Splitter auf einer
Zielfläche von 6.000 Quadratmetern. Es handle sich
hier um "die einzige
Granate, welche ein praktisch blindgängerfreies Feld
anbietet für ihre
anrückenden Truppen", wirbt die Ruag. Dieselbe
Munition ist allerdings
unter anderem Namen auch bei anderen Anbietern zu
haben.
Die deutsche Rheinmetall und die Israel Military
Industries IMI haben diese
"deutsch-schweizerisch-israelische" Munition Anfang
der achtziger Jahre
– nach einem US-amerikanischen Boykott von
Streumunitionslieferungen
an Israel – entwickelt. Die Ruag stiess später dazu.
Die Preise gleicher
Produkte sind schwierig zu vergleichen. "Was wollen
Sie bezahlen? Ich
mache Ihnen jeden Preis", sagt der
Marketingverantwortliche bei IMI und
verweist auf seine langjährige Erfahrung. Achtzig
Millionen
Tochtergeschosse hätten sie in den letzten zwanzig
Jahren hergestellt.
Dass gegen die israelischen Dumpingpreise nichts zu
machen ist, musste
die Rheinmetall erfahren. Sie hat kürzlich einen
Deal mit Britannien an die
IMI verloren und musste eine Produktionsstrasse
schliessen. Am Stand
der Rheinmetall will man sich nicht darüber
beklagen: Kooperieren statt
konkurrenzieren heisst die Losung. Rheinmetall
bezieht die Munition nun
selber bei IMI.
Trotz europäischen Boykottdrohungen sind die
Auftragsbücher der
israelischen Rüstungsindustrie voll. 2002 soll ein
Rekordjahr werden: Neue
Aufträge im Wert von 2,6 Milliarden US-Dollar seien
bis Ende Jahr zu
erwarten, vermeldet die Fachzeitung "DefenceNews".
An der Eurosatory
wird dem noch mit einer aufregenden Multimedia-Show
nachgeholfen. Eine
Prise Kampf dem Terror, finstere Typen mit dem
Konterfei Usama Bin
Ladens, "State of the art"-Produkte ("battle
proven") und viel Bass aus
den Lautsprecherboxen lassen das Herz in Uniform
höher schlagen.
"Ein Zaun muss her", verlangen momentan die
Politiker in Israel, und die
Rüstungskonzerne sind zur Stelle. Ein "System der
Systeme" werde es,
mit einer Vielzahl von Sensoren, Detektoren, Drohnen
und neuen
Überwachungszeppelinen, verheissen die Prospekte.
Die ersten 300 Millionen Schekel (rund 95 Millionen
Franken) seien dafür
bereits gesprochen, meint der Generaldirektor des
israelischen
Verteidigungsministeriums, Amos Jaron, zu
"DefenceNews". Das ganze
Projekt werde "Milliarden Schekel" kosten. Da kommt
die alljährliche
US-Militärhilfe sicherlich gelegen: Dieses Jahr
sollen es 2,04 Milliarden
US-Dollar sein. Das passende Motto des
Israel-Pavillons an der
Eurosatory: "Verbünde dich mit Verbündeten."
Aus: WoZ, 11. Juli 2002
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