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Obamas "Sensenmann" über Afrika

USA bauen geheime Stützpunkte für Kampfdrohnen gegen Ziele in Jemen und Somalia

Von Olaf Standke *

Die Obama-Regierung hat am Horn von Afrika geheime Basen für Drohnen-Einsätze errichten lassen. Das berichtete die »Washington Post« in ihrer gestrigen Ausgabe (21. Sept.). Die Stützpunkte seien Teil einer aggressiven Strategie, um mit Al Qaida verbundene Terrorgruppen in Somalia und Jemen anzugreifen.

Vor einigen Tagen noch hatte ein US-Bundesgericht den Antrag der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union auf Aufklärung über das Drohnenprogramm des Auslandsgeheimdienstes CIA abgelehnt. Die Mittwochausgabe der »Washington Post« gewährte jetzt Einblicke in das Vorgehen am Horn von Afrika, wo gleich mehrere Drohnen-Stützpunkte entstehen, um Angriffe auf vermeintliche Verstecke von Al Qaida und anderen Terrorgruppen in Somalia und in Jemen fliegen zu können. Eine dieser Anlagen werde in Äthiopien errichtet, das ein enger Verbündeter im Kampf gegen die radikalislamische Shebab-Miliz in Somalia sei, so die Zeitung, eine weitere auf den Seychellen im Indischen Ozean, wo bereits seit 2009 mehrere Drohnen und 100 US-amerikanische Soldaten stationiert sind – nur wenige hundert Meter vom Passagierterminal des hauptstädtischen Flugplatzes von Victoria entfernt.

Offiziell sind diese unbemannten Flugkörper für den Kampf gegen Piraten in den regionalen Gewässern gedacht, doch führte ihr Kurs gern einmal 800 Kilometer nordwestlich Richtung Somalia. Laut vertraulichen diplomatischen Depeschen, die dank der Enthüllungsplattform Wikileaks öffentlich wurden, soll jetzt eine Flotte neuer Killer-Drohnen eine »Testmission« für künftige Angriffe in dem ostafrikanischen Land abgeschlossen haben. Zudem plane die CIA eine geheime Landebahn auf der Arabischen Halbinsel, um auch von dort aus bewaffnete Drohnen nach Jemen aufsteigen zu lassen. Schon heute fliegen Kampfdrohnen wie die »MQ-9 Reaper« des kalifornischen Rüstungskonzerns General Atomics Angriffe von einer Basis in Dschibuti aus. Im Englischen heißt der sprichwörtliche Sensenmann »Grim Reaper«.

Die »Washington Post« spricht angesichts dieser Entwicklung von der »raschen Ausweitung eines unerklärten Drohnen-Krieges«. Vor einem Jahr war bekannt geworden, dass Präsident Barack Obama sogenannte Schattenkriege gegen Terroristen in Asien und Afrika massiv verstärken lässt. Was den Auslandsgeheimdienst CIA zunehmend in eine paramilitärische Organisation verwandelt. Praktisch jeder der »neuen, aggressiven Schritte« der Regierung finde im Verborgenen statt, so die »New York Times«. Mittlerweile setzen die USA in der Grenzregion zwischen Pakistan und Afghanistan, die als Rückzugsgebiet für Kämpfer der Taliban und des Terrornetzwerkes Al Qaida gilt, regelmäßig unbemannte Kampfflugzeuge ein. Verfügten die US-Streitkräfte 2001 nur über 54 dieser bewaffneten Flugkörper, sind es heute schon über 4000. Wie die »Washington Post« gestern schrieb, habe es bisher in mindestens sechs Ländern tödliche Drohnen-Angriffe gegeben: Afghanistan, Irak, Libyen, Pakistan, Somalia und Jemen.

Und bis 2020 sollen sage und schreibe rund 37 Milliarden Dollar für weitere 730 mittlere und große Drohnen ausgegeben werden. Statt auf den »Hammer« setze man nun auf das »Skalpell«, wie es Obamas Spitzenberater im Anti-Terrorkrieg, John Brennan, formulierte. Doch allein am Hindukusch hat diese vorgeblich zielgenaue »chirurgische« Strategie hunderte Zivilisten das Leben gekostet.

Wie eine Untersuchung des Londoner Büros für Investigativen Journalismus (TBIJ) zeigt, sind seit 2004, dem Beginn der von der CIA im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan koordinierten rund 300 Drohnen-Einsätze, mindestens 2292 Menschen ums Leben gekommen, darunter 385 Zivilisten; 164 von ihnen waren Kinder. Wobei die Angriffe nach der Amtsübernahme von Obama Anfang 2009 massiv ausgeweitet wurden. So habe der Präsident 236 Angriffe mit mindestens 1842 Toten zu verantworten, was etwa einen Luftschlag alle vier Tage bedeute, wie das TBIJ errechnete.

Auch im Afghanistan-Krieg bauen die NATO-Truppen inzwischen mehr und mehr auf die Strategie der »gezielten Tötungen« (Targeted Killings). Eine Praxis, die immer wieder scharfe Kritik findet. Philip Alston, der UN-Sonderberichterstatter für extralegale Hinrichtungen, hat sie als rechtswidrig bewertet und in einer Studie vor allem die USA für ihre Drohnen-Kriegführung verurteilt. Und der Hamburger Völkerrechtler Norman Paech spricht von »völkerrechtswidrigen Exekutionen und Liquidationen«, wenn Drohnen wie in Pakistan Menschen töten, bei denen nicht klar war, ob es sich um Kombattanten handelte. Er befürchtet so noch mehr zivile Opfer sowie eine Beschädigung des Völkerrechts und rechtsstaatlicher Kategorien.

* Aus: Neues Deutschland, 22. September 2011


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