Die Vorbereitung eines Angriffskrieges ist strafbar ...
... das Führen eines Angriffskrieges dagegen ist nicht strafbar. Zur "Logik" des Generalbundesanwalts ein Beitrag zum "Tag des Grundgesetzes"
Im Folgenden dokumentieren wir eine Pressemitteilung der Bonner Friedenskooperative, die sich mit einem unglaublichen Fall befasst: Dass in Deutschland zwar die "Vorbereitung" eines Angriffskrieges strafbar ist, nicht aber das Führen eines Angriffskriegs. Der Vorgang selbst wird illustriert durch den Brief des Generalbundesanwalts, worin dieser eine Anzeige gegen die frühere Bundesregierung wegen deren Beteiligung am Irakkrieg zurückgewiesen hat. Im Anschluss daran eine Aufforderung an Bundestagsabgeordnete, sich um die Umsetzung des Gesetzgebungsauftrags aus Art. 26 GG zu kümmern.
An die Presse, 22. Mai 2006
Initiative zum Tag des Grundgesetzes, 23. Mai:
Führung eines Angriffskrieges soll endlich unter Strafe gestellt werden
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren
Sie kennen vielleicht die skandalöse Antwort des
Generalbundesanwalts zu den erneuten Anzeigen nach
Bekanntwerden der Unterstützung von BND-Agenten für
die US-Armee im Irak-Krieg.
Kern: Das wäre ja Beteiligung an einem Angriffskrieg
gewesen, aber nur die Vorbereitung sei strafbar.
Da ist also der Gesetzgeber gefordert. Deshalb haben Repräsentanten
von Friedensorganisationen in einem Brief an alle
Bundestagsabgeordneten zur Konkretisierung des Friedensgebotes
des Grundgesetz im Strafrecht aufgefordert.
Der Text des Schreibens an die MdBs sowie die Abschrift des
Schreibens des Generalbundesanwalts anbei.
Mit freundlichem Gruß
Martin Singe (Komitee für Grundrechte und Demokratie)
Manfred Stenner (Netzwerk Friedenskooperative)
Dokumentation:
Abschrift des Schreibens des Generalbundesanwalts vom 26.01.06
Der Generalbundesanwalt, Postfach 27 20, 76014 Karlsruhe
3 ARP 8/06-3
OStA'in b. BGH Schübel 81 91-145
Betrifft: Ihre Strafanzeige vom 14. Januar 2006 gegen den früheren Bundeskanzler Schröder und andere wegen des Verdachts der Vorbereitung eines Angriffskrieges
Sehr geehrter Herr Stenner,
die nunmehr über die Medien verbreiteten Informationen begründen -
unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt - keinen Anfangsverdacht wegen
eines Verbrechens der Vorbereitung eines Angriffskrieges. Der
Vorwurf geht dahin, der Bundesnachrichtendienst habe den USA während
des Irakkrieges mit Wissen der Bundesregierung Informationen für die
Erfassung militärischer Ziele geliefert. Dieser Sachverhalt wird von
dem Straftatbestand der Vorbereitung eines Angriffskrieges nicht
erfasst.
§ 80 Abs. 1 StGB lautet wie folgt:
"Wer einen Angriffskrieg (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes), an
dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet
und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik
Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder
Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft".
Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist nur die
Vorbereitung an einem Angriffskrieg und nicht der Angriffskrieg
selbst strafbar, so dass auch die Beteiligung an einem von anderen
vorbereiteten Angriffskrieg nicht strafbar ist (Tröndle/Fischer StGB
53. Aufl. § 80 Rn 13).
Ein Analogieschluss dahingehend, dass dann, wenn schon die
Vorbereitung eines Angriffskrieges strafbar ist, dies erst recht fr
dessen Durchführung gelten msse, ist im Strafrecht unzulässig
(BVerfGE 26, 41, 42; 47,109,121 ff.). Auch kann Art. 26 Abs. 1 GG,
der über den Anwendungsbereich des § 80 StGB hinausreicht, nicht zur
Auslegung herangezogen werden. Denn Art. 103 Abs. 2 GG verbietet die
Anwendung einer Strafvorschrift über ihren eindeutigen Wortlaut
hinaus.
Folglich scheidet als möglicher Täter aus, wer sich erst bei oder
nach Kriegsausbruch in das kriegerische Unternehmen einschaltet (LK-
Laufhütte StGB 11. Aufl. § 80 Rn 7).
Unabhängig davon setzt der Tatbestand - wenn es um
kriegsvorbereitende Maßnahmen geht - voraus, dass der Täter die
Vorstellung haben muss, die Bundesrepublik Deutschland werde sich
als Krieg führende Macht unter Einsatz ihrer Streitkräfte oder in
vergleichbar massiver Weise an dem Angriffskrieg beteiligen
(Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 80 Rn 7). Davon kann beim Einsatz
von zwei Agenten am Kriegsort nicht die Rede sein, zumal es die
ureigene Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes als deutschem
Auslandsnachrichtendienst ist, Auslandsaufklärung zu betreiben.
Gerade aus Krisengebieten benötigt die Bundesregierung ein möglichst
umfassendes und wirklichkeitsgetreues Lagebild.
Im Auftrag
(Schübel)
Appell aus der Friedensbewegung zum Grundgesetztag:
Den Friedensauftrag aus Artikel 26 Grundgesetz endlich einlösen!
Köln – Bonn – Berlin, 22. Mai 2006
zum Grundgesetztag 23. Mai 2006
An alle Abgeordneten des
Deutschen Bundestages
An den Petitionsausschuss des
Deutschen Bundestages
Sehr geehrte Damen und Herren,
aus Anlass des Grundgesetztages am 23. Mai appellieren wir an alle
Abgeordneten des Deutschen Bundestages – zugleich formell als
Petition an den Deutschen Bundestag -, den Gesetzgebungs-Auftrag
aus Artikel 26 Grundgesetz endlich umzusetzen. Der
Grundgesetzartikel 26 legt im Kontext mit Artikel 24 und 25 sowie
der Präambel des Grundgesetzes die Friedensverpflichtung der
Bundesrepublik Deutschland fest. Artikel 26 Grundgesetz fordert
explizit, alle friedensstörenden Handlungen, insbesondere die
Führung eines Angriffskrieges, unter Strafe zu stellen.
Inzwischen hat sich die Bundesrepublik Deutschland 1999 an einem
völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die damalige
Bundesrepublik Jugoslawien beteiligt. 2003 war die Bundesrepublik
Deutschland an dem auch vom UN-Generalsekretär Kofi Annan als
völkerrechtswidrig gekennzeichneten Angriffskrieg einer alliierten
Koalition u.a. mit Gewährung von kriegsrelevanten +berflugrechten
und kriegsunterstützenden Aktivitäten von BND-Mitarbeitern
beteiligt. Solche Handlungen werden vom Grundgesetz in Artikel 26
als verfassungswidrig gekennzeichnet.
Mitglieder aus der Friedensbewegung, die in diesen Kontexten
Strafanzeigen gegen verantwortliche Mitglieder der jeweiligen
Bundesregierungen gestellt hatten, wurden seitens des
Generalbundesanwaltes dahingehend belehrt, dass der
Strafgesetzbuch-Paragraph 80 zum Verbot der Vorbereitung eines
Angriffskrieges nicht hinreichend sei, um Ermittlungen einleiten zu
können. Zum einen verwies der Generalbundesanwalt darauf, dass §
80 StGB lediglich die Strafbarkeit der Vorbereitung (also nicht der
Führung!) eines Angriffskrieges umfasse (3 ARP 8/06-3). Diese
Interpretation steht in offenem Widerspruch z.B. zu den Ausführungen
des Bundesverwaltungsgerichts zur Gehorsamsverweigerung eines
deutschen Soldaten im Irak-Krieg (BVerwG 2 WD 12.04). Zum
anderen wurde bemerkt, dass Artikel 26 Grundgesetz zwar ein
umfassendes Friedensgebot enthalte, § 80 StGB jedoch keine
dementsprechend umfassenden Sanktionen vorsehe. Man habe sich
1968 im Strafrechtsausschuss nur auf eine Teilumsetzung des Artikels
26 Grundgesetz einigen können. Der Generalbundesanwalt führte aus
(3 ARP 84/03-3): „Bei den Beratungen wurde deutlich, dass die
Durchführung des verfassungsrechtlichen Gesetzgebungsauftrages
erhebliche Schwierigkeiten bereitete und dass deshalb eine
vollständige Umsetzung nicht in Betracht kam (vgl. BT-Drucks.
V/2860)."
Es ist nun – angesichts möglicherweise neuer bevorstehender Kriege -
an der Zeit, endlich den Gesetzgebungsauftrag aus Artikel 26
Grundgesetz zu erfüllen und den Anforderungen in vollem Umfange
nachzukommen. Deshalb richten wir zum Grundgesetztag 2006 diesen
Appell an den Deutschen Bundestag! Alle friedensstörenden
Handlungen müssen als verfassungswidrige Handlungen unter Strafe
gestellt werden. Wir verstehen das Strafrecht in diesem Bereich als
Ausdruck einer dem Frieden in der Welt dienenden verantwortlichen
Politik, die verbindlich, klar und eindeutig Grenzmarkierungen
aufzeigt, um die Friedensstaatlichkeit der Bundesrepublik
Deutschland zu gewährleisten. Statt einer Neudefinition des
Verteidigungsfalles oder der Kriegslegitimation angeblich
völkerrechtsgewohnheitsmä+ig auf dem Vormarsch befindlicher
„präventiver, humanitärer Angriffskriegsberechtigungen" bedarf es
einer Rückbesinnung auf die Friedensstaatlichkeit des Grundgesetzes!
Unterzeichnende:
Karin Albers ((Mitglied der Friedensinitiative Bad Tölz –
Wolfratshausen); Josef Angenfort (Landessprecher der VVN-BdA),
Düsseldorf; Michael Behrendt und Ulrike Gramann (Kampagne gegen
Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär), Berlin; Roland Blach
(Landesgeschäftsführer DFG-VK Baden-Württemberg, Koordinator GAAA
und Trägerkreis Atomwaffen abschaffen), Ludwigsburg; Marion Böker
(Beratung für Menschenrechte und Genderfragen), Berlin; Erika Bosch
(Menschen für den Frieden), Düsseldorf; Gertie Brammer (Netzwerk
Friedenssteuer e.V.), Stuttgart; Kriemhild Brands, Düsseldorf;
Ulrike Breth, Koblenz; Peter Bürger, Theologe und Publizist
(+kumenisches Friedensnetz Düsseldorfer Christen); Irmgard Büsemann
(Frauen in Schwarz Deutschland / Koordination), Hamburg; Vanessa
Daniau, Bielefeld; Angelica Dullinger (Mitglied der
Friedensinitiative Bad Tölz – Wolfratshausen); Barbara Eisenbürger,
Bornheim; Heinrich Fink (Vorsitzender der VVN-BdA), Berlin; Martin
Firgau (Versöhnungsbund), Münster; Brigitte Gärtner-Coulibaly,
Herford; Jan Gildemeister (Aktionsgemeinschaft Dienst für den
Frieden e.V. – AGDF), Bonn; Susanne Grabenhorst (Sprecherin
derKooperation für den Frieden), Mönchengladbach; Irmgard Heilberger
(Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit); Michael Held
(Leiter der Arbeits- und Koordinierungsstelle Praktische Schritte
für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung), Bad
Hersfeld; Dr. Wolfgang Hertle (Archiv Aktiv für gewaltfreie
Bewegungen), Hamburg; Sigrun Hopfensperger (Frauenfriedensnetzwerk),
Osnabrück; Axel Jassoy, Düsseldorf; Matthias Jochheim
(Vorstandsmitglied der Internationalen Ärzte für die Verhütung des
Atomkrieges – Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. – IPPNW),
Frankfurt; Heinz D. Kappei, Berlin; Norbert Kintrup
(Versöhnungsbundmitglied), Münster; Lieselotte Kirstein-Mätzold
(Versöhnungsbund Hannover); Angela Kiss, Düsseldorf; Karl-W. Koch
(Verbandsgemeinderat Hillesheim); Prof. Dr. h.c. Karlheinz Koppe,
Bonn; Carla Krüger, Berlin; Prof. i.R. Dr. Knut Krusewitz (Leiter
der Rhöner Friedenswerkstatt), Künzell; Wolfgang Kuhlmann (für das
Friedensforum Düsseldorf); Irmgard Luecke (Vorstand Frauennetzwerk
für Frieden), Horbach; Dr. Regine Mehl, Bonn; Klaus Metsch (Vorstand
der Leserinitiative Publik e.V.), Leipzig; Jochen Neumann
(Programmleiter der KURVE Wustrow Bildungs- und Begegnungsstätte für
Gewaltfreie Aktion e.V.); Dagmar Paternoga, Bonn; Hanno Paul, Bünde;
Werner Pfennig (Vorsitzender der VVN-BdA), Stuttgart; Rainer Radke,
Münster; Ellen Rohlfs (Gush Shalom, israelischer Friedensblock),
Leer; Clemens Ronnefeldt (Referent für Friedensfragen beim
Internationalen Versöhnungsbund – Deutscher Zweig), Freising;
Katharina Rottmayr (Sprecherin Netzwerk Friedenssteuer Region
Bayern), München; Ulrich Sander (Journalist, Bundes- und
Landessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund
der Antifaschisten), Dortmund ; Ingrid Schittich (1. Vorsitzende AWC
Deutschland e.V. – Deutscher Zweig der Vereinigung der
Weltbürgerinnen und Weltbürger), Owingen-Billafingen; Dr. Ruth
Schlette, Bonn; Julia M. Schmenk (LIP, Publik-Forum), Winnerath; Dr.
Angelika Schneider (Vorstand des Versöhnungsbundes), Lilienthal;
Martin Singe (Pax Christ Gruppe Bonn, Komitee für Grundrechte und
Demokratie); Christel Spenn; Hans-Günther Schramm (Nürnberger
Evangelisches Forum für den Frieden); Mechthild Schreiber, München;
Daniel Steiger (pax christi-Friedensarbeiter), Bad Homburg; Dr.
Harmen Storck (em. Professor), Bergen Dumme; Doris Stra+burger,
Essen; Ilse Staude (Schulpfarrerin), Staufenberg; Manfred Stenner
(Geschäftsführer des Netzwerk Friedenskooperative), Bonn; Elke
Steven (Sekretärin des Komitees für Grundrechte und Demokratie),
Köln; Anja Stiel (Bund für Soziale Verteidigung – BSV), Küsten; Dr.
Dieter Sturhan (Wiss. Direktor i.R.), Münster; Edgar Weick,
Frankfurt; Ulrike Westring (Mitglied Internationales Frauenzentrum
Bonn e.V.); Else Tonke, Berlin
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