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Friedrich will eins für alle

Innenminister fordert generelles Extremisten-Abwehrzentrum *

Bisher gibt es ein Abwehrzentrum zur Bekämpfung von islamistischem Terrorismus und ein Abwehrzentrum von Bund und Ländern gegen Rechtsextremismus, das nach Bekanntwerden der Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) gegründet worden ist. Nun möchte Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ein Abwehrzentrum für alles, das als extremistisch eingestuft wird. Der »Welt« sagte Friedrich, grundsätzlich müsse man in der Lage sein, das Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus »auch auf andere extremistische Bereiche auszuweiten« - sprich: Linksextremismus.

Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion kritisiert: »Es gibt in Deutschland keine ›linksextremistische Bedrohung‹, die wird von konservativen Politikern nur regelmäßig beschworen, um sich eine Legitimation für den voranschreitenden Demokratieabbau zu beschaffen, bis hin zur Beobachtung der Linkspartei.«

Weiter kündigte Friedrich in dem Interview an, Vereine von Salafisten schnell zu verbieten und Sozialleistungen zu überprüfen. »Man sollte über alle Sanktionen nachdenken, die unser Sozialstaat hergibt. Ich halte es grundsätzlich für richtig, wenn staatliche Zuschüsse für solche Extremisten überprüft werden.« Zudem lasse er »eine Verschärfung des Aufenthaltsgesetzes prüfen, um Gewaltprediger leichter abschieben zu können.«

Auch dagegen wendet sich Ulla Jelpke: »Im Übrigen gilt auch für die Bekämpfung von Salafisten: Sie sind zweifellos eine extrem unangenehme Erscheinung, aber Sondergesetze gegen sie darf es nicht geben.« Friedrichs Forderungen seien reiner Populismus, der letztlich die anti-muslimische Hetze von ›Pro Deutschland‹ und NPD legitimiere und damit wiederum Wasser auf die Mühlen der Salafisten sei.

* Aus: neues deutschland, Samstag 9. Juni 2012


Recht auf Gewalt

Von Uwe Kalbe **

Bundesinnenminister Friedrich gibt sich neutral-rechtsstaatlich. Streng, aber gerecht urteilt er über Demonstrationen und Gegendemonstrationen, auch über ihre radikalen Varianten oder gar politisch motivierte Verbrechen. Alle schert er über einen Kamm - Linke wie Rechte und auch sogenannte Islamisten. Das ist System. Wer auf einer Demo laut wird, überschreitet oft schon das erlaubte Maß an Empörungsrecht, zuweilen auch wer nicht laut wird, wie das Vorgehen der Polizei gegen Stuttgart 21-Gegner zeigte. Beim Thema Gewalt wird die biedere, aber letztlich stockkonservative Staatsmacht gern spitzfindig.

Über 100 Todesopfer von neonazistischen Gewalttätern, eine Mordserie mit staatlicher Eskortierung, wenn nicht Beihilfe, ist für Friedrich offenbar nicht verwerflicher als zuweilen überbordender linker Protest auf 1.Mai-Kundgebungen. Kein Unbeteiligter aber musste von dieser Seite je um seine Unversehrtheit fürchten, weil er etwa als Ausländer oder sonst Andersartiger zu erkennen war. Und doch dauerte es kein halbes Jahr, dass das »Abwehrzentrum« gegen Rechtsextremismus, das nach den NSU-Morden gebildet wurde, nun bereits wieder um die »linke Gefahr« ergänzt werden soll. Auch die Vorschläge zum Umgang mit Salafisten, in denen christlich fundamentales Misstrauen ebenso steckt wie berechtigte Sorge vor mittelalterlichem Rechtsverständnis, zeigen, dass Friedrich Partei ist, nicht unbeteiligter Wächter. Sozialhilfe als Erziehungsmaßnahme zu dosieren, ist ein Verstoß gegen das Grundgesetz. Friedrich übt Gewalt, willkürlich und nach weltanschaulicher Maßgabe.

** Aus: neues deutschland, Samstag 9. Juni 2012 (Kommentar)


ANHANG: Zwei Pressemitteilungen von Ulla Jelpke

Pressemitteilung: Bundesinnenminister gebärdet sich als Bundes-Unsinnminister

Fr., 08.06.2012:

"Innenminister Friedrichs bewusste Vermischung von realen mit halluzinierten Bedrohungen ist Ausdruck einer freiheitsfeindlichen Taktik“, erklärt Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, mit Blick auf die Forderung des Ministers nach einem "Abwehrzentrum für alle extremistischen Bereiche". „Es gibt in Deutschland keine "linksextremistische Bedrohung", die wird von konservativen Politikern nur regelmäßig beschworen, um sich eine Legitimation für den voranschreitenden Demokratieabbau zu beschaffen, bis hin zur Beobachtung der Linkspartei.“ Jelpke weiter:

"In diesem Land gibt es Neonazis, die in den letzten Jahren weit über hundert Menschen aus niedrigen, rassistischen Gründen ermordet haben. Es gibt Salafisten, die Reklame für ihre freiheitsfeindlichen Ideen machen, einige von ihnen sympathisieren möglicherweise mit gewaltbereiten Islamisten. Und dann gibt es Linke, die am 1. Mai demonstrieren und sich in Parteien und Bündnissen gegen Nazis, Reaktionäre aller Art und kapitalistische Ausbeutung organisieren.

Im Übrigen gilt auch für die Bekämpfung von Salafisten: Sie sind zweifellos eine extrem unangenehme Erscheinung, aber Sondergesetze gegen sie darf es nicht geben. Weder für die Forderung nach Sozialhilfeentzug noch für weitere Verschärfungen des Aufenthaltsrechts ist rechtsstaatlicher Platz. Friedrichs Forderungen und Andeutungen sind reiner Populismus, der letztlich die anti-muslimische Hetze von "Pro Deutschland" und NPD legitimiert - und damit wiederum Wasser auf die Mühlen der Salafisten ist."


Pressemitteilung: Terrorliste nicht mit rechtsstaatlichen Prinzipien vereinbar

Do., 07.06.2012:

„Während eine Listung auf der Terrorliste der EU für die betroffenen Personen mit größten persönlichen Härten verbunden ist, scheint die Wirksamkeit der Terrorlisten zumindest in Deutschland gering zu sein“, erklärt die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Umsetzung der Listen terroristischer Organisationen und Personen von EU und UN“ (Drs. 17/9544). Die Abgeordnete weiter:

„So wurden innerhalb von rund 10 Jahre seit Einführung der Terrorlisten in der Bundesrepublik gerade einmal 12.000 Euro von 23 Personen eingefroren. Auch in zehn von bislang 13 Verfahren, in denen die Generalbundesanwaltschaft wegen Verstoßes gegen § 34 Außenwirtschaftsgesetz in Verbindung mit den Terrorlisten Anklage erhoben hatte, erfolgte eine Verfahrenseinstellung. Verurteilt wurden die Angeklagten allerdings wegen Mitgliedschaft oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§129b StGB). Es entsteht der Eindruck, dass die Terrorliste vor allem zur moralischen Vorverurteilung unliebsamer Personen und Organisationen dient. So wird eine Listung regelmäßig zur Begründung restriktiver Maßnahmen im Asyl- und Ausländerrecht herangezogen.

Die EU-Terrorliste wird aufgrund politischer Einschätzungen durch ein geheim tagendes Gremium beim Rat der Europäischen Union unter Heranziehung von Geheimdienstinformationen erstellt. Das ist mit rechtsstaatlichen Prinzipien ganz offensichtlich nicht vereinbar. Daher gehört die Liste abgeschafft.“

Quelle: Website von Ulla Jelpke; www.ulla-jelpke.de




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