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Subtropen trockener, Norden feuchter

Kieler Klimaforscher Mojib Latif über bisherige und künftige Folgen der Erderwärmung

Das Nachfolgeabkommen des Kyoto-Protokolls, über das ab Montag in Kopenhagen verhandelt wird, soll die Emissionen von Treibhausgasen so weit drosseln, dass sich die globale Temperatur der Erde um höchstens zwei Grad erwärmt. Mit Mojib Latif, dem Leiter des Forschungsbereichs Ozeanzirkulation und Klimadynamik des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften an der Universität Kiel (IFM-GEOMAR), sprach für das "Neue Deutschland" (ND) Steffen Schmidt über die bisherigen Auswirkungen der Klimaerwärmung und was zwei Grad mehr tatsächlich bedeuten können.



ND: Die Leugner einer vom Menschen ausgelösten Klimaerwärmung versammelten sich gerade erst in Berlin, unterstützt von einer FDP-nahen Stiftung. Ein schlechtes Vorzeichen für Kopenhagen?

Latif: Nein, ganz und gar nicht. Was die Verhandlungen in Kopenhagen angeht, gibt es großen Konsens, dass wir ein Klimaproblem haben und dass man etwas dagegen tun sollte und dass die Verhandlungen nicht scheitern dürfen. Also ich sehe das ziemlich gelassen.

Spielen nicht die auch von Ihnen jüngst erwähnten Prognosen einer möglichen Abkühlung den Skeptiker ein bisschen in die Hände?

Eigentlich nicht. Zunächst einmal habe ich nicht von einer Abkühlung gesprochen, sondern von einer Atempause. Die letzten zehn Jahre verharren die Temperaturen ja auf einem hohen Niveau, es hat 1998 den letzten Rekord gegeben und seitdem sind wir im Wesentlichen auf diesem Niveau geblieben. Es hat in den letzten zehn Jahren auch keine Abkühlung gegeben, sondern einen Stillstand. Und wir sagen, dass sich dieser Stillstand möglicherweise bis 2015 verlängern könnte. Das ist aber völlig normal. Es gibt einfach natürliche Schwankungen und die überlagern den langfristigen Erwärmungstrend. Wenn man sich die Entwicklung der letzten 100 Jahre anguckt, zeigt sich, es ist ganz deutlich wärmer geworden, aber in einzelnen Jahren oder Jahrzehnten kann die Temperatur sogar mal zurückgehen.

Was hat denn die bisherige Klimaerwärmung bewirkt?

Die Temperaturen sind zwar weltweit angestiegen, aber regional unterschiedlich. Am stärksten in der Arktis, und da kam es eben auch zu einer extremen Eisschmelze, 30 Prozent der vom Packeis bedeckten Fläche sind in den letzten 30 Jahren dort verloren gegangen. Das ist schon ziemlich schnell. Tatsächlich haben unsere Modelle immer gezeigt, dass wenn eine Region auf der Welt besonders stark reagiert, es die Arktis sein wird.

Infolge der Erwärmung stieg zugleich der Meeresspiegel an, in den letzten hundert Jahren um knapp 20 Zentimeter weltweit. Die momentane Rate liegt ungefähr bei drei Millimeter pro Jahr. Das wird sich aber mit Sicherheit weiter beschleunigen. Und dann haben wir insgesamt mehr Extreme, wenn man das weltweit betrachtet, sei es in Form von starken Niederschlägen, sei es in Form von mehr Trockenperioden.

Lässt sich das bestimmten Regionen zuordnen?

Im Inneren der Kontinente und in den Subtropen wird es immer trockener. Das sehen wir auch im Mittelmeerraum oder in Kalifornien. Das begünstigt dort Waldbrände. Dagegen werden die inneren Tropen feuchter. Auch in Skandinavien wird es vermutlich mehr Niederschläge geben. Das Ganze ist natürlich noch von den Jahreszeiten abhängig. So bekommen wir in Deutschland beispielsweise immer mildere und regenreichere Winter, während die Sommer trockener werden, besonders im Osten der Republik. Trotzdem können Starkniederschläge im Sommer zunehmen.

Welche wesentlichen Naturveränderungen erwarten Sie denn, wenn es tatsächlich zwei Grad wärmer wird?

Zwei Grad sind nicht wenig. Das wäre zum Beispiel deutlich mehr als bei der letzten großen Warmzeit, der Eem-Warmzeit, vor 125 000 Jahren. Damals war es ungefähr ein halbes, vielleicht ein Grad wärmer als heute weltweit betrachtet. Zu dieser Zeit war der grönländische Eispanzer nur halb so dick, der Meeresspiegel ungefähr vier Meter höher als heute. Daran sieht man schon, dass kleine Änderungen um ein knappes Grad schon deutliche Auswirkungen haben können.

Letzten Endes werden sich alle langfristigen Trends, die wir heute beobachten, fortsetzen. Sei es nun die Temperaturänderung, die Erhöhung des Meeresspiegels, die Eisschmelze oder extremes Wetter. Was wir in den letzten Jahrzehnten beobachtet haben, das können sie dann mehr oder weniger fortschreiben, wobei sich das Ganze noch ein bisschen beschleunigen wird.

Was ist mit den Kipppunkten des Klimas? Einer davon ist das gebundene Methan auf dem Meeresgrund, in den Sümpfen und dem Permafrostboden. Könnte das dort freiwerdende Methan nicht die ganzen Rechnungen überholen? Es handelt sich ja um ein hochpotentes Treibhausgas.

Ich glaube nicht. Zunächst einmal, trotz gegenteiliger Meldungen bin ich überzeugt, die Vorkommen im Meer sind noch relativ stabil. Ich erwarte in den nächsten Jahrzehnten nicht, dass sie freigesetzt werden. Zweitens ist noch nicht klar, ob dieses Methan, was in den Meeren an den Kontinentalabhängen lagert, tatsächlich als Methan an der Meeresoberfläche rauskommt, das kann sich auch in CO2 umwandeln. Aber wie gesagt, das ist noch nicht so ganz klar. Und drittens: Methan ist als Treibhausgas zwar pro Molekül gut 20 Mal wirksamer als CO2, die absoluten Mengen sind aber vergleichsweise gering. Wir haben mal Simulationen gemacht mit unserem Klimamodell und darin die Methan-Konzentration massiv erhöht. Wir haben gesehen, dass das im Vergleich zu einer Verdoppelung des CO2-Gehalts immer noch ein geringer Effekt ist. Ich denke, das CO2 aus der Kohleverbrennung ist immer noch das größte Problem.

* Aus: Neues Deutschland, 5. Dezember 2009


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