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Klimapolitik erstarrt

Konferenz in Bonn: Umweltschützer kritisieren Industriestaaten

Von Johann Martens *

Ohne greifbare Ergebnisse ist am Freitag (12. Juni) in Bonn die zweite Runde von Vorverhandlungen für den Klimagipfel im Dezember in Kopenhagen zu Ende gegangen. Eigentlich hätte ein Vertragstext für den UN-Gipfel vorbereitet werden sollen.

Zum Abschluss der Beratungen in Bonn blieb dem Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, nichts übrig als ein Appell an die Industrieländer, deutlichere Zugeständnisse bei der Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen zu machen. Positiv sei, dass »die Regierungen jetzt klarer formuliert haben, was sie von einem Kopenhagen-Abkommen erwarten«.

Parallel zur Bonner Konferenz hatten sich die EU-Finanzminister in Brüssel nicht auf einen Vorschlag für die Finanzierung von Klimaanpassungsmaßnahmen einigen können. Rund 90 Milliarden Euro an Schäden durch Überschwemmungen, Ernteausfälle etc. entstehen schon heute als Folge des Klimawandels. So zumindest das Ergebnis einer aktuellen Studie des vom ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan gegründeten »Global Humanitarian Forum«.

Die Entwicklungsländer werden vor diesem Hintergrund langsam ungeduldig. Teil eines neuen Klimaschutzvertrags, der formal das bestehende Kyoto-Protokoll zeitlich fortschreiben würde, soll ein Mechanismus für die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen an den Teil des Klimawandels sein, der nicht mehr zu verhindern sein wird. Mehrere Dutzend Milliarden Euro wären dafür jährlich vonnöten, doch zugesagt sind bisher erst zweistellige Millionenbeträge.

»Die Industrieländer müssen ihre historische Verantwortung wahrnehmen«, warnte Meena Raman vom malaysischen Zweig des Netzwerks »Freunde der Erde«. Durch ihre Weigerung würden sie nicht nur den Fortgang der Verhandlungen gefährden, sondern auch Leben und Gesundheit von Milliarden von Menschen. Die Industriestaaten seien für drei Viertel der Emissionen verantwortlich, die sich in den letzten 200 Jahren in der Atmosphäre angereichert haben.

Große Enttäuschung gab es bei Umweltschützern über das Verhalten der US-Delegation. Während Wissenschaftler fordern, dass die Industriestaaten bis 2020 ihre Emissionen gegenüber 1990 um 25 bis 40 Prozent reduzieren, bietet die US-Regierung nur eine Minderung an, die die Emissionen des Landes zurück auf das Niveau von 1990 bringen würde. Karen Oren-stein vom US-Zweig der »Freunde der Erde« fühlt sich daher an die Blockadepolitik der Bush-Ära erinnert. Die US-Delegation präsentierte einen eigenen Vorschlag, der für Industrieländer feste Minderungsziele für Treibhausgase vorsieht. Aber auch Entwicklungsländer müssten ihren Beitrag leisten.

Für die umweltpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Eva Bulling-Schröter, sind die Angebote der Industriestaaten nicht ausreichend. Rechnet man sie zusammen, würde die globale Erwärmung vier Grad Celsius betragen, was für Milliarden Menschen verheerende Folgen hätte.

Die Zeit für die Ausarbeitung eines wirksamen Klimaschutzvertrags wird knapp. Bis 2020, so sagen Wissenschaftler, muss das Wachstum der Treibhausgasemissionen gestoppt und umgekehrt werden, wenn der Klimawandel noch in einem halbwegs erträglichen Rahmen gehalten werden soll. Für eine entsprechende Industriepolitik sind die Zeiträume jedoch ziemlich kurz. Es fehlt an langfristigen Zielen, an denen sich Investoren orientieren könnten. Zwar wissen alle, dass bis 2050 die Emissionen global halbiert und in Ländern wie Deutschland um 90 Prozent verringert werden müssten. Eine formale Verpflichtung dazu gibt es jedoch nicht.

Und so baut man hierzulande weiter Kohlekraftwerke – so viele wie nirgendwo sonst in Europa. Die Klima-Allianz, ein Bündnis von über 100 Nichtregierungsorganisationen, forderte am Freitag die Delegierten des SPD-Wahlparteitags auf, den Bau neuer Kohleanlagen aus dem Programmentwurf zu streichen.

* Aus: Neues Deutschland, 13. Juni 2009


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