Es wird wärmer
Die weiteren Aussichten, von Fred Pearce
Von Tim Fiege *
Vor etwa fünf Milliarden Jahren entstand der Planet Erde; in etwa fünf Millarden Jahren wird er
wieder verglüht sein. Ob die Spezies Mensch ihn bereits nach zweieinhalb Jahrhunderten
Industrialisierung an den Rand des Kollaps gebracht hat oder ob es sich um eine harmlose Midlife
Crisis des Planeten handelt – darüber gehen die Meinungen der Experten auseinander.
Auch der britische Umweltjournalist Fred Pearce ist sich über das Ausmaß, in dem der intelligenteste
Erdenbewohner die Erderwärmung beeinflusst, nicht ganz sicher. Nicht selten räumt er in seinem
neuen Buch ein, einiges sei noch nicht hinreichend erforscht, über jenes wüssten wir einfach zu
wenig und vieles müsse einfach Spekulation bleiben. »Wir haben nicht die geringste Ahnung, was
uns bevorsteht und wie wir damit fertig werden.« Dass er aber nicht zur Fraktion der Verharmloser
zählt, wird bereits im Titel deutlich: »Das Wetter von morgen. Wenn das Klima zur Bedrohung wird.«
Um die befürchtete Dimension der menschengemachten Erderwärmung gleich unmissverständlich
anzusprechen, formuliert er schon in der Einleitung einige knallige Thesen: Die Natur hole »zu
einem gewaltigen Gegenschlag« aus und »unsere Welt könnte untergehen«. Auf den ersten Blick
wirken diese und weitere Szenarien etwas reißerisch! Aber Pearce legt sogleich Beweise für den
Klimawandel vor und beschäftigt sich sogar ausführlich mit den »Argumenten« der Skeptiker dieses
Phänomens. Doch dies seien in den seltensten Fällen Wissenschaftler, sondern zumeist Politiker,
Journalisten oder Wirtschaftslobbyisten. Einige Befunde, so Pearce, seien ohnehin längst Konsens
und die Erderwärmung bereits 1998 mit der sogenannten »Hockeyschläger-Kurve« endgültig
nachgewiesen worden. Diese Temperaturkurve zeige für die letzten 900 Jahre kaum Veränderungen
und erst für das letzte Jahrhundert einen plötzlichen steilen Aufwärtstrend. »Anstatt sich allein auf
die bewährte Methode der Temperaturrekonstruktion durch die Analyse von Baumringen zu
verlassen, wurden Daten aus der Untersuchung von Eiskernen, Korallenringen und
Sedimentablagerungen in Seen verwendet. Auf diese Weise wollte man die Einseitigkeit der
Baumringanalyse vermeiden.«
Besonders überzeugend und anschaulich wirken seine Reportagen aus den tatsächlich bereisten
Gebieten, die die Auswirkungen des Klimawandels bereits direkt zu spüren bekamen: das von
Hurrikan »Mitch« heimgesuchte Honduras, die von beschleunigter Eisschmelze betroffene
Nordwestküste Spitzbergens oder die von dauerhafter Überschwemmung bedrohten Pazifik-Inseln
Tuvalu und Kiribati. Aber Fred Pearce bezieht sein Wissen nicht nur aus eigenen Recherchen und
Forschungen. Er steht als Journalist offenbar in regem Austausch mit internationalen
Klimaforschern, Waldökologen und Glaziologen und sichert seine Erkenntnisse damit auch
wissenschaftlich ab. Nicht immer einleuchtend und allgemeinverständlich ist er, wenn er seine
Thesen mit Argumenten, die für ihn Beweise sind, unterfüttert. Wenn er Ursachen, Wirkungen und
Zusammenhänge erläutert, muss der Leser ohne biologische, chemische und physikalische
Vorkenntnisse gelegentlich auf die Urteilskraft des Fachjournalisten vertrauen.
Fred Pearce hat ein erfreulich unideologisches, aber natürlich nicht unaufgeregtes Buch
geschrieben. Kein Wunder: Geht es doch um nicht weniger als das Überleben der Spezies Mensch.
Und selbst wenn gelegentlich leise Zweifel bleiben: Sollten wir einfach abwarten und so weiterleben,
bis die Wissenschaftler (weitere) unwiderlegbare Beweise vorlegen? Nach der Lektüre dieses
Buches ist die Antwort eindeutig.
Fred Pearce: Das Wetter von morgen. Wenn das Klima zur Bedrohung wird. Verlag Antje Kunstmann, München. 336S ., geb., 19,90
* Aus: Neues Deutschland, 6. Dezember 2007
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