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"Eine Minderung der Risiken des Klimawandels ist dringlich, möglich und bezahlbar"

Kurzfassung der UN-Studie zum Klimawandel vorgelegt. "Die Szenarien des IPCC sind so Angst erregend wie ein Science-Fiction-Film"

Am 17. November 2007 legte der UN-Klimarat IPPC (Intergovernmental Panel on Climate Change) in Valencia (Spanien) seinen vierten und letzten Klimabericht vor, eine Art Kurzfassung der drei bereits vorliegenden umfassenderen Studien. Der nun vorliegende Kurzbericht ist ein einziger Warnruf vor den katastrophalen Auswirkungen der Erderwärmung. "Die schlimmsten Szenarien des IPCC sind so Angst erregend wie ein Science-Fiction-Film", sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bei der Vorstellung des Dokuments. Der Bericht dient nun als Grundlage für die UN-Klimakonferenz, die im Dezember d.J. auf Bali (Indonesien) stattfindet.
Dieser Bericht kann hier heruntergeladen werden (englisch):
Summary for Policymakers of the Synthesis Report of the IPCC Fourth Assessment Report - DRAFT COPY 16 NOVEMBER 2007

Die deutsche Kurzfassung des Syntheseberichts kann hier heruntergeladen werden:
4. Sachstandsbericht (AR4) des IPCC (2007) über Klimaänderungen. Synthesebericht (pdf-Datei)

Ein weiterer umfassenderer Bericht, der empfehlenswert ist:
Eine deutschsprachige Veröffentlichung des IPCC-Berichts "Climate Change 2007", in dem die drei bisherigen Berichte zusammengefasst wurden, ist hier zu erhalten:
Klimaänderung 2007: Zusammenfassungen für politische Entscheidungsträger(pdf-Datei, externer Link).
Als UN-Gremium publiziert das IPCC seine Berichte nur in den sechs offiziellen UN-Sprachen. Diese Übersetzung der Zusammenfassungen für politische Entscheidungsträger der drei Arbeitsgruppenberichte des IPCC-Berichts "Climate Change 2007" ist deshalb keine offizielle Übersetzung durch das IPCC. Sie wurde von ProClim- (Schweiz), dem österreichischen Umweltbundesamt und der deutschen IPCC-Koordinationsstelle gemeinsam erstellt mit dem Ziel, die im Originaltext verwendete Sprache möglichst angemessen wiederzugeben.

Im Folgenden dokumentieren wir zwei Artikel aus der Tagespresse.


Klimaschutz: Ende der Ausreden

Kurzfassung der UN-Studie fordert Staatengemeinschaft zu raschem Handeln auf

Von Ralf Streck *

Anlässlich der Vorstellung des vierten Weltklimaberichts hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die USA und China zu aktiver Klimapolitik aufgefordert.

Nach schwierigen Verhandlungen hat der UN-Klimarat IPPC am Sonnabend (17. November) im südspanischen Valencia seinen vierten und letzten Klimabericht vorgestellt. Es handelt sich um eine 23-seitige Zusammenfassung der drei Studien, an denen hunderte Wissenschaftler aus 130 Nationen sechs Jahre lang gearbeitet hatten. Darin stellt das Expertengremium, das in diesem Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wird, unmissverständlich fest, dass die Klimaerwärmung menschliche Ursachen hat. Das Resümee bildet die Grundlage für den UN-Klimagipfel auf Bali im Dezember.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief in Valencia alle Regierungen auf, schnell und entschieden zu reagieren. »Die Gefahren sind real und können einfach bekämpft werden.« Er warnte aber auch vor gravierenden Konsequenzen, wenn nicht schnell gehandelt werde: »Die schlimmsten Szenarien des IPCC sind so furchterregend wie ein Science-Fiction-Film.«

Den UN-Forschern zufolge hat der Klimawandel schon begonnen, und er sei unumkehrbar. Betroffen seien vor allem die ärmsten Länder. Verhindert werden könnten lediglich noch die schlimmsten Auswirkungen. Das Abschmelzen der Polkappen und der Gletscher werde zu Überschwemmungen und zu Wassermangel gleichzeitig führen. Sich entwickelnde Länder könnten wieder in die absolute Armut zurückfallen. Ban Ki Moon warnte, dass bei der Bekämpfung des Klimawandels andere wichtige Ziele wie die Bekämpfung des Hungers nicht aus den Augen verloren werden dürften. Er spielte damit auf die zunehmende Nutzung von Agrarflächen zum Anbau von Energiepflanzen an. Mit Blick auf Bali forderte er die USA und China zu einer konstruktiveren Rolle beim Klimaschutz auf. »Beide Länder können auf ihre Weise die Führung übernehmen«, sagte der Südkoreaner. Sie geben die meisten klimaschädlichen Abgase in die Umwelt ab.

Die USA, die das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert hatten, begrüßten den neuen Klimabericht. »Wir haben eine sehr ausgewogene Position erreicht«, sagte Delegationsleiterin Sharon Hayes. Die USA-Delegation hatte in den vergangenen Tagen versucht, die Aussagen des Berichts abzumildern und die Rolle der UNO beim Klimaschutz zu begrenzen. Man habe »sicherstellen« wollen, dass der gegenwärtige Stand der Wissenschaft widergespiegelt werde, hieß es. Kurz zuvor war noch verlautet, »belastbare Urteile« über die Klimagefahren stünden noch aus.

»Es ist vollbracht«, stellte der Delegierte der Umweltschutzstiftung WWF, Hans Verholme, erleichtert fest. Es sei ein »bedeutender Bericht« erstellt worden. Greenpeace-Klimaexpertin Gabriela von Goerne erklärte: »Wer sich jetzt noch weigert, die CO2-Notbremse zu ziehen, setzt das Leben unzähliger Menschen und Tiere aufs Spiel. Ausreden lässt dieser Bericht nicht mehr zu.« Bis 2009 müsse ein Abkommen ausgearbeitet werden, das die Industrieländer verpflichtet, ihre Emissionen bis zum Jahr 2020 um mindestens 30 Prozent gegenüber 1990 zu verringern.

* Aus: Neues Deutschland, 19. November 2007


An wichtigen Stellen aufgeweicht

US-Delegation setzte in Valencia einige interpretationsfähige Formulierungen durch

Von Kurt Stenger *


Die UN-Klimaforscher gerieten bei ihrer Konferenz in Valencia in die Mühlen der internationalen Politik.

Die Folgen der Erderwärmung werden wohl noch dramatischer sein, als es der UN-Klimarat bislang angenommen hatte. Seit 1990 ist der Meeresspiegel um fünf Zentimeter angestiegen, zuletzt um jährlich drei Millimeter, berichtet das französische Geoforschungsinstitut Legos. Künftig werde sich die Entwicklung weiter beschleunigen. Gründe dafür sind die erwärmungsbedingte Ausdehnung des Meerwassers, das Abschmelzen von Gletschern und das Tauen der Eiskappen in polnahen Gegenden. Sollte sich die jüngste Prognose bewahrheiten, dass sich der Weltenergiebedarf bis 2050 verdoppeln wird, bedeutet dies nichts Gutes für den Ausstoß von Treibhausgasen. Der UN-Klimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) reagierte auf der Tagung in Valencia und legte sich nicht mehr auf eine Obergrenze für den Anstieg des Meeresspiegels fest.

Das 2500 Forscher umfassende Gremium hat der Politik ins Stammbuch geschrieben: Rasches Handeln ist gefragt, um die Erderwärmung wenigstens auf rund zwei Grad zu begrenzen. Im Synthesebericht aus den drei ersten Teilen des UN-Klimareports sind die wichtigsten Maßnahmen aufgeführt: effizientere Energienutzung und Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energieträger wie Sonne, Wind, Wasser, Biomasse und Geothermie. Auf Druck einiger Staaten wie den USA wird auch die Kernkraft als Möglichkeit genannt, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. Immerhin scheiterte der Versuch einiger Erdölstaaten, die Nennung des Einsatzes fossiler Energieträger als Hauptursache für den Klimawandel zu verhindern.

Mit dem 23-seitigen Papier gibt es nun eine Tischvorlage für den bevorstehenden UN-Klimagipfel in Bali. Es spannt die Richtschnur, über welche die Staaten bei ihren Verhandlungen über ein Nachfolgeabkommen für das im Jahr 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll springen müssen. In Bali geht es vor allem um einen Fahrplan für ein Kyoto-II-Abkommen. Bis 2009 müssen dann weitere heikle Fragen gelöst werden: die Verteilung der Reduktionsziele und die Finanzierung, von Klimaschutzmaßnahmen in armen Ländern.

Wenig ermutigend war das Auftreten der US-Delegation in Valencia. Kritiker werfen ihr vor, das Abschlusspapier an entscheidenden Stellen verwässert zu haben. So sagte der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Michael Müller, bei den Maßnahmen gegen den Klimawandel hätten die USA »interpretationsfähige Formulierungen« durchgesetzt.

So ist es kein Wunder, dass die UNO große Erwartungen in das Verhandlungsgeschick der deutschen Vertreter in Bali setzt. Für den Chef des UN-Entwicklungsprogramms, Achim Steiner, hat Deutschland eine Vorreiterrolle. Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) nahm den Ball gerne auf und kündigte an, die Bundesrepublik reise als einziger Staat mit einem »abgestimmten Maßnahmenbündel« zur UN-Konferenz. Die Regierung werde Anfang Dezember ihr neues Klimapaket beschließen.

Auch bei den UN-Forschern gab es hinter vorgehaltener Hand Kritik am Auftreten der US-Delegation. Dabei hatte man das wichtigste Argument der Bremser widerlegt: dass die Maßnahmen gegen den Klimawandel das Wirtschaftswachstum gefährden. Laut dem Synthesepapier werden die Kosten für die Reduktion der Treibhaus-gasemissionen das globale Wachstum um höchstens 0,12 Prozentpunkte pro Jahr reduzieren.

Der Synthesereport ist in englischer Sprache auf der Homepage des UN-Klimarates (www.ipcc.ch) nachlesbar. Eine Kurzfassung in deutscher Sprache findet sich beim Bundesumweltministerium unter www.bmu.de/klimawandel.

Kernaussagen

Nach fünftägigen Beratungen hat der Weltklimarat IPCC am Samstag im spanischen Valencia seinen Abschlussbericht vorgelegt. Der Synthese-Bericht für Entscheidungsträger fasst die drei fertigen Teilberichte auf 23 Seiten zusammen und vollendet damit den vierten Weltklimareport. Die Hauptaussagen:

Der Mensch steht als Ursache des Klimawandels praktisch fest. Die Folgen dieses Wandels werden nach Einschätzung der Experten vermutlich »plötzlich oder unumkehrbar« sein.

Die Temperaturen werden bis zum Jahr 2100 wahrscheinlich um 1,8 bis 4 Grad Celsius gegenüber 1990 ansteigen, möglicherweise sogar um 6,4 Grad. Um die Erwärmung auf 2 bis 2,4 Grad zu begrenzen, muss der CO2-Ausstoß bis 2050 um rund 50 bis 85 Prozent niedriger sein als noch im Jahr 2000.

Weltweit wird es mehr Hitzeperioden, Dürren und Überschwemmungen geben. Dies hat einen Mangel an Trinkwasser und ein Artensterben zur Folge.

Gletscherschmelze, Schneeknappheit in den Bergen und das Zurückgehen des Eises im Sommer in der Arktis sind Belege für den Klimawandel. In seinem ursprünglichen Papier war der Rat noch davon ausgegangen, dass der Meeresspiegel bis zum Jahrhundertwechsel zwischen 18 und 59 Zentimeter ansteigen wird. Angesichts der weitaus düsteren Prognosen von aktuelleren Studien will er sich nun aber nicht mehr auf diese Obergrenze festlegen.

Alle Länder werden vom Klimawandel betroffen sein. Am härtesten wird es aber die ärmsten Länder treffen, vor allem kleine Inselstaaten und solche, in denen zahlreiche Menschen in tief liegenden Deltas leben.

Eine Reduzierung der Treibhausgase ist vergleichsweise kostengünstig möglich. Das Zeitfenster für eine noch rechtzeitige Begrenzung wird jedoch immer enger.



* Aus: Neues Deutschland, 19. November 2007


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