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Dunkle Wolken

Über dem UN-Klimagipfel im Dezember in Kopenhagen braut sich ein Unwetter zusammen. Graben zwischen Nord und Süd anscheinend kaum zu überbrücken

Von Wolfgang Pomrehn *

Für den internationalen Klimaschutz sieht es schlecht aus. In Barcelona ist am Freitagnachmittag (6. Nov.) die letzte offizielle Runde der Vorgespräche für den Weltklimagipfel zu Ende gegangen, der im Dezember in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen tagen wird. Nach wie vor erscheinen die Widersprüche zwischen den Entwicklungs- und Schwellenländern auf der einen und den Industriestaaten auf der anderen Seite nahezu unüberbrückbar.

Boykott von Afrika

Begonnen hatten die Gespräche in der katalanischen Metropole am vergangenen Montag (2. Nov.) mit einem zeitweiligen Boykott durch die afrikanischen Delegationen. Die Afrikanische Union hatte sich auf dieses Mittel verständigt, um den Druck auf die reichen Länder zu erhöhen. Sie fordern von den Industriestaaten, daß sie ihre Treibhausgas­emissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 reduzieren sollen. Außerdem verlangen sie substantielle Finanzzusagen für einen Fonds, aus denen Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel in den ärmeren Ländern bezahlt werden sollen. Die EU hatte kürzlich den Bedarf auf rund 100 Milliarden Euro jährlich geschätzt.

Ein derart resolutes und geschlossenes Auftreten der afrikanischen Länder ist neu in internationalen Verhandlungen. Bisher hatten sie die Klimaschutzverhandlungen mehr als Zuschauer verfolgt, doch inzwischen ist klar, daß viele Länder ihres Kontinents zu den Verlierern gehören werden. Der Norden und der Süden sind durch noch größere Trockenheit bedroht, die Staaten am Horn von Afrika müssen mit einer Zunahme von schweren Unwettern rechnen, und Ostafrika könnte besonders betroffen sein, wenn Zahl oder Intensität der tropischen Wirbelstürme, oder auch beides, zunehmen. Hinzu kommen Gefahren durch die Ausbreitung von Krankheiten, die Bedrohung der Landwirtschaft durch die Verschiebung von Klimazonen und in einigen flachen Küstenregionen wie den Deltas von Nil und Niger der Anstieg des Meeresspiegels.

Viel geändert hat der afrikanische Boykott allerdings nicht. Die europäischen und nordamerikanischen Delegationen versprachen einige zusätzliche Gespräche, doch an ernsthaften Zusagen mangelt es weiterhin. Die EU hatte sich Ende Oktober auf ihrem Gipfel in Brüssel erneut darum gedrückt, einen konkreten Betrag für die Zahlungen in den Anpassungsfonds zu nennen. An Emissionsreduktionen ist sie bisher nur zu 20 Prozent bereit. Etwa acht Prozentpunkte davon sind bereits durch die Reduktionen der letzten beiden Jahrzehnte und nicht zuletzt durch den ökonomischen Zusammenbruch der osteuropäischen Staaten erreicht.

Nur wenn die anderen Industriestaaten mitziehen, sind die Regierungen der EU-Mitgliedsländer bereit, die hiesigen Emissionen um 30 Prozent zu vermindern, doch damit ist kaum zu rechnen. Japan bietet zwar mit einem ähnlichen Vorbehalt 25 Prozent Verringerung, doch vor allem die USA sträuben sich. Das fängt schon dabei an, daß Washington massiv 1990 als Basisjahr für die Messung der Emissionen in Frage stellt. Der Hintergrund: In den USA sind die Emissionen seit 1990 um weitere rund 15 Prozent gestiegen.

China setzt auf Wind

Entsprechend gering waren auch die Fortschritte bei den Gesprächen in Barcelona. Auch ein Treffen der G-20-Finanzminister verlief am Wochenende im schottischen St. Andrews ergebnislos. Richard Dixon vom schottischen Zweig der Umweltorganisation WWF meint dazu: »Die G20 kann den zusammenbrechenden Banken Geld hinterherwerfen, aber sie kann sich auf keinen Betrag einigen, wenn es um die wesentlich schlimmeren Herausforderungen für die globale Wirtschaft geht, die ein versagendes Klimasystem darstellt.« Auf dem Gipfel hatte der britische Premierminister Gordon Braun eine Steuer auf Finanztransaktionen ins Spiel gebracht. Die Hilfsorganisation Oxfam hat berechnet, daß eine Besteuerung mit 0,05 Prozent des Umfangs der Transaktion jährlich rund 470 Milliarden Euro erbringen würde, mehr als genug also, um den Anpassungsfonds zu finanzieren.

Unterdessen hat ein Bericht der Deutschen Bank der Volksrepublik China gute Noten in Sachen Ausbau der erneuerbaren Energieträger ausgestellt. Die britische Zeitung The Observer berichtet, daß eine neue Studie der Bank Peking bescheinigt, in seiner Klima- und Energiepolitik mehr Transparenz und Sicherheit für potentielle Geldanleger zu bieten als etwa Großbritannien oder die USA. Nach Nordamerika hat die Volksrepublik heute den weltweit zweitgrößten Markt für Windenergieanlagen. Bis 2020, so das offizielle Planziel, sollen 100 000 Megawatt (MW) an Leistung installiert sein - genug, um etwa 50 bis 60 große Kohlekraftwerke zu ersetzen. Vermutlich wird dieses Ziel aber noch übertroffen werden, denn derzeit wird mit den Bau von sechs Riesen-Windparks begonnen, die zusammen allein eine Leistung von 120000 MW haben werden. Hinzu kommt, daß in China seit dem Frühjahr nun auch der Einsatz von Solarzellen massiv gefördert wird, die elektrischen Strom direkt aus der Sonneneinstrahlung gewinnen.

* Aus: junge Welt, 9. November 2009


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