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Spektakuläre Aktionen für die Umwelt

30 Jahre Greenpeace Deutschland – Markenzeichen bleiben mediengerechte Proteste / Kein Geld von Konzernen – und trotzdem Jahresumsatz von rund 46 Millionen Euro

Von Reimar Paul *

Pünktlich zum 30. Geburtstag von Greenpeace Deutschland wurde in Gdansk das neue Flaggschiff der Organisation, die »Rainbow Warrior III« vom Stapel gelassen. Auf See fand auch 1980 die erste Greenpeace-Aktion in Deutschland statt. Aktivisten in Schlauchbooten protestierten damals gegen die Verklappung giftiger Dünnsäure in der Nordsee.

Am 8. November blockierte ein als Bierlaster getarnter Greenpeace-LKW im Wendland den neuralgischsten Punkt der Castorstrecke – die Weiterfahrt des Atommüllkonvois wurde um zwölf Stunden verzögert. So kennt man die Organisation seit 30 Jahren. Spektakuläre Aktionen, nicht immer ganz legal, dafür aber mediengerecht organisiert. Der Kampf gegen Umweltverschmutzung, Atomkraft, Walfang und gentechnisch manipulierte Lebensmittel ist durchaus erfolgreich. Die Aktionen der Regenbogenkrieger gaben häufig Denkanstöße für die Politik, manche Forderungen flossen in Gesetze ein. Dabei blieb Greenpeace eine von Parteien unabhängige außerparlamentarische Opposition.

Greenpeace e.V. ist ein gemeinnütziger Verein und finanziert sich zu über 90 Prozent aus Spenden und Fördergeldern. Spenderinnen und Spender zahlen einen einmaligen Betrag. Förderer hingegen sind Personen, die Greenpeace einen regelmäßigen Beitrag von jährlich mindestens 25 Euro zukommen lassen. Im Dezember 2009 haben 562 056 Förderinnen und Förderer Greenpeace unterstützt.

Weitere Einnahmequellen sind unter anderem Erbschaften und Gewinne des Greenpeace Umweltschutzverlages, die zu 100 Prozent an den Verein fließen. Die Organisation akzeptiert nach eigenen Angaben grundsätzlich keine Gelder, die an bestimmte Auflagen gebunden oder mit Werbung für einzelne Firmen verknüpft sind. Im Jahr 2009 erreichten die Gesamterträge von Greenpeace 45,9 Millionen Euro.

Bundesweit machen einige tausend Aktive in knapp 100 Orts- und Kampagnengruppen ehrenamtlich bei Greenpeace Deutschland mit. Kinder streiten in Greenteams für eine bessere Zukunft, Jugendliche lassen in Jugend-AGs ihren Ärger über falsche Weichenstellungen in der Klimapolitik heraus, im Team50plus bringen Menschen über 50 ihre Erfahrungen ein. In der Hamburger Zentrale und der politischen Vertretung in Berlin arbeiten zudem 192 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Führende Politiker, Wirtschaftsvertreter und Wissenschaftler haben es sich nicht nehmen lassen, der Umweltorganisation zu ihrem 30-jährigen Bestehen zu gratulieren. Lob kam zum Beispiel von SPD-Chef Sigmar Gabriel. Greenpeace sei eine unerlässliche und gar nicht mehr wegzudenkende Organisation. Kompetent und schlagkräftig zugleich errege Greenpeace mit spektakulären Aktionen Aufsehen.

Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Hans Joachim Schellnhuber, sieht in Greenpeace den Stachel im Fleisch all derer, die vor den Umweltfolgen ihres Handelns hartnäckig die Augen verschließen. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lobt die kontinuierliche und fachkundige Sacharbeit, mit der Greenpeace zu den Diskussionen einzelner Themenfelder beitrage.

Dagegen wünscht sich Werner Wenning, Vorstandsvorsitzender der Bayer AG, dass Greenpeace generell weniger Fokus auf eine rein emotionale Zuspitzung von Themen setzt und eher Wert auf wissenschaftlich abgesicherte Fakten legt. Durch die Blume äußern der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer und der Wirtschaftsexperte Hans-Werner von Sinn ihre Kritik: Unsere Umwelt müsse geschützt werden. Nur über den richtigen Weg dahin sei man nicht immer einer Meinung.

Greenpeace Deutschland selbst feiert seinen 30. Geburtstag bereits seit Ende August. Unter anderem besuchten die Umweltschützer sieben Städte, um sich bei Förderern, Spendern, den Greenpeace-Gruppen und allen Menschen, die sich für Greenpeace interessieren, zu bedanken. Es gab Ausstellungen, Klettervorführungen und Schlauchbootfahrten. In Hamburg konnten die Besucher sogar in Überlebensanzüge steigen und sich auf dem Wasser treiben lassen.

Aktionschronik

13. Oktober 1980. Umweltschützer protestieren mit Schlauchbooten gegen die Dünnsäure-Verklappung der Bayer-AG – die Geburtsstunde von Greenpeace Deutschland. Mit dabei ist auch Monika Griefahn, später Umweltministerin in Niedersachsen und Bundestagsabgeordnete der SPD.

1981. Greenpeace kauft in den Niederlanden das erste Aktionsschiff, die »Sirius«. Einsatzgebiet ist zunächst die Nordsee bei Helgoland, wo 1200 Tonnen Dünnsäure ins Meer geleitet werden sollen. Die Crew der »Sirius« setzt Schwimmer vor dem Chemikalien-Tanker aus.

1983. Auf einem abgeernteten Feld nahe Berlin landet auf dem Territorium der DDR ein Heißluftballon. Zwei Greenpeace-Aktivisten protestieren so gegen die Atomtests der Siegermächte.

1990. Nach dem Mauerfall läuft das Greenpeace-Schiff »Beluga« zur deutsch-deutschen Elbetour aus. Von Dresden geht es flussabwärts. Teils gigantische Umweltschäden auf dem ehemaligen DDR-Gebiet werden registriert.

1991. Zwei Erfolge für Greenpeace: Die Firma Hoechst teilt mit, dass sie aus der FCKW-Produktion aus- und in die Produktion chlorhaltiger Ersatzstoffe gar nicht erst einsteigt. 26 Staaten unterzeichnen ein Schutzabkommen für die Antarktis – 50 Jahre sollen dort keine Rohstoffe abgebaut werden.

10. September 1992. Greenpeace deckt auf: 2000 Tonnen deutscher Giftmüll lagern illegal in Rumänien. Die Altpestizide sickern schon ins Grundwasser. Aktivisten starten Aufräumarbeiten und holen einen Teil des Mülls zurück nach Deutschland.

7. September 1998. Heimlich hat der Schweizer Chemiekonzern Novartis gentechnisch veränderten Mais aussäen lassen. Greenpeace kennzeichnet das Feld in der Nähe des Kaiserstuhls mit einem riesigen Banner.

23. August 2008. Um das Naturschutzgebiet Sylter Außenriff endlich effektiv zu schützten, versenkt Greenpeace 320 tonnenschwere Natursteine in der Deutschen Bucht.

Reimar Paul



* Aus: Neues Deutschland, 18. November 2010


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