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Unser Planet kommt ins Schwitzen

Dürren und Hungersnöte, Fluten und Flüchtlingsströme. Die Zeichen mehren sich, dass es bald zu Umweltkatastrophen biblischen Ausmaßes kommen könnte

Von Franz Alt *

In Afrika, sagt Klaus Töpfer, irren zur Zeit 15 Millionen Umweltflüchtlinge umher auf der Suche nach der nächsten Wasserstelle. Soeben erlebte China an seiner Ostküste den schwersten Taifun der letzten 50 Jahre. 255 Tote sind zu beklagen, über 100.000 Menschen wurden obdachlos. Schon zwei Tage später: Stürmische Monsunregen verursachen an der Küste des indischen Bundesstaates Andra Pradesh ein schreckliches Chaos. Über 300 Menschen verlieren ihr Leben, eine halbe Million sind auf der Flucht in höher gelegene Gebiete. Augenzeugen berichten, dass sieben Dörfer komplett weggespült wurden. Die Sintfluten in Südindien treffen wieder einmal die Ärmsten. Vor 2o Monaten waren sie Opfer des Tsunami.

In Afrika, sagt Klaus Töpfer, irren zurzeit 15 Millionen Umweltflüchtlinge umher auf der Suche nach der nächsten Wasserstelle. Ursache ist der von den Industriestaaten verursachte Treibhauseffekt, der weltweit die Wasserkreisläufe verändert.

Die letzten Schreckensmeldungen aus den USA: Hitzenotstand in New York, Hitzeevakuierungen in Chikago, mehrere hundert Hitzetote in Kalifornien. 2005 gab es in der Karibik und im Süden der USA die häufigsten und heftigsten Hurrikans seit über 100 Jahren. Allein in New Orleans starben weit über 1000 Menschen und die Folgeschäden betragen unvorstellbare 200 Milliarden Dollar.

Wie viele Todesopfer der heiße Juli 2006 in Westeuropa forderte, wissen wir noch nicht. Aber wir wissen, dass es im Hitzsommer 2003 über 35.000 waren. Und wir wissen inzwischen auch, dass sich solche Hitzesommer häufen, ja sogar zum Normalfall werden können.

In seinem neuen Buch "Eine unbequeme Wahrheit" schreibt der frühere US-Vizepräsident Al Gore, dass wir noch 10 Jahre Zeit zur Umkehr haben. Danach stünde die Existenz der Menschheit auf dem Spiel. Eine Analyse des Klimawandels der letzten Jahrzehnte gibt dem Politiker Recht. 1983 war das bis dahin wärmste Jahr des 20. Jahrhunderts. 1987 war es noch wärmer. 1988 und 1990 hatten wir die nächsten Wärmerekorde. Und in den letzten 15 Jahren gab es die heißesten 10 Jahre seit Beginn der Temperaturmessungen im Jahr 1864.

Der Klimawandel lässt keinen mehr kalt. Selbst das US-Pentagon sieht darin „das größte Menschheitsproblem des 21. Jahrhunderts.“ Diese Gefahr sei größer als der Terrorismus. Eine neue, noch nicht veröffentlichte Studie der UNO, an der 1800 Klimaforscher mitgearbeitet haben, zeigt auf, dass wir bis zum Ende des 21. Jahrhunderts mit einer globalen Erwärmung bis zu acht Grad rechnen müssen. Im 20. Jahrhundert betrug die globale Erwärmung 0.8 Grad! Sind wir noch zu retten?

Die Gletscher schmelzen, der Meeresspiegel steigt und die Permafrostböden Sibiriens tauen auf und setzen riesige Mengen Methan frei. Dieses Treibhausgas wirkt 20mal so klimazerstörend wie das bisher heftig diskutierte CO2, das beim Verbrennen von Kohle, Gas, Öl und Benzin entsteht. Allmählich kommt unser Planet ins Schwitzen, seine Fieberkurve steigt und die Angst vor den Folgen wächst weltweit. Schon heute ist ein Drittel mehr Kohlendioxid in der Luft als in der vorindustriellen Zeit.

80% aller Umweltprobleme sind Energie- und Klimaprobleme. Doch die zunehmenden Katastrophen sind unsere besten Lernhelfer. Deshalb haben wir zumindest noch eine Chance, das Schlimmste zu verhindern.

Albert Einstein meinte zwar, zwei Dinge seien grenzenlos: Die Weite des Universums und die Dummheit des Menschen – wobei er sich bei der Weite des Universums nicht so sicher war. Aber es gibt dennoch auch Grund zur Hoffnung. George W. Bush hat das größte Programm der Menschheitsgeschichte für erneuerbare Energien angekündigt und Angela Merkel eine Energie-Effizienz-Offensive gestartet.

Deutschland ist Windenergie-Weltmeister und Österreich und Schweden zeigen, dass mit Energie vom Acker und vom Wald viel fossile Energie ersetzt werden kann. In Brasilien fliegen die ersten Flugzeuge mit Bio-Ethanol und 40% der Autos fahren bereits mit Biosprit. Japan produziert massenhaft Solarstromanlagen und China Anlagen zur solaren Wärmegewinnung. In Freiburg hat der Solararchitekt Rolf Disch 50 Solarhäuser gebaut und verkauft, die mehr Energie produzieren als in ihnen verbraucht wird.

Die Rettung des Planeten ist immer noch ebenso möglich wie seine Zerstörung. Die Sonne jedenfalls schickt uns täglich 15.000mal mehr Energie als alle Menschen heute verbrauchen. Das macht sie kostenlos, umweltfreundlich und noch 4,5 Milliarden Jahre. Worauf warten wir eigentlich?

Energie ist der Motor jeder Zivilisation. Die Lösung des Energieproblems liegt nicht unter der Erde. Sie steht am Himmel. Freilich gilt die Erkenntnis von Erich Kästner: "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es."

* Dieser Beitrag erschien im "Neuen Deutschland" vom 4. September 2006;
Mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Im Internet auf der "Sonnenseite" von Franz Alt:
www.sonnenseite.com



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