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Die UNO-Reform – eine unendliche Geschichte?

Eine kompetente Publikation informiert über Arbeit und Reformbemühungen der Weltorganisation

Von Wolfgang Kötter

Es vergeht kaum ein Tag, an dem die Organisation der Vereinten Nationen nicht in den Schlagzeilen erscheint. Zumeist geht es dabei um Konfliktherde dieser Welt oder globale Probleme, an deren Lösung die UNO mehr oder weniger erfolgreich arbeitet. Schnell ist das Publikum zuweilen mit Urteilen bei der Hand, nicht immer basieren diese jedoch auf fachlicher Kompetenz und seriöser Sachkenntnis über das Funktionieren der Weltorganisation, über die Möglichkeiten aber auch Grenzen zur Lösung der ihr von den Staaten übertragenen Aufgaben. Dieses Defizit zu verringern, sind im einem aktuellen Sammelband 16 Autoren angetreten. Als Wissenschaftler, Diplomaten oder langjährige UN-Mitarbeiter sind sie besonders prädestiniert, fundierte Einblicke in die Arbeitsweise der Vereinten Nationen zu geben. Der bereits mit anderen inhaltsreichen Publikationen zum Thema hervorgetretene Herausgeber, Helmut Volger, formuliert eingangs als gemeinsames Anliegen, "die Grundlagen und Strukturen der UNO darzustellen, die Interessenlagen der Beteiligten in den Mitgliedstaaten und im System der vereinten Nationen zu verdeutlichen, auf die Chancen für globale Lernprozesse, für Vermittlungsaktionen und für gemeinsame Entschließungen in Form von Resolutionen und Verträgen hinzuweisen, aber auch die Probleme zu erläutern, welche die Weltorganisation bei ihrer Arbeit lösen muss. Ebenso sollen die vorhandenen Reformkonzepte erörtert werden".

Wie der Titel verheißt, richten sich die Beiträge in ihrer Gesamtheit auf die Wechselbeziehung zwischen den ethischen, politischen und völkerrechtlichen Grundlagen der UNO einerseits und den daraus erwachsenen, durch politische Macht- und Interesseneinflüsse sich wandelnden Strukturen andererseits. Die Beiträge decken ein breites Spektrum spezifischer Themen ab. Von großem Gewinn für den Leser erweist sich, dass die Beiträge mehrheitlich aktuell sind und die Verwirklichung bzw. das Scheitern der anspruchsvollen Reformvorhaben analysieren, die auf dem Millenniums-Treffen 2000 wie auch auf dem Weltgipfel von 2005 unterbreitet wurden. Dabei geht es unter anderem um folgende Fragen: Wie kommen die Entscheidungen in der UNO zustande? Wer vermittelt bei internationalen Konflikten? Wie kommunizieren die Vereinten Nationen über ihre Arbeit und welche Rolle spielen nichtstaatliche Organisationen. Wie verhalten sich die eingesetzten finanziellen Ressourcen der Mitgliedstaaten zum – oft gegensätzlich bewerteten – Ergebnis? Welche Meinung herrscht in den mittlerweile 192 Mitgliedstaaten über die UNO und welchen Einfluss hat die öffentliche Meinung auf die UN-Politik der jeweiligen Regierungen?

Der Sammelband gliedert sich in vier Kapitel. Im ersten Kapitel "Grundlagen" beschäftigt sich Helmut Volger mit den ethischen Grundlagen der Vereinten Nationen. Anschließend erläutert Eckhard Klein die Entwicklung des Völkerrechts durch die UNO. Im zweiten Kapitel "Arbeitsgebiete der Vereinten Nationen" behandeln Adolf von Wagner das Thema Abrüstung, Manfred Eisele die Blauhelmeinsätze zur Friedenssicherung, Norman Weiß den Menschenrechtsschutz, Jürgen Maier den Umweltschutz sowie Thomas Fues und Stephan Klingebiel die Rolle der Vereinten Nationen bei der multilateralen Entwicklungspolitik. Das dritte Kapitel widmet sich der "Funktionsweise der Vereinten Nationen". Karl Theodor Paschke untersucht das Verhältnis von Ressourceneinsatz, also den von den Mitgliedstaaten eingesetzten Mitteln zum politischen Ertrag, d.h., den Leistungen der Vereinten Nationen. Jochen Prantl analysiert den Prozess der Entscheidungsfindung in den Vereinten Nationen, Brigitte Hamm widmet sich dem relativ neuen Thema UNO und Global Governance, Thomas Fitschen schreibt über die Vereinte Nationen und nichtstaatliche Organisationen, Axel Wüstenhagen bewertet die Öffentlichkeitsarbeit der UNO und Helmut Volger zeichnet das Bild nach, das die Weltorganisation in der öffentlichen Meinung findet.

Inhalt des letzten Kapitels bilden "Strukturprobleme der Vereinten Nationen und Reformkonzepte". Yves Beigbeder erörtert die Management- und Koordinationsprobleme innerhalb der Organisation. Klaus Hüfner widmet sich dem permanenten Problem der Finanzierung, Dieter Göthel diskutiert die immer wieder strittig behandelte Frage der Personalpolitik im internationalen öffentlichen Dienst und Karl Theodor Paschke berichtet aus eigener Erfahrung über die externe und interne Kontrolle der UNO. In einem abschließenden umfangreichen Beitrag stellt Helmut Volger die Bemühungen um eine Reform der Vereinten Nationen dar. Dabei geht er sowohl auf die Evolution als auch auf den Inhalt spezifischer Reformprojekte ein. Als Fazit über das Schicksal des vom damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan angestrebten umfassenden Reformprojekts hält der Autor die Bilanz des Weltgipfels von 2005 für gemischt. Gemessen an den Zielvorstellungen könne das Ergebnis nicht befriedigen. Berücksichtige man jedoch in realistischem Pragmatismus die unterschiedlichen Interessenlagen und machtpolitischen Ressourcen der beteiligten Staaten und UN-Institutionen, könne man das Ergebnis "als solide Ausgangsbasis für die weitere Arbeit der UNO und als einen Schritt in die richtige Richtung ansehen." Da die Aufgaben, Herausforderungen und Gefahren, mit denen die Menschheit gegenwärtig und zukünftig konfrontiert ist, nicht geringer, sondern eher drängender werden, bedarf sie mehr denn je einer starken, handlungsfähigen und effektiven UNO. Die Reformdiskussion wird also weitergehen. Die vorliegende Publikation liefert dafür sowohl den Experten als auch jeder politisch interessierten Leserin und jedem Leser eine reichhaltige Wissensquelle.

Helmut Volger (Hrsg.): Grundlagen und Strukturen der Vereinten Nationen, München/Wien: R. Oldenbourg Verlag 2007, 576 S., ISBN 978-3-486-58202-4


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