Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

John Bolton tritt auf die Bremse

USA drohen Widerstand gegen geplanten Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen an

Von Olaf Standke*

Die USA haben jetzt Widerstand gegen den geplanten Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen angedroht, sollte der vorgelegte Resolutionsentwurf für das neue Gremium nicht grundlegend überarbeitet werden.

Mit John Bolton ist nicht gut Kirschen essen. Der Washingtoner UN-Botschafter, der zuletzt dem Weltsicherheitsrat präsidierte, rügte seine Kollegen im wichtigsten Entscheidungsgremium der Vereinten Nationen schon am ersten Tag seines Vorsitzes im Stile eines Oberlehrers, weil sie ihm zu unpünktlich waren. Wenn Bolton um 10 Uhr die Glocke zum Beginn der Beratungen schlägt, dann haben die Diplomaten gefälligst auf ihren Plätzen zu sitzen. Über Zuspätkommer führte der erzkonservative Republikaner Buch, denn: »Ich glaube an Disziplin.« Bolton glaubt aber auch an die gottgegebene Führungsrolle der USA in den internationalen Beziehungen und hält die UNO prinzipiell für einen Augiasstall, den es auszumisten gilt. Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen etwa will die Supermacht schon seit langem weg haben, doch nun stellt sie sich gegen den als Ersatz geplanten Menschenrechtsrat.

Bei einer Abstimmung in der UN-Vollversammlung wolle man dem Projekt in seiner jetzigen Gestalt die Stimme verweigern, so Bolton vor Journalisten. Das vorliegende Konzept des Präsidenten der UN-Vollversammlung, Jan Eliasson, der auf dem Reform-Gipfel im September 2005 mit der Ausarbeitung eines Resolutionsentwurfs beauftragt worden war, nannte er am Dienstag »enttäuschend« und einen »Fehlschlag«.

Washington fordert neue Verhandlungen, sei der neue Rat gemäß diesem Entwurf doch »nur um Nuancen besser« als die seit 1948 arbeitende und zuletzt viel geschmähte Menschenrechtskommission mit ihren 53 Mitgliedstaaten. Dort habe man den Bock zum Gärtner gemacht, monierten Kritiker immer wieder, säßen doch auch Staaten über andere zu Gericht, die wegen Menschenrechtsvergehen selbst am Pranger stehen. Die USA zählten sich natürlich nicht zu dieser Gruppe. Zudem brauchte das Gremium mit Sitz in Genf oft sehr lange, um Menschenrechtsverletzungen zu verurteilen.

Der Entwurf des schwedischen Diplomaten Eliasson sieht künftig einen Rat mit 47 der 191 UN-Mitgliedstaaten vor – wobei für die Regionalgruppen der Weltorganisation auch weiter eine bestimmte Zahl von Sitzen reserviert ist (Afrika und Asien je 13, Lateinamerika 8, westliche Staatengruppe 7, Osteuropa 6), diese Staaten nun aber vom Plenum der Generalversammlung nach ausgiebiger Prüfung in geheimer Abstimmung und mit absoluter Mehrheit für drei Jahre gewählt werden müssten. Ursprünglich sollte es sogar eine Zwei-Drittel-Mehrheit sein.

UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte zudem vorgeschlagen, dass der Rat permanent tagt, nun soll er drei Mal im Jahr mindestens zehn Wochen lang zusammenkommen, um schwer wiegenden Verstößen gegen die Menschenrechte in aller Welt nachzugehen. Werden sie bei einem Ratsmitglied festgestellt, kann dieses mit Zwei-Drittel-Mehrheit (mindestens 128 Staaten) von der Vollversammlung suspendiert werden. Die USA, die nur ein 30-Staaten-Forum wollen, verlangen dagegen, dass den fünf Vetomächten im Weltsicherheitsrat – USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und China – auch im Menschenrechtsrat ein permanenter Sitz zugebilligt wird. Botschafter Bolton war auch mit dem Versuch gescheitert, Staaten wie Kuba, Libyen, Simbabwe oder Sudan – für Washington »gewohnheitsmäßige Menschenrechtsverletzer« – automatisch als Ratsmitglieder auszuschließen.

Kofi Annan hat die USA-Regierung jetzt aufgerufen, dem vorliegenden Konzept zuzustimmen. Es sei das »beste, das wir unter diesen Umständen erreichen konnten«. Amnesty International und Human Rights Watch appellierten an die UN-Vollversammlung, den Resolutionsentwurf trotz aller Schwächen im Detail unverzüglich zu verabschieden, damit der neue Rat seine Arbeit schnellstmöglich aufnehmen kann. Sie fürchten, dass Nachverhandlungen die Resolution nur weiter aushöhlen. Auch zwölf Friedensnobelpreisträger haben sich in einem offenen Brief hinter Eliasson gestellt, darunter der früheren USA-Präsident Jimmy Carter. Die 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union dagegen konnten sich noch nicht auf eine gemeinsame Position festlegen.

* Aus: Neues Deutschland, 2. März 2006


Zurück zur Seite "Vereinte Nationen"

Zur Menschenrechts-Seite

Zurück zur Homepage