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Pax Americana

Widerspruch zu Obamas Kriegsrede

Von Werner Pirker *

Wladimir Putin hat der auf der UN-Generalversammlung gehaltenen kriegstreiberischen Rede von US-Präsident Barack Obama deutlich widersprochen. Die Einmischung in die Ereignisse in Nahost und Nordafrika sowie die Anstiftung zur Gewalt mit dem Ziel, einen Regimewechsel zu erreichen, führe in eine Sackgasse, erklärte er in Moskau. Treffender hätte der russische Präsident die zerstörerische Politik Washingtons und seiner Mitverschwörer gegen den Weltfrieden kaum kritisieren können.

Auch Ägyptens Präsident Mohammed Mursi [externer Link] hat sich bei aller Verbundenheit mit den USA gegen eine ausländische Intervention und für eine Verhandlungslösung in einem arabischen, internationalen und regionalen Rahmen ausgesprochen. Worte, die in einem auffälligen Kontrast zur Kriegshetze des Emirs von Katar [externer Link] stehen, der sich für ein militärisches Eingreifen der arabischen Staaten in Syrien stark gemacht hatte. Dennoch steht zu befürchten, daß sich die Achse Washington–Brüssel–Riad und deren syrische Kostgänger von ihrer Absicht, das Baath-Regime in Damaskus gewaltsam zu stürzen, nicht mehr abbringen lassen wird.

Vor einem direkten militärischen Eingreifen schrecken der Westen und der Golf-Kooperationsrat – noch ist der Emir von Katar ein einsamer Kriegsrufer in der Wüste – aber zurück. Die Risiken werden als zu groß eingeschätzt. Syriens Armee dürfte ungleich kampfstärker sein, als es die libysche war. Auch würde eine ausländische Militärintervention in Syrien den Konflikt auf die ganze Region ausweiten, da die Hisbollah und der Iran wohl kaum unbeteiligte Zuseher bleiben würden. Also dürfte die Aggressionsallianz weiterhin auf einen internen Zermürbungskrieg setzen, der früher oder später das Regime zu Fall bringen soll. Das würde bedeuten, daß die syrische Bevölkerung auch weiterhin den Greueln eines von außen inszenierten Bürgerkrieges ausgesetzt wäre – bis schließlich doch noch ausländische Truppen als »Retter in letzter Not« dafür zu sorgen hätten, »der Gewalt ein Ende zu setzen«.

Einer Gewalt, die längst beendet wäre, hätten die internen und externen Anti-Assad-Kräfte sie nicht stets mit Gewalt zu beenden versucht und einer demokratischen Transformation unter Einbeziehung aller Kräfte zugestimmt, anstatt mit Gewalt einen Regimewechsel erzwingen zu wollen. In seiner skandalösen Rede vor der UNO hat Obama die Beseitigung eines Regimes, das die eigene Bevölkerung hinschlachte, als unabdingbar bezeichnet. Dabei ist es das ultimative Insistieren auf den Regimewechsel, das eine Fortsetzung des Blutbades garantiert. Das System, das aus einem Sturz des Baath-Regimes hervorgehen würde, kann schon deshalb kein demokratisches sein, weil es die gewaltsame Ausschaltung eines großen, wenn nicht des Mehrheitsspektrums der syrischen Gesellschaft zur Voraussetzung hätte. Es wäre so demokratisch wie die Pax Americana, welche Washington über die Region verhängt hat.

* Aus: junge Welt, Freitag, 28. September 2012


Skepsis im Auditorium

Hohe Kunst der Lügen und der Doppelmoral: US-Präsident Barack Obama vor der UN-Vollversammlung

Von Rainer Rupp **


Seinen Auftritt auf der Bühne der UN-Vollversammlung am Dienstag dieser Woche hat US-Präsident Barack Obama »für eine starke Verteidigung von Amerikas Glaube an das Recht der freien Meinungsäußerung« genutzt, wie die New York Times urteilt. Dieses Recht werde er mit allen Mitteln verteidigen, »egal, welch scheußliche und widerwärtige Videos« dabei herauskommen. Auch werde er sich wegen der in Folge des Schmähfilms gegen den Propheten Mohammed aufgeflammten Unruhen nicht davon abbringen lassen, »weiterhin die arabische Demokratiebewegung zu unterstützen«. Pathetisch betonte Obama: »Die Amerikaner haben rund um den Globus dafür gekämpft und mit ihrem Leben bezahlt, um das Recht der Menschen auf freie Meinungsäußerung zu schützen.«

Nachdem der Friedensnobelpreisträger erneut den baldigen Sturz der weltoffenen säkularen syrischen Regierung von Präsident Baschar Al-Assad gefordert hatte, widmete er den größten Teil seiner Rede der selbstlosen Unterstützung Washingtons für die arabische Demokratiebewegung. Tatsächlich aber hat Obama die US-amerikanische Tradition fortgeführt, den Diktaturen in der Region, darunter Saudi-Arabien, Bahrain, Katar und Jemen, den Rücken zu stärken, um die demokratischen Protestbewegungen zu unterdrücken. Dessen ungeachtet tischte der US-Präsident den aus der ganzen Welt angereisten Staatschefs eine Lüge nach der anderen auf. Selbst die New York Times sah sich gezwungen einzuräumen, daß Obama vor einem »wiederholt skeptischen Auditorium« sprach.

Obama erklärte etwa, Amerika sei »von den tunesischen Protesten, die einen Diktator stürzten, inspiriert gewesen, weil wir unsere eigenen Überzeugungen in den Hoffnungen der Männer und Frauen, die auf die Straße gingen, wiedererkannt haben«. Bequemerweise ließ er die Tatsache, daß Washington bis zuletzt das Regime des tunesischen Machthabers Ben Ali gestützt hat, im großen Gedächtnisloch verschwinden.

»Wir bestanden auf Veränderung in Ägypten«, behauptete Obama weiter. Daß das diktatorische Regime von Hosni Mubarak ein enger Verbündeter der USA war, das über Jahrzehnte für Dutzende Milliarden Dollar Waffen und andere Mittel zur Unterdrückung der Bevölkerung bekommen hatte, war von Obama kurzerhand vergessen worden. Die Behauptung, er habe auf Veränderungen in Ägypten bestanden, ist eine unverschämt-freche Lüge. Das Gegenteil war der Fall. Die USA haben Mubarak bis zum Ende zu stützen versucht. Als klar wurde, daß der Diktator sich nicht mehr halten konnte, stellten sich die USA hinter dessen Stellvertreter, um diesen an die Macht zu hieven. Als auch das nicht klappte, unterstützte Washington die ägyptische Militärjunta bei den Versuchen, die Protestbewegung zu unterdrücken und demokratische Reformen zu unterlaufen.

»Wir haben einen Führungswechsel im Jemen unterstützt«, log Obama weiter, »weil der korrupte Status quo den Interessen der Menschen nicht länger diente.« Erneut täuschte der US-Präsident über die Tatsache hinweg, daß der scheidende Diktator Ali Abdullah Saleh ein treuer Vasall Washingtons war, der über 40 Jahre mit Dollar und Waffen gestützt wurde. Und der fadenscheinige Führungswechsel, den die USA jetzt im Jemen unterstützen, wird den »korrupten Status quo« keineswegs beseitigen.

Schließlich widmete sich der US-Präsident in seiner von Doppelmoral triefenden Rede den Anschlägen auf das Konsulat im libyschen Bengasi. Vier US-Amerikaner, darunter Botschafter Christopher Stevens, waren dabei am 11. September getötet worden. »Es gibt keine Worte, die das Töten von Unschuldigen entschuldigen könnten. Es gibt kein Video, das einen Angriff auf eine Botschaft rechtfertigt. Es gibt keine Verleumdungen, die die Brandschatzung eines Restaurants im Libanon oder die Zerstörung einer Schule in Tunis oder Tod und Verwüstung in Pakistan entschuldigen könnte«, so Obama. Mit »Tod und Verwüstung in Pakistan« meinte er die antiamerikanischen Ausschreitungen dort, keineswegs das von US-Drohnen gebrachte Leid.

Zu guter Letzt machte Obama, wie von US-Vertretern bei solchen Gelegenheiten üblich, die »amerikanischen Werte« zu »universellen Werten«. Nicht wenige Vertreter der fast 200 UN-Mitgliedsstaaten dürften bei »amerikanischen Werten« an die Rechtfertigung und Anwendung von Folter, an die Führung von unprovozierten Angriffskriegen, an die vom US-Präsidenten persönlich abgesegneten Todeslisten denken

** Aus: junge Welt, Freitag, 28. September 2012


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