Kofi Annans Reform holpert
Durchwachsende Bilanz des scheidenden UN-Generalsekretärs
Von Hans Voß *
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat am Wochenende den südkoreanischen
Außenminister Ban Ki Moon zum neuen UN-Generalsekretär bestimmt. Er hat angekündigt, die
Reformbemühungen seines Vorgängers Kofi Annan fortzusetzen.
Ende des Jahres läuft die Amtszeit von UN-Generalsekretär Kofi Annan aus. Er hat der
gegenwärtigen Generalversammlung einen Bericht zum Zustand der Vereinten Nationen vorgelegt.
Dabei verzichtet Annan darauf, die Erschütterungen aufzulisten, denen die Weltorganisation
ausgesetzt war. Nur zu gut ist bekannt, in welche Lage die USA die UNO mit ihrem Versuch
gebracht hat, sie den eigenen imperialen Plänen zu unterwerfen. Annan bemüht sich vor allem
darzustellen, wie weit der Reformprozess der Vereinten Nationen gediehen ist, den er selbst intensiv
vorangetrieben hat.
Nach vielen gescheiterten Anläufen seiner Vorgänger unternahm der Generalsekretär einen
ernsthaften Versuch, die friedensfördernde Rolle der UNO und ihren demokratischen Charakter zu
stärken. Eine unabhängige Expertenkommission erarbeitete in seinem Auftrag Ende 2004 ein
umfassendes Reformpaket. Kofi Annan präsentierte im Frühjahr 2005 auf der Grundlage dieses
Papiers eigene Vorstellungen. Schließlich war auch das Abschlussdokument des Gipfeltreffens im
September 2005 hauptsächlich diesem Thema gewidmet. Zugleich begann in der UNGeneralversammlung
eine intensive Aussprache über einzelne Aspekte der Reform, vor allem über
die Demokratisierung des Sicherheitsrates.
Kofi Annans Bilanz fällt ernüchternd aus. Sicher, einige Vorhaben sind im Begriff, verwirklicht zu
werden. Wichtiges aber steht noch aus. Auf der Habenseite ist zunächst die Bildung der
»Kommission über den Friedensaufbau« zu verbuchen, die Staaten bei der Überwindung der Folgen
von Kriegen und Bürgerkriegen helfen soll. Die UNO verfügt damit erstmalig über ein Instrument,
das sich der Konfliktnachsorge widmen soll. Noch fällt es allerdings schwer, die Nützlichkeit der
Kommission zu bewerten. Kofi Annan vermerkt kritisch, dass die Kommission »erst langsam in Gang
gekommen ist«. Nur in zwei Fällen, Burundi und Sierra Leone, haben Regierungen um
Unterstützung nachgesucht.
Auf die Habenseite ist des Weiteren die Bildung eines neuen Organs für die Einhaltung der
Menschenrechte einzuordnen. An die Stelle der viel gescholtenen Menschenrechtskommission, die
sich in fruchtlose Grabenkämpfe verstrickt hatte, trat der UNO-Menschenrechtsrat, der sich nicht nur
durch seinen Namen von seiner Vorgängerin unterscheidet. Der Rat ist mit erheblich erweiterten
Vollmachten ausgestattet. Aber bereits seine ersten Beratungen im Sommer dieses Jahres zeigen,
dass das Gremium Gefahr läuft, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Als eine Mehrheit der
Mitglieder eine Verurteilung der israelischen Angriffe auf Libanon forderte, ergab sich eine ähnliche
Frontenbildung wie in früheren Zeiten.
Kritisch vermerkt Annan, dass es weiterhin nicht gelungen sei, eine verbindliche Definition des
Begriffes »Terrorismus« zu vereinbaren. Auch verhallte der Appell an die säumigen Mitgliedstaaten
ungehört, endlich den vorliegenden 13 Konventionen und Abmachungen zur Verurteilung einzelner
Aspekte des Terrorismus beizutreten. Es sind interessanterweise gerade die USA, die jegliche
Fortschritte verhindern. Sie wollen sich in ihrem viel beschworenen Kampf gegen den internationalen
Terrorismus offensichtlich nicht internationalen Auflagen unterwerfen.
In seinem Bericht bemängelt Kofi Annan zudem, dass die multilateralen Verhandlungen im Bereich
der Abrüstung völlig festgefahren seien. Es wächst die Gefahr der Weiterverbreitung von
Kernwaffen, auch an nichtstaatliche Akteure. Der Missbrauch biologischer Waffen durch solche
Akteure stellt nach seiner Meinung gegenwärtig eine der schwersten Bedrohungen für den
Weltfrieden dar.
Bei der Bewertung der Wirksamkeit der Hauptorgane der Vereinten Nationen glaubt der
Generalsekretär, dass die Generalversammlung dabei sei, ihre Arbeit zu straffen. Die
Tagesordnungen seien gekürzt und von zweitrangigen Problemen befreit worden. Die
herausgehobene Stellung des Sicherheitsrates bleibe bestehen. Seine alleinige Verantwortung für
die Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit in der Welt werde bestätigt. Nur er sei berechtigt,
im Falle akuter Bedrohungen zu handeln und Maßnahmen zur Aufrechterhaltung und
Wiederherstellung des Friedens zu ergreifen. Kofi Annan versäumt es erneut nicht, an die der
Generalversammlung vorliegenden Vorschläge zur Erweiterung des Rates durch ständige und
nichtständige Mitglieder zu erinnern. Bereits im September 2005 sollten entsprechende Vorschläge
vorliegen. Doch bisher ist nichts geschehen. Die Gegner jeder Veränderung setzen wohl darauf, das
Vorhaben stillschweigend in der Versenkung verschwinden zu lassen.
Dem Nachfolger Kofi Annans bleibt also noch viel zu tun. Zu dieser Erkenntnis kommt man auch,
wenn man die zu Ende gehende Debatte in der Generalversammlung betrachtet. Die vorliegenden
Reformvorschläge spielten da so gut wie keine Rolle.
* Aus: Neues Deutschland, 16. Oktober 2006
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