UN-Resolution zum Anti-IS-Kampf
USA: Anwerbung verhindern / Von der Leyen in Nordirak *
Wenige Stunden nach dem Eintreffen deutscher Waffenlieferungen in Nordirak ist Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen dort eingetroffen. In der Hauptstadt der kurdischen Autonomiegebiete will sie mit Präsident Massud Barsani über die deutsche Hilfe im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sprechen. Auf dem Programm stand auch die Besichtigung der Ausbildungseinrichtung.
Im Kampf gegen Terrormilizen wie IS haben die Vereinten Nationen ihre Mitglieder zu schärferen Grenzkontrollen und Überprüfungen verpflichtet. Eine entsprechende
Resolution verabschiedete der UN-Sicherheitsrat am Mittwoch in New York einstimmig. Die Resolution verpflichtet alle UN-Staaten, Rekrutierung, Transport, Durchreise, Organisierung und Ausrüstung von Terroristen zu unterbinden und zu bekämpfen. Im Kern sollten Staaten alles unternehmen, damit Extremisten nicht in die Krisengebiete im Nahen Osten reisen können.
»Die Taktik der Terroristen ist nicht neu. Neu ist, dass ausländische Kämpfer in die Krisenregionen strömen«, sagte US-Präsident Barack Obama, der der Ratssitzung vorsaß. »Mehr als 15 000 Terroristen aus gut 80 Ländern sind nach Syrien gekommen.« Diese Kämpfer seien eine enorme Gefahr für die Menschen der Region. »Und sie könnten zurückkehren in ihre Heimatländer und da Anschläge verüben.«
»Diese Gruppen nehmen die Religion in Geiselhaft. Sie repräsentieren nicht den Islam«, sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Gerade in Syrien sei eine »kreative politische Lösung« nötig. »Die stärkste Waffen gegen Terroristen sind nicht Raketen, sondern politische Lösungen, sind Jobs und Sozialprogramme.«
Es gibt auch Kritik an der Resolution. Das Papier sei ungenau und rechtfertige die Überprüfung oder gar Verfolgung unschuldiger Menschen. Zudem könnten die geforderten Vorschriften mit nationalen Bestimmungen kollidieren. Einem Deutschen kann zum Beispiel kaum verboten werden, das Land zu verlassen. Auch die Rückkehr ist praktisch nicht zu unterbinden. Experten sehen aber keine Probleme mit dem Schengen-Abkommen.
* Aus: neues deutschland, Freitag 26. September 2014
Repression gegen Terror
UN-Sicherheitsrat verabschiedet einstimmig bindende Anti-Extremismus-Resolution. Kritiker befürchten Freiheitsverlust. Auch Staaten drohen Strafmaßnahmen
Von Christian Selz **
Der UN-Sicherheitsrat in New York hat am Mittwoch (Ortszeit) eine
Resolution gegen »gewalttätigen Extremismus« verabschiedet. Das Gremium, das aus fünf ständigen und zehn nichtständigen Mitgliedsstaaten besteht, wandte sich darin einstimmig gegen »Terrorismus, sektiererische Gewalt und das Begehen terroristischer Akte durch ausländische terroristische Kämpfer«. Begründet wurde der Schritt hauptsächlich mit dem Erstarken islamistischer Milizen wie der Organisation »Islamischer Staat« (IS). Frankreichs Präsident François Hollande verwies auf die Ermordung des französischen Touristen Hervé Gourdel, den mit dem IS verbundene Aufständische der Gruppe »Soldaten des Kalifats« zu Wochenbeginn in Algerien getötet hatten. »Kein Land«, so der französische Staatschef, sei »vor dieser Bedrohung sicher«. Doch vor dem Hintergrund des brutalen Terrors sucht der UN-Sicherheitsrat nicht etwa nach Lösungen, sondern propagiert weltweite Repression.
Verhindern will das Gremium dem Resolutionstext zufolge vor allem, daß Terroristen sich über Landesgrenzen hinweg Gruppierungen wie dem IS anschließen. Besonders in den USA, aber auch in westlichen Staaten wie Deutschland und Großbritannien argumentieren Regierungspolitiker zudem mit der Gefahr, die von Rückkehrern drohe, die Anschläge in ihren Herkunftsländern planen könnten. Entsprechend fordert der UN-Sicherheitsrat nun striktere Grenzkontrollen, die Weiterleitung ausführlicher Passagierdaten durch die Airlines an die Sicherheitskräfte interessierter Staaten sowie die Bestrafung von Menschen, die sich zu Einsätzen oder Trainingsaufenthalten ins Ausland begeben wollten.
Da die Resolution für die UN-Mitgliedsstaaten bindend ist, sind diese nun aufgerufen, ihre nationalen Gesetze entsprechend anzupassen. Das dürfte jedoch zu massiven Freiheitseinschränkungen aufgrund bloßer Vermutungen führen. »Im Kampf gegen die IS-Terroristen sind neue Gesetze wenig hilfreich«, wies beispielsweise die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, am Donnerstag entsprechende Forderungen der CDU zurück. Die seit Jahren verschärften Sicherheitsgesetze hätten »die Grenze zur Verfassungswidrigkeit« teils »deutlich überschritten« und führten »nicht zu mehr Sicherheit, sondern zu weniger Freiheit«, so Jelpke. Selbst die regierungsnahe US-amerikanische Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisierte die von Washington eingebrachte Resolution, da sie »nichts tue, um zu verhindern, daß Regierungen mißbräuchliche Antiterrormaßnahmen durchführten«.
Der Sicherheitsrat hat ein zweischneidiges Schwert geschaffen. Während er weltweit Maßnahmen gegen den Terrorismus »fordert«, werden die Mitgliedsstaaten zu »auf Beweisen basierenden Risikoeinschätzungen« – anstelle von auf »Stereotypen und Diskriminierung« aufbauenden Profilen von Verdächtigen – lediglich »ermutigt«. Neben dem offensichtlichen Demokratieabbau und der potentiellen Drangsalierung politischer Gegner droht mit der Umsetzung der Resolution zudem die Bestrafung von Staaten, die eine effektive Verfolgung von Terroristen aus eigener Kraft nicht leisten – oder nicht leisten können. In Syrien schafft das US-Militär in dieser Hinsicht ohnehin bereits Tatsachen. Spätestens an der Frage der Konsequenzen dürfte die scheinbare Koalition der Einigen im Sicherheitsrat – auch China und Rußland stimmten für die Resolution – so über kurz oder lang wieder zerbrechen.
** Aus: junge Welt, Freitag 26. September 2014
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