Zehn Millionen auf den Kopf Hafiz Saeeds
USA nehmen den pakistanischen Islamisten ins Visier
Von Hilmar König *
Die Regierung der USA hat zehn Millionen
Dollar als Prämie für die Ergreifung
des pakistanischen Islamisten
Hafiz Saeed ausgesetzt. Saeed ist
der Gründer der militanten Organisation
Lashkar-e-Taiba (LeT), die in den
USA als terroristische Vereinigung auf
dem Index steht und auch in Pakistan
seit Januar 2002 verboten ist.
Washington begründet das hohe
Kopfgeld damit, dass Saeed in
Terroranschläge verwickelt sei.
Indien verlangt bereits seit Langem
seine Auslieferung, weil er als
Hauptverantwortlicher für die
tödlichen Attacken in Mumbai im
November 2008 gilt. Dem von pakistanischen
Hintermännern organisierten
Kommandounternehmen
von zehn Banditen fielen damals
166 Menschen zum Opfer.
Saeed soll auch hinter einem Angriff
auf das indische Parlament im
Jahre 2001 stehen.
Hafiz Saeed hatte die LeT (»Armee
der Reinen«) in den 90er Jahren
als Speerspitze zur Unterstützung
von Rebellen im indischen
Teil Kaschmirs gegründet. Die
Gruppe unterhielt im pakistanischen
Teil Kaschmirs Ausbildungslager
und schleuste auch eigene
Leute über die Grenze nach
Indien. Als ihren Auftrag gab sie
an, einen Heiligen Krieg zur Befreiung
aller indischen Muslime zu
führen. Deshalb beschränkte sie
ihre bewaffneten Aktionen nicht
auf das indische Jammu und
Kaschmir.
Nachdem Lashkar-e-Taiba in
Pakistan für illegal erklärt worden
war, wirkte sie unter Saeeds Zepter
in neuem Gewand als Wohltätigkeitsorganisation
Jamaat-ud-Dawa mit einem landesweit verzweigten
Netz. Trotz aller Dementis
blieb auch an ihr der Ruf haften,
eine terroristische Vereinigung zu
sein oder zumindest mit Terroristen
zu kooperieren.
Hafiz Muhammad Saeed besitzt
ein Masterdiplom für islamische
Studien, lehrte an der Universität
Lahore und hielt sich längere Zeit
in Saudi-Arabien auf. Dort war er
Schüler von Sheikh bin Baz, bei
dem auch Osama bin Laden in die
Lehre ging. Offiziell stellten die pakistanischen
Behörden Saeed nach
den Anschlägen von Mumbai unter
Hausarrest. Doch tritt er unbehelligt
auf Kundgebungen und in
Talkshows auf. Im Dezember 2011
organisierte er eine der größten
Demonstrationen in der Geschichte
des Landes. Der Protest richtete
sich gegen die NATO und die USA,
deren Militär kurz zuvor im pakistanisch-
afghanischen Grenzgebiet
24 pakistanische Soldaten bei
Luftangriffen getötet hatte.
Zu dem Kopfgeld – auch für das
Ergreifen seines Stellvertreters
Abdulk Rahman Makki wurde eine
Prämie von zwei Millionen Dollar
ausgesetzt – sagte Saeed selbst:
»Die USA versuchen, sich bei Indien
mit billigen Strategien anzubiedern.
Sie sollten sofort den
Subkontinent verlassen.«
Die indische Regierung reagierte
mit Genugtuung auf die
Initiative Washingtons. Ein Sprecher
des Außenministeriums erklärte,
dass man gemeinsam gegen
den Terrorismus vorgehe, sei eine
»starke Botschaft an die LeT, ihre
Mitglieder und ihre Schutzherren
«. Spannend wird sein, ob der
indische Regierungschef Manmohan
Singh dieses Thema zur Sprache
bringt, wenn er den pakistanischen
Präsidenten Asif Ali Zardari
am Ostersonntag in Delhi zum
Mittagessen empfängt.
Das ohnehin gespannte Verhältnis
zwischen den USA und Pakistan
wird zweifellos einer weiteren
Belastungsprobe ausgesetzt. In
Pakistan herrscht eine antiamerikanische
Stimmung, nachdem USamerikanische
Drohnen wiederholt
schweren Schaden auf pakistanischem
Gebiet angerichtet und
Todesfälle unter Zivilisten verursacht
haben. Die USA verdächtigen
Islamabads Geheimdienst ISI
nicht erst seit der Tötung Osama
bin Ladens im Mai vorigen Jahres,
mit Organisationen vom Schlage
der LeT, mit den Taliban und mit
Al Qaida zu kollaborieren. Auf den
Überfall auf die beiden Grenzposten
im November 2011 reagierte
die pakistanische Regierung mit
der Schließung der Nachschubwege
für NATO- und US-Militärtransporte
nach Afghanistan. Das
traf das Pentagon empfindlich. Die
Auslobung von Kopfprämien ist
eine unmissverständliche Kritik an
der pakistanischen Führung, die
aus Sicht der USA nicht genug im
Kampf gegen den Terrorismus tut.
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 4. April 2012
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