Fragwürdige Terrorbasis in Lateinamerika
Hisbollah und Iran sollen nach unbewiesenen Angaben der USA Operationsbasen errichtet haben
Von Alfred Hackensberger *
In den USA wird immer wieder vor islamistischen Terroristen in Lateinamerika gewarnt, die von Iran
und der Hisbollah gesponsert werden sollen. Vor allem das Dreiländereck von Paraguay,
Argentinien und Brasilien sei eine Hochburg arabischer Fundamentalisten. Beweise dafür gibt es
nicht.
Mitte Januar warnte US-Admiral James Stavridis bei einem Vortrag im Zentrum für strategische und
internationale Studien in Washington: »Die Verbindung von Narko-Terrorismus und islamischradikalem
Terror« löse bei ihm große Befürchtungen aus. Hauptverantwortlich für diese Entwicklung
sei Iran. Als Beweis zeigte der Admiral Fotos von Irans Präsidenten Mahmud Ahmadineschad mit
Amtskollegen Evo Morales aus Bolivien, Hugo Chavez aus Venezuela und Rafael Correa aus
Ecuador. Der iranische Präsident sei ein sehr gefährlicher Mann, führte der Militär aus.
In die gleiche Richtung gehen Versuche der USA-Regierung, aus Ermittlungen zu den Anschlägen in
Buenos Aires 1994 propagandistisches Kapital zu schlagen. Vor 14 Jahren waren bei einem Attentat
auf das jüdische Gemeindezentrum AMIA 85 Menschen getötet worden. Die USA-Behörden und
Israel machen dafür Iran und die libanesische Hisbollah verantwortlich. Stichhaltige Beweise für
deren Täterschaft konnten jedoch bisher nicht vorgebracht werden. Genauso wenig wie für Admiral
Stavridis' These von der islamistischen Unterwanderung Lateinamerikas, die trotzdem, besonders in
USA-Medien, seit Jahren kolportiert wird.
Bevorzugte Operationsbasis der Terroristen soll das Dreiländereck von Paraguay, Argentinien und
Brasilien sein, in dem gerade mal etwa 25 000 Immigranten aus arabischen Staaten leben.
Terrorzentrum sei die paraguayische Stadt Ciudad de Este, in der sich militante Muslime, potenzielle
Selbstmordattentäter, dazu Geldwäscher und Schmuggler tummeln, die ihre Millionenerlöse an
Terrorgruppen in den Orient schicken. Ähnliches behauptet sogar ein offizieller Kommissionsbericht
der Bibliothek des USA-Kongresses für die Regierung in Washington, wobei jedoch hauptsächlich
aus Pressequellen zitiert wird statt aus Gerichts-, Polizei- oder Geheimdienstunterlagen.
Belege für eine islamistische Infiltration haben Seltenheitswert. Das mussten die beiden Journalisten
April Howard und Benjamin Dangl feststellen, als sie im Herbst 2007 in Ciudad de Este
recherchierten. Sie sprachen mit Politikern, Privat- und Geschäftsleuten, arabischen und
nichtarabischen Ursprungs. Niemand wusste etwas von Hisbollah-Trainingcamps, islamistischer
Indoktrination, Terroraktivitäten oder der Sammlung von Spendengeldern. Der Presseattaché des
Gouverneurs meinte, sie seien die ersten ausländischen Journalisten, die je mit ihm gesprochen
hätten.
Ohne Zweifel ist die Region, an deren Grenzen keine Pässe und keine Fracht kontrolliert werden,
ein Dorado für Schmuggel aller Art und natürlich auch für Geldwäsche. Natürlich schicken Libanesen
oder andere Araber jeden Monat Geld in ihre Heimatländer, um ihre dortigen Familien zu
unterstützen. Schiiten aus Libanon werden sich auch an ihre von der Religion vorgeschriebene
Spendenpflicht halten und an Wohltätigkeitsorganisationen, die möglicherweise zur Hisbollah
gehören, kleinere wie größere Beträge überweisen. Daraus jedoch eine millionenschwere
Terrorfinanzierung zu machen, erscheint übertrieben.
Zudem sollen nicht nur Hisbollah, sondern diverse weitere radikale Gruppen, darunter Hamas,
Islamischer Dschihad und Al Qaida, in diesem Gebiet tätig sein. Etwas viel für die 25 000 hier
ansässigen arabischen Immigranten, die außerdem nicht alle Muslime, sondern auch Christen sind.
Millionensummen fließen beim Drogenhandel, der in der Tat von Südamerika direkt in die Bekaa-
Ebene Libanons führt. Nach dem Ende des libanesischen Bürgerkriegs (1975-1990) wurde der
Opium- und Marihuanaanbau fast völlig unterbunden. Die Drogenmafia importiert seitdem Heroin
aus der Türkei oder Afghanistan und Kokain aus Südamerika, die in arabische Länder sowie nach
Südeuropa exportiert werden. Ungeklärt bleibt, wie groß der Anteil des gesamten
südamerikanischen Drogenhandels nach Libanon tatsächlich ist. Schließlich leben in Südamerika
weit über 10 Millionen Libanesen.
* Aus: Neues Deutschland, 27. Februar 2008
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