Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Fragwürdige Terrorbasis in Lateinamerika

Hisbollah und Iran sollen nach unbewiesenen Angaben der USA Operationsbasen errichtet haben

Von Alfred Hackensberger *

In den USA wird immer wieder vor islamistischen Terroristen in Lateinamerika gewarnt, die von Iran und der Hisbollah gesponsert werden sollen. Vor allem das Dreiländereck von Paraguay, Argentinien und Brasilien sei eine Hochburg arabischer Fundamentalisten. Beweise dafür gibt es nicht.

Mitte Januar warnte US-Admiral James Stavridis bei einem Vortrag im Zentrum für strategische und internationale Studien in Washington: »Die Verbindung von Narko-Terrorismus und islamischradikalem Terror« löse bei ihm große Befürchtungen aus. Hauptverantwortlich für diese Entwicklung sei Iran. Als Beweis zeigte der Admiral Fotos von Irans Präsidenten Mahmud Ahmadineschad mit Amtskollegen Evo Morales aus Bolivien, Hugo Chavez aus Venezuela und Rafael Correa aus Ecuador. Der iranische Präsident sei ein sehr gefährlicher Mann, führte der Militär aus.

In die gleiche Richtung gehen Versuche der USA-Regierung, aus Ermittlungen zu den Anschlägen in Buenos Aires 1994 propagandistisches Kapital zu schlagen. Vor 14 Jahren waren bei einem Attentat auf das jüdische Gemeindezentrum AMIA 85 Menschen getötet worden. Die USA-Behörden und Israel machen dafür Iran und die libanesische Hisbollah verantwortlich. Stichhaltige Beweise für deren Täterschaft konnten jedoch bisher nicht vorgebracht werden. Genauso wenig wie für Admiral Stavridis' These von der islamistischen Unterwanderung Lateinamerikas, die trotzdem, besonders in USA-Medien, seit Jahren kolportiert wird.

Bevorzugte Operationsbasis der Terroristen soll das Dreiländereck von Paraguay, Argentinien und Brasilien sein, in dem gerade mal etwa 25 000 Immigranten aus arabischen Staaten leben.

Terrorzentrum sei die paraguayische Stadt Ciudad de Este, in der sich militante Muslime, potenzielle Selbstmordattentäter, dazu Geldwäscher und Schmuggler tummeln, die ihre Millionenerlöse an Terrorgruppen in den Orient schicken. Ähnliches behauptet sogar ein offizieller Kommissionsbericht der Bibliothek des USA-Kongresses für die Regierung in Washington, wobei jedoch hauptsächlich aus Pressequellen zitiert wird statt aus Gerichts-, Polizei- oder Geheimdienstunterlagen.

Belege für eine islamistische Infiltration haben Seltenheitswert. Das mussten die beiden Journalisten April Howard und Benjamin Dangl feststellen, als sie im Herbst 2007 in Ciudad de Este recherchierten. Sie sprachen mit Politikern, Privat- und Geschäftsleuten, arabischen und nichtarabischen Ursprungs. Niemand wusste etwas von Hisbollah-Trainingcamps, islamistischer Indoktrination, Terroraktivitäten oder der Sammlung von Spendengeldern. Der Presseattaché des Gouverneurs meinte, sie seien die ersten ausländischen Journalisten, die je mit ihm gesprochen hätten.

Ohne Zweifel ist die Region, an deren Grenzen keine Pässe und keine Fracht kontrolliert werden, ein Dorado für Schmuggel aller Art und natürlich auch für Geldwäsche. Natürlich schicken Libanesen oder andere Araber jeden Monat Geld in ihre Heimatländer, um ihre dortigen Familien zu unterstützen. Schiiten aus Libanon werden sich auch an ihre von der Religion vorgeschriebene Spendenpflicht halten und an Wohltätigkeitsorganisationen, die möglicherweise zur Hisbollah gehören, kleinere wie größere Beträge überweisen. Daraus jedoch eine millionenschwere Terrorfinanzierung zu machen, erscheint übertrieben.

Zudem sollen nicht nur Hisbollah, sondern diverse weitere radikale Gruppen, darunter Hamas, Islamischer Dschihad und Al Qaida, in diesem Gebiet tätig sein. Etwas viel für die 25 000 hier ansässigen arabischen Immigranten, die außerdem nicht alle Muslime, sondern auch Christen sind.

Millionensummen fließen beim Drogenhandel, der in der Tat von Südamerika direkt in die Bekaa- Ebene Libanons führt. Nach dem Ende des libanesischen Bürgerkriegs (1975-1990) wurde der Opium- und Marihuanaanbau fast völlig unterbunden. Die Drogenmafia importiert seitdem Heroin aus der Türkei oder Afghanistan und Kokain aus Südamerika, die in arabische Länder sowie nach Südeuropa exportiert werden. Ungeklärt bleibt, wie groß der Anteil des gesamten südamerikanischen Drogenhandels nach Libanon tatsächlich ist. Schließlich leben in Südamerika weit über 10 Millionen Libanesen.

* Aus: Neues Deutschland, 27. Februar 2008


Zurück zur "Terrorismus"-Seite

Zur Lateinamerika-Seite

Zurück zur Homepage