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Neuer Hauptfeind

Im "Krieg gegen den Terror" warnen einflußreiche US-Politiker nunmehr vor der pakistanischen Organisation Laschkar-e-Taiba. "Mindestens ebenso gefährlich wie Al-Qaida."

Von Knut Mellenthin *

Einflußreiche Kreise der USA bereiten die Ersetzung von Al-Qaida durch einen neuen »Weltfeind Nr. 1« vor. Gleichzeitig verstärken sie ihren Druck auf Regierung und Militär Pakistans, den bisher hauptsächlich im Nordwesten geführten Bürgerkrieg auf das ganze Land auszuweiten. Am Donnerstag (11. März) fand in einem Unterkomitee des Außenpolitischen Ausschusses des Abgeordnetenhauses ein Hearing über die pakistanische Organisation Laschkar-e-Taiba (LET) statt. Es handelte sich dabei, wie so oft bei den Anhörungen dieses Ausschusses, um eine reine Propagandaveranstaltung, über die bestimmte Sichtweisen und Ziele in die Medien transportiert werden sollen. Als Referenten waren ausschließlich Vertreter rechter Think-tanks eingeladen, darunter von der Heritage Foundation. Sie steht den Neokonservativen nahe und spielte schon bei der propagandistischen Vorbereitung der Kriege in Afghanistan und im Irak eine maßgebliche Rolle.

Die geladenen Gäste und der Vorsitzende des Unterausschusses für den Nahen Osten und Südasien, der Demokrat Gary L. Ackerman, waren sich in der Darstellung der Lage weitgehend einig: Laschkar-e-Taiba sei heute schon »mindestens ebenso gefährlich wie Al-Qaida«. Die in Pakistan seit 2001 verbotene islamische Organisation werde vom pakistanischen Militär und vom Geheimdienst ISI geschont, toleriert und unterstützt. Daher müsse der Druck auf Pakistan, mit allen Mitteln gegen die LET vorzugehen, verstärkt werden. Sollten die Staatsorgane dazu nicht bereit sein, müßten die USA selbst eingreifen.

Ackerman richtete in seiner Eröffnungsansprache heftige Angriffe gegen die pakistanischen Streitkräfte. Gleichzeitig kritisierte er mit sarkastischen Seitenhieben – »Das sind unsere Verbündeten im Krieg gegen den Terror« – auch die Regierung von Barack Obama wegen der Fortsetzung der Militär- und Finanzhilfe für Pakistan. Die LET müsse »zerschmettert« werden – »nicht in einem Monat, nicht in einem Jahr«, sondern »heute und an jedem kommenden Tag«. Besonders scharf wetterte Ackerman gegen die karitativen islamischen Verbände, die er pauschal als Tarnorganisationen der LET hinstellte. Gleichzeitig bescheinigte er ihnen, sie würden »für Millionen verarmter Menschen extrem nützliche wohltätige und soziale Dienste leisten« – eine Aussage, die anscheinend die Gefährlichkeit der Organisation unterstreichen sollte. Ackerman sprach in diesem Zusammenhang von rund 2000 »Büros« der LET in Städten und Dörfern überall in Pakistan. Diese gelte es aufzulösen.

Einige Tage zuvor war im Magazin Newsweek ein ungewöhnlich langer Artikel »The Next Al Qaeda?« erschienen, der genau auf das Hearing abgestimmt war. Unbewiesene Kernbehauptung war, daß die bisher nur in Pakistan und gelegentlich in Indien aktive LET sich anschicke, weltweit Terroranschläge zu verüben. Schon jetzt sei die LET weitaus gefährlicher als die stark geschwächte Al-Qaida, mit der sie im übrigen zusammenarbeite.

Das Trommelfeuer gegen Laschkar-e-Taiba geschieht vor aktuellem Hintergrund: In der nächsten und übernächsten Woche werden hochrangige pakistanische Gäste in Washington erwartet, die offenbar mit massiven Forderungen nach landesweiten militärischen und repressiven Maßnahmen konfrontiert werden sollen. Als erste werden am 18. März die Chefs der pakistanischen Streitkräfte und des ISI zu Gesprächen eintreffen.

* Aus: junge Welt, 13. März 2010

Pakistan: Erneut schwerer Anschlag

Lahore. Bei einem Anschlag in Pakistan sind am Freitag (12. März) 43 Menschen getötet und fast 100 verletzt worden. Zwei Selbstmordattentäter sprengten sich binnen Sekunden in einem Wohn- und Geschäftsviertel in der Stadt Lahore im Osten des Landes in die Luft, als Militärfahrzeuge vorbeifuhren. Unter den Opfern sind nach Polizeiangaben etwa zehn Soldaten.
Es war bereits der vierte größere Anschlag in Pakistan in dieser Woche. Zuvor war es relativ ruhig. Es gab weniger Anschläge, die zudem zumeist auf entfernte Regionen nahe der afghanischen Grenze beschränkt waren. Zunächst bekannte sich niemand zu dem Attentat. Verdächtigt wurden umgehend die pakistanischen Taliban oder das Terrornetzwerk Al-Qaida. Der Innenminister der Provinz Punjab, in der Lahore liegt, erklärte, die neuerliche Anschlagswelle sei »ein Zeichen der Verzweiflung« der Militanten.

junge Welt, 13. März 2010




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