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Ein Amateurvideo soll Schuld Osama bin Ladens zweifelsfrei beweisen

Dokumentation der wichtigsten Passagen - Über die Echtheit darf gestritten werden

Wir wollen uns an der Debatte über die Authentizität des gefundenen Videobands nicht beteiligen. Vieles ist möglich. Vor allem: Unsere Kritik am militärischen Vorgehen gegen den Terrorismus speiste sich keineswegs nur aus der rechtsstaatlichen Unschuldsvermutung. Selbst wenn zweifelsfrei feststehen würde, dass Osama bin Laden der Drahtzieher der Attentate vom 11. September ist (und möglich ist es ja), darf man die Suche nach ihm nicht mit einem Krieg gegen ein ganzes Land bewerkstelligen. Das gefundene Video wird noch einige Zeit öffentlicher Gesprächsstoff sein. Deshalb sollte man sich der darin wiedergegebenen Äußerungen des Hauptverdächtigen vergewissern können.
Vorab dokumentieren wir einen Auszug aus einem sehr kritischen Beitrag aus New York über die Rezeption des Videos in den USA. Der Artikel stammt aus der feder von Max Böhnel und wurde am 15. Dezember 2001 im Neuen Deutschland veröffentlicht.


Terror: Vom Pentagon direkt in den Äther
Von Max Böhnel, New York

»Bin Laden cornered«, ein in die Ecke getriebener Super-Terrorist – mit dieser Nachricht gingen die großen US-amerikanischen Medien in das Wochenende. Die Botschaft trägt einen doppelten Sinn: Osama bin Laden sei nach der Veröffentlichung des weltweit diskutierten Videos endlich zweifelsfrei als Urheber der Terroranschläge ausgemacht. Und gleichzeitig ziehe sich die Schlinge um den Hals des Bösewichts auch in Afghanistan zu.

Das USA-Verteidigungsministerium, das das knapp einstündige Amateurvideo am Donnerstag um 11 Uhr morgens Ortszeit freigegeben hatte, kann die Ausstrahlung als politischen Erfolg verbuchen. Die großen Fernsehsender hatten sich sofort bereit erklärt, das Video direkt aus dem Pentagon in den Äther zu überspielen. Und die Reaktionen sind eindeutig: Osama bin Laden, vor allem sein Lachen über die Opfer vom 11. September, gelten in der Öffentlichkeit als letzter und schlagkräftigster Beweis, dass er das terroristische Superhirn ist.

An den Zeitungskiosken dominierte USA-weit das »Gesicht des Bösen« mit abfotografierten Ausschnitten aus dem Video. Die »New York Times« widmete dem ominösen Abendessen, bei dem sich Osama bin Laden in einer afghanischen Privatwohnung mit einigen Mitstreitern über die »gelungene Operation« freut, gleich vier Farbbilder auf der Titelseite. »USA sagen, es beweist seine Schuld«, heißt es in der Überschrift. Die englische Übersetzung des Gesprächs ist in voller Länge nachzulesen – auch in vielen anderen Zeitungen.

Dennoch wurde auch skeptischen Stimmen Platz eingeräumt. Während die großen arabisch- und muslimisch-amerikanischen Organisationen die Echtheit des Videos nicht bezweifelten und ihre Abscheu über die Erklärungen Bin Ladens ausdrückten, kamen Einzelpersonen zu Wort, die auf Widersprüche hinwiesen: Weshalb ist Bin Laden so ruhig, wenn über ihm USA-Bombenflugzeuge donnern, und weshalb lässt der auf äußerste Sicherheit bedachte Mann ein Video liegen? Die USA-Regierung lieferte nur wenige Hinweise über die Herkunft des Streifens. Er trage das Datum 9. November, sei in einem Privathaus in Jalalabad gefunden und in Kandahar aufgenommen worden, heißt es. Bush-Sprecher Ari Fleischer deutete vorsichtig an, er sei von Nicht-Amerikanern entdeckt worden. Die CIA habe das Video übersetzt, Bush habe es am 30. November gesehen und daraufhin beschlossen, es unter dem Vorbehalt freizugeben, dass keine Geheimdienstquellen diskreditiert würden. Am 7. Dezember habe die CIA bestätigt, das es nicht gefälscht sei und die Übersetzung durch unabhängige Übersetzer empfohlen.

Das Video wird auch eine Schlüsselrolle als Beweismittel vor zivilen und militärischen Gerichten spielen. »Es ist praktisch ein Geständnis«, meinte zum Beispiel Eugene Pepper, ein ehemaliger USA-Justizminister. Das gilt nicht nur für die Verurteilung Osama bin Ladens, sollte er jemals ergriffen werden, vor einem Militärtribunal, sondern auch für andere Al-Qaida-Mitglieder. Von großer Bedeutung werden die Aufnahmen schon Anfang Januar werden, wenn sich in Virginia die Richter mit der Anklage gegen den Franco-Marokkaner Zacarias Moussaoui befassen, der als mutmaßlicher Entführer Nr.20 gilt. Das Video dürfte die Bereitschaft zur Verhängung der Todesstrafe erhöhen.
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Aus: ND, 15.12.2001

DOKUMENTATION

Das Video, über das die Welt spricht
Wortlaut-Auszüge


Ein saudischer Scheich, der bei Osama bin Laden in Kandahar zu Besuch war (er ist noch nicht identifiziert), begann die Unterhaltung: "Du hast uns Waffen gegeben, du hast uns Hoffnung gegeben, und wir danken Allah für dich. Wir wollen nicht viel von deiner Zeit stehlen, aber das ist ein Treffen unter Brüdern. Die Leute unterstützen uns jetzt mehr; sogar die, die uns in der Vergangenheit nicht unterstützt haben, unterstützen uns jetzt mehr. . . . Wir preisen Allah, wir preisen Allah. Wir kommen von Kabul. Wir sind sehr froh über den Besuch. Möge Allah dich segnen, sowohl zu Hause als auch im Camp. Wir baten den Fahrer, uns hierher zu bringen, es war eine Vollmondnacht, Allah sei Dank. Die Älteren und jeder lobt, was du getan hast, die große Tat, die du vollbracht hast, die nur durch die Gnade Allahs möglich war. Das ist die Führung Allahs, und gesegnet sei die Frucht des Dschihad (Heiliger Krieg)."

Osama bin Laden: "Allah sei Dank. Wie wurde es in den Moscheen (in Saudi-Arabien) aufgenommen?"

Scheich: "Ehrlich gesagt, sehr positiv. Scheich Al-Bahrani hielt eine gute Predigt . . . nach dem Abendgebet. Es wurde auf Video aufgenommen, und ich sollte das Band eigentlich mitnehmen, musste jedoch unglücklicherweise überstürzt aufbrechen."

Osama bin Laden: "Am Tag des Ereignisses?"

Scheich: "Genau zu der Zeit des Anschlags in Amerika, genau zu diesem Zeitpunkt. Er (Bahrani) hielt eine sehr beeindruckende Predigt. Allah sei Dank für seinen Segen. Er war der Erste, der über die Kriegszeit schrieb. Ich habe ihn zweimal in Al-Qasim besucht."

Osama bin Laden: "Allah sei Dank."

Scheich: "Das ist es, worum ich Allah gebeten habe. Er (Bahrani) sagte der Jugend: ,Ihr bittet darum, Märtyrer zu werden, und fragt euch, wohin ihr gehen sollt (um Märtyrer zu werden). Allah hat sie angespornt zu gehen ...

Osama bin Laden: "Allah sei Dank."

Scheich: "Seine Position ist wirklich sehr ermutigend. Als ich ihn vor eineinhalb Jahren das erste Mal besuchte, fragte er mich: ,Wie geht es Scheich bin Laden?‘ Er schickt dir seine besonderen Grüße. Was Scheich Sulayman angeht, ist Ulwan besorgt, aber er gab eine wunderbare Fatwa (religiöser Rechtsschluss), möge Allah ihn segnen. Wie durch ein Wunder hörte ich es im Koran-Radio. Es war bemerkenswert, da er (Ulwan) seine Position auf Spiel setzte, die der eines Direktors entspricht. Es wurde Wort für Wort niedergeschrieben. Die Brüder haben sehr genau zugehört. Ich habe es kurz vor dem Mittagsgebet gehört. Er (Ulwan) sagte, dass dies ein Dschihad sei und diese Leute (die Opfer des Anschlags auf das World Trade Center) keine unschuldigen Menschen seien. Er schwor zu Allah. Dies wurde von Scheich Sulayman Al (Umar) überliefert. Allah segne ihn."

Osama bin Laden: "Wie geht es Scheich Al-(Rayan)?"

Scheich: "Ehrlich gesagt, habe ich ihn nicht getroffen. Meine Bewegungsfreiheit ist sehr eingeschränkt."

Osama bin Laden: "Allah segne dich."

Scheich (beschreibt die Reise zu dem Treffen): "Sie haben uns hierher geschmuggelt, und ich dachte, dass wir in verschiedenen Höhlen im Inneren der Berge sein würden. So war ich überrascht über das Gästehaus und wie sauber und gemütlich es ist. Dank Allah haben wir auch erfahren, dass dieser Ort sicher ist durch Allahs Segen. Der Ort ist sauber, und es geht uns sehr gut."

Osama bin Laden: (nicht verständlich) ". . . wenn Leute ein starkes Pferd sehen und ein schwaches, werden sie sich natürlich für das starke entscheiden. Das ist nur ein Ziel. Wer will, dass die Leute dem Gott des Volkes huldigen, ohne der Doktrin zu folgen, wird der Lehre Mohammeds folgen. Friede sei mit ihm. " . . .

Osama bin Laden: "Die Jugendlichen, die die Operation ausgeführt haben, akzeptierten nicht den Kampf im üblichen Sinne, sondern den Kampf, den der Prophet Mohammed forderte. Die Taten dieser jungen Männer in New York und Washington waren wichtiger als alle Reden in der ganzen Welt. Sie wurden sowohl von Arabern als auch von Nicht-Arabern verstanden - sogar von Chinesen. Ich habe gehört, dass in Holland, in einem unserer Zentren, die Zahl der Leute, die zum Islam übertreten wollen, in den Tagen nach der Operation größer waren als in den elf Jahren zuvor. Ich habe im islamischen Radio gehört, dass jemand, der in Amerika eine Schule leitet, erzählte: ,Wir können nicht mit der Nachfrage nach islamischen Büchern Schritt halten.‘ Dieser Anschlag hat die Leute zum Denken gebracht, was dem Islam sehr nützlich ist." . . .

Osama bin Laden: "Wir berechneten die Zahl der Opfer unter den Feinden voraus, wie viele nach der Position der Türme getötet würden. Wir kalkulierten, dass die Zahl der Stockwerke, die getroffen würden, drei oder vier sein würden. Ich war der Optimistischste von allen. Dank meiner Erfahrungen auf diesem Gebiet ging ich davon aus, dass das Feuer nach der Explosion des Flugzeugtreibstoffes die Stahlkonstruktion des Gebäudes schmelzen und die Türme an der Einschlagstelle und oberhalb zum Einsturz bringen würde. Das war alles, was wir erhofft hatten."

Scheich: "Allah sei gepriesen."

Osama bin Laden: "Wir waren in (nicht verständlich), als die Aktion stattfand. Wir hatten Hinweise darauf seit dem vorangegangenen Donnerstag, dass es an diesem Tag stattfinden würde. Wir hatten an diesem Tag unsere Arbeit beendet und das Radio angeschaltet. Es war 17.30 Uhr unserer Zeit. Ich saß mit Dr. Achmad Abu-el (Kahir) zusammen. Sofort hörten wir die Nachricht, dass ein Flugzeug in das World Trade Center gestürzt sei. Wir wechselten den Sender zu den Nachrichten aus Washington. Die Nachrichten liefen, und der Anschlag wurde bis zum Schluss nicht erwähnt. Am Ende der Sendung meldeten sie dann, dass gerade ein Flugzeug in das World Trade Center gestürzt sei. Wenig später meldeten sie, dass ein weiteres Flugzeug in das World Trade Center geflogen sei. Die Brüder, die die Nachricht hörten, waren außer sich vor Freude."

Scheich: "Das ist ein großer Sieg. Allah hat uns die Ehre zuteil werden lassen, und er wird uns Segen schenken und noch mehr Siege während dieses heiligen Monats Ramadan. Und darauf hoffen wir alle. Dank Allah ist Amerika zusammengebrochen. Wir haben ihm den ersten Schlag beigebracht, und der nächste wird von den Händen Gläubiger, guter Gläubiger, starker Gläubiger, ausgehen. Bei Allah, das ist wirklich ein großes Werk."

Sulayman (Abu Guaith): "Ich saß mit dem Scheich in einem Zimmer, als die große Sache passierte. Ich ging in einen Nebenraum mit einem Fernseher, wo sie den Anschlag zeigten. Dort war eine ägyptische Familie, die im Freudentaumel war über das, was sie sah. Als Untertitel lief über den Bildschirm: ,Als Rache für die Kinder von Al Aksa (Moschee in Jerusalem) verübt Osama bin Laden Anschlag gegen Amerika.‘ So ging ich zum Scheich (Bin Laden), der mit 50 bis 60 Leuten in einem Zimmer saß. Ich wollte ihm erzählen, was ich gesehen hatte, aber er machte eine Handbewegung, die sagte: ,Ich weiß, ich weiß.‘"

Osama bin Laden: "Er (Sulayman) wusste nichts von der Operation. Nicht jeder wusste davon. Mohammed (Atta) von der ägyptischen Familie (die ägyptische Gruppe von Al Kaida) war verantwortlich. Die Brüder, die die Operation ausgeführt haben, wussten nur, dass sie eine Märtyrer-Operation ausführen mussten, und wir baten jeden von ihnen, in die USA zu gehen, aber sie wussten nichts von der Operation, bis sie dort waren und bis sie an Bord der Flugzeuge gingen, nicht ein Wort. Aber sie waren gut ausgebildet. Diejenigen, die als Piloten ausgebildet waren, kannten die anderen nicht. Eine Gruppe kannte die andere nicht. Die Brüder hier im Camp in Kandahar waren überglücklich, als das erste Flugzeug in das Gebäude flog, und ich sagte zu ihnen: ,Wartet ab!‘ Der Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Flugzeug, die in die Türme stürzten, betrug 20 Minuten. Und die Differenz zwischen dem ersten Flugzeug und dem Flugzeug, das das Pentagon traf, eine Stunde . . ."

Die Dokumentation haben wir dem Hamburger Abendblatt vom 15.12.2001 entnommen. Bearbeitung von Cornel Faltin. Eine ausfühlichere Textfassung ist in der Frankfurter Rundschau vom selben Tag dokumentiert.


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