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Internationaler Pakt gegen den Terrorismus? Die vergeblichen Bemühungen von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon

Ein Beitrag von Dirk Eckert in der NDR-Sendereihe "Streitkräfte und Strategien" *


Andreas Flocken (Moderator):
Terroranschläge haben die Welt verändert. Das gilt insbesondere für die Attentate vom 11. September in New York und Washington. Die USA reagierten unter Präsident Bush mit dem „War on Terror“, also der Ausrufung des Krieges gegen den Terrorismus. Die Vereinten Nationen starteten ebenfalls mehrere Initiativen. Doch den angestrebten Internationalen Pakt gegen den Terrorismus wird es wohl nicht geben. Zu den Gründen - Dirk Eckert:


Manuskript Dirk Eckert

Kaum ein Monat im Irak vergeht ohne tödliche Anschläge. Meistens sind es Zivilisten, die Opfer von Sprengfallen, Attentaten oder Selbstmordanschlägen werden. Und nicht nur im Irak, auch andernorts versuchen politische Gruppierungen ihre Ziele mit Gewalt durchzusetzen, indem sie Überfälle aus dem Hinterhalt verüben und so Tod, Angst und Schrecken verbreiten. Terrorismus ist ein globales Problem. In Afghanistan und Pakistan bedienen sich zum Beispiel die Taliban und andere Organisationen solcher Methoden. Israel hat es mit extremistischen Palästinenser-Organisationen zu tun, Russland mit islamistischen Gruppen im Kaukasus.

Auch die Vereinten Nationen sind immer wieder Ziel von Anschlägen gewesen, etwa in Pakistan und im Irak. Aber nicht nur deswegen setzt sich UN-Generalsekretär Ban Ki Moon für einen Internationalen Pakt gegen den Terrorismus ein. Insbesondere seit den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September 2001 haben für die Vereinten Nationen Maßnahmen gegen die Aktivitäten von Terroristen einen hohen Stellenwert. Zehn Jahre nach Nine-eleven erinnerte der damalige Präsident der UN-Vollversammlung, der Schweizer Joseph Deiss, an das Verbrechen, das annähernd 3.000 Menschen das Leben kostete:

O-Ton Deiss (overvoice)
„Wir sind hier, um unser Mitgefühl und unsere Solidarität mit allen Opfern des Terrorismus auszudrücken, die wahllos und ununterbrochen überall in der Welt angegriffen werden. Wir sind hier, um unsere Empörung über die Feigheit von Terrorismus Ausdruck zu verleihen. Wir verurteilen ihn fest und kategorisch, bekämpfen ihn und wollen, dass die Schuldigen bestraft werden.“

Doch bereits vor den Anschlägen von New York und Washington hatten die Vereinten Nationen dem Terrorismus den Kampf angesagt. Inzwischen gibt es auf UN-Ebene hierzu 14 größere Verträge und Abkommen. Die erste Vereinbarung, die Flugzeugkonvention von 1963, regelt die Sicherheit auf Flügen und fordert die Mitgliedsstaaten auf, jeden, der sie verletzt, in Haft zu nehmen und das entführte Flugzeug an seinen Piloten zurückzugeben. Andere Verträge dienen beispielsweise dazu, die Finanzquellen von Terroristen auszutrocknen oder regeln den Umgang mit Geiselnahmen und den Schutz der Schifffahrt.

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurde außerdem ein Counter Terrorism Committee eingerichtet, in dem auch die Mitglieder des Sicherheitsrates sitzen. Das Gremium koordiniert den Kampf gegen den Terrorismus und hat vor allem die Aufgabe, jegliche Art der Unterstützung von Terroristen zu verhindern. So hat der Sicherheitsrat etwa mit der Resolution 1267 die Finanzmittel von Al Qaida und den Taliban eingefroren.

Dabei ist die UNO nicht nur allein tätig: 2005 wurde die Counter-Terrorism Implementation Task Force eingerichtet – kurz CTITF –, in der Vertreter verschiedener internationaler Organisationen sitzen. Beteiligt sind etwa der IWF, die Weltbank, die Internationale Atomenergiebehörde und das UN-Entwicklungsprogramm. 2006 verabschiedete die UN-Generalversammlung eine Counter-Terrorism-Strategie, die die Rolle der Vereinten Nationen bei der Terrorismus-Bekämpfung stärken soll. Die Strategie propagiert einen ganzheitlichen Ansatz: Terrorismus soll bekämpft werden, indem auch die Bedingungen verändert werden sollen, die ihn fördern. Als Ursachen genannt werden u.a. Armut, ungelöste Konflikte, schlechte Regierungsführung, Menschenrechtsverletzungen oder ethnische, nationale und religiöse Diskriminierung. Außerdem wird Terrorismus in jeder Form verurteilt – unabhängig von der Zielsetzung.

Bisher fehlt allerdings ein eigenes Abkommen, das sich mit allen wichtigen Fragen des Terrorismus beschäftigt. Es gibt zurzeit eine Grauzone, klagen die UN-Behörden. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon möchte das gerne ändern. Sein Ziel: Ein internationaler Pakt gegen den Terrorismus. Mit den bisherigen Verträgen stünden zwar alle nötigen Instrumente zur Verfügung, um den Terrorismus zu bekämpfen. Allerdings ist eine zentrale Frage bis heute unbeantwortet: Wer ist eigentlich ein Terrorist? An dieser Frage scheiden sich die Geister. Und das ist auch der Grund, warum die bisherigen Bemühungen gescheitert sind, einen Internationalen Pakt gegen den Terrorismus abzuschließen.

„Vorsätzliche Angriffe auf die Bevölkerung sind ein Verbrechen“, heißt es zwar auf der Homepage der Vereinten Nationen. Doch im konkreten Fall gehen die Meinungen oft auseinander. Guerillakämpfer etwa sehen sich selbst als Freiheitskämpfer, von ihren Gegnern werden sie als Terroristen angesehen. Der verstorbene Palästinenserpräsident Jassir Arafat zum Beispiel wird heute im Internet-Lexikon Wikipedia als palästinensischer Freiheitskämpfer, Terrorist, Guerillakämpfer und Politiker zugleich geführt. Israel hat ihn lange allein als Terroristen gesehen, bevor er zum Verhandlungspartner und Friedensnobelpreisträger wurde. Arafat selbst sagte zum Vorwurf des Terrorismus in seiner historischen Rede vor den Vereinten Nationen im Jahre 1974. Zitat:

Zitat Arafat
„Der Unterschied zwischen Revolutionären und Terroristen liegt in der Zielsetzung, für die sie kämpfen. Wer immer für eine gerechte Sache kämpft und für die Freiheit und Befreiung seines Landes von Eindringlingen, Siedlern und Kolonialisten, der kann wohl kaum als Terrorist bezeichnet werden. Ansonsten wären die Amerikaner bei ihrem Kampf um die Befreiung von britischer Kolonialherrschaft Terroristen gewesen. Auch der europäische Widerstand gegen die Nazis wäre Terrorismus. Und viele hier in dieser Versammlung müssten als Terroristen angesehen werden.“

Heute sind es andere palästinensische Gruppen, die je nach Standpunkt entweder als Terroristen oder Freiheitskämpfer angesehen werden. Der syrische UN-Botschafter Bashar Ja’afari sagte dazu 2010 vor der UN-Generalversammlung, diejenigen, die gegen die Besatzung ihres Landes kämpften, seien keine Terroristen – ein deutlicher Seitenhieb auf Israel, das seit 1967 das Westjordanland und die Golanhöhen besetzt hält. Der syrische Diplomat sprach dabei ausdrücklich im Namen der Organisation für Islamische Zusammenarbeit, einer Organisation, der 57 Staaten angehören:

O-Ton Ja’afari (overvoice)
„Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit bekräftigt die Unterscheidung zwischen Terrorismus und dem Recht auf Widerstand gegen fremde Besatzung. Sie betont, dass diese Unterscheidung im internationalen Recht verankert ist, im internationalen und humanitären Völkerrecht. Etwa in Artikel 51 der UN-Charta und in der UN-Vollversammlungs-Resolution 46/51, die ebenfalls diese Position unterstützt.“

Von westlichen Staaten ist dagegen nicht zu hören, dass sie von einem Recht auf Widerstand gegen die Besatzung viel halten, obwohl dieses Recht in der Resolution 46/51 von 1991 ausdrücklich betont wird. Dafür hat der Westen, zusammen mit einigen arabischen Staaten, z.B. die Rebellen in Libyen als Freiheitskämpfer unterstützt. Diese wiederum waren von dem gestürzten Machthaber Gaddafi als Terroristen bekämpft worden. Die Staatengemeinschaft ist sich also uneinig, wer überhaupt als Terrorist einzustufen ist. Die Inhaftierung und der Umgang mit Verdächtigen im US-Lager Guantanamo auf Kuba ist ein weiteres Beispiel.

Um die Problematik weiß man auch bei den Vereinten Nationen. So musste der Sonderberichterstatter für Counter-Terrorism und Menschenrechte, der britische Jurist Ben Emmerson, im Oktober in New York feststellen:

O-Ton Emmerson (overvoice)
„Die meisten Staaten, die den Terrorismus bekämpfen, haben in den vergangenen zehn Jahren mehr oder weniger auch Maßnahmen ergriffen, die gegen fundamentale Menschenrechte verstoßen.“

Auch das gehört zur Bilanz des Kampfes gegen den Terrorismus: Bei der Verfolgung mutmaßlicher Terroristen wurden Menschenrechte verletzt. Und: Es gibt nach wie vor keine einheitliche Definition von Terrorismus. Keine guten Aussichten für den von UN-Generalsekretär Bank Ki Moon angestrebten Internationalen Pakt gegen den Terrorismus.

* Aus: NDR Info Das Forum, STREITKRÄFTE UND STRATEGIEN, 14.01.2012; www.ndrinfo.de


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