Djihad auf dem Balkan?
Polizei tötet schwer bewaffnete Pakistani in Mazedonien
Von Boris Kanzleiter
Im Folgenden dokumentieren wir einen Beitrag aus der Internet-Zeitung Telepolis in gekürzter Form und ohne Fußnoten. Die Ereignisse, über die hier gesprochen wird, fanden am 2. März statt.
Drohen den USA und ihren westlichen Alliierten Angriffe islamistischer
Gruppen auf dem Balkan? Der mazedonische Innenminister Ljube Boskovski
warnt vor diesem Szenario. Seine Polizeitruppen haben am vergangenen
Samstag (02.03.2002)in einem Vorort der Hauptstadt Skopje sieben schwer bewaffnete
Männer getötet, die sie verdächtigten, Anschläge auf westliche
Einrichtungen vorbereitet zu haben. Nach Darstellungen des
mazedonischen Innenministeriums hatten die Männer das Feuer eröffnet,
als sie von einer Polizeipatrouille kontrolliert wurden. Bei den
Getöteten wurden Maschinengewehre, Handgranaten, Raketenwerfer und
Funkgeräte gefunden. Boskovski erklärte am Montag, dass zwei der
Getöteten Männer Pakistanis seien, die auch in Afghanistan gekämpft
hätten.
... Boskovski geht davon
aus, dass die Getöteten Teil eines Netzwerkes sind, das zusammen mit
bewaffneten albanischen Nationalisten den Konflikt Mazedonien wieder
eskalieren lassen möchte, um das Land ethnisch zu teilen. Der Zeitung
Nova Makedonija sagte er außerdem, die Erschossenen hätten geplant
"einen Angriff auf diplomatische Einrichtungen, höchst wahrscheinlich
der USA, Deutschland, Großbritanniens oder anderer Länder der globalen
Anti-Terror-Koalition" durchzuführen. ...
Das Scharmützel vom Samstag wirft ein Schlaglicht auf die angespannte
Situation in Mazedonien. Zwar kommt es seit der Stationierung einer
internationalen Truppe unter der Führung Deutschlands im vergangenen
September kaum mehr zu offenen Gefechten zwischen den albanischen
Nationalisten der offiziell demobilisierten UCK und mazedonischen
Sicherheitskräften. Aber unter der Oberfläche schwelt der Konflikt
weiter und droht wieder zu eskalieren, sobald der Winter vorbei ist. Die
Stationierung internationaler Truppen ist dabei in bestimmter Hinsicht
Teil der Eskalationsdynamik. Albanische Nationalisten sehen sich durch
ihre Präsenz ermuntert. Die mazedonische Regierung dagegen versucht,
die internationalen Truppen in Stellung gegen die albanischen
Nationalisten zu bringen.
Auch ein zweites Problem wird durch das Gefecht deutlich: Seit dem 11.
September hat sich auch auf dem Balkan das politische Klima verändert.
Die ehemals von den westlichen Mächten im Kampf gegen die
serbisch-jugoslawische Regierung Slobodan Milosevics unterstützten
albanischen und bosnischen Nationalisten, die sich teilweise über den
Islam definieren, gehen zunehmend auf Distanz, vor allem gegenüber den
USA.
Deutlich wurde dies zuletzt Mitte Januar in der bosnischen Hauptstadt
Sarajevo. Dort kam es zu heftigen Protesten islamischer Organisationen,
als US-Soldaten eine Gruppe von sechs in Bosnien lebenden Algeriern
inhaftierte und aus dem Land brachte, vermutlich auf den US-Stützpunkt
Guantanamo Bay. Die US-Offiziellen warfen den Algeriern vor, Kontakt zu
Al-Qaida zu halten und im Oktober einen Anschlag auf US-Basen in
Bosnien geplant zu haben. Ursprünglich waren die Algerier von den
bosnischen Behörden verhaftet worden. Als die US-Stellen aber keine
Beweise für ihre Anschuldigungen erbrachten, wurde sie Mitte Januar vom
Obersten Gerichtshof frei gesprochen. Das hinderte die US-Behörden aber
nicht, die Männer zur Empörung islamischer Gruppen anschließend selbst
zu inhaftieren.
Von westlichen Experten wird die Gefahr einer Konfrontation zwischen
NATO-Truppen und islamistischen Gruppen auf dem Balkan als erheblich
eingestuft. So schreibt der Südost-Europa Experte der regierungsnahen
Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) aus Berlin, Wolf Oschlies, in
einem Text unter der Überschrift Bosnien: Europäischer Stützpunkt
des Osama bin Laden?: "Tatsache ist, daß Osama bin Ladens Mujahedin in
die jüngsten Balkankriege involviert waren und frühere Verbindungen
weiter aufrechterhalten." Detailliert geht er darauf ein, wie die auch
vom Westen unterstützte bosnische Regierung unter Präsident Alija
Izetbegovic Anfang der 90er Jahre mehrere tausend Mujahedin aus
islamischen Ländern in ihre Armee integrierte, um die
serbisch-jugoslawische Truppen zu bekämpfen. Zahlreiche Mujahedin
blieben nach Ende des Krieges 1995 in Bosnien und sind dort heute
eingebürgert.
Auch der NATO nahe brain trust International Crisis Group (ICG) setzt
sich in einer Studie unter dem Titel Bin Laden and the Balkans mit
dem potenziellen Konflikt mit den ehemaligen Verbündeten auseinander.
Er kommt zu ähnlichen Schlüssen wie Oschlies:
Given the presence of ex-mujahidin in Bosnia, the tens of
thousands of former military and paramilitary fighters in Bosnia,
Kosovo and Macedonia who are Muslims by nationality, if not for the
most part by observance, and the large deployments of U.S. and other
troops in the region, some (though by no means all) senior Western
sources describe the potential terrorist threat as significant.
Aus: Telepolis, 08.03.2002.
Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/co/12030/1.html
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