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Wie der Dschihad nach Europa kam

Gotteskrieger und Geheimdienste auf dem Balkan. Buchvorstellung

Jürgen Elsässer: Wie der Dschihad nach Europa kam. Gotteskrieger und Geheimdienste auf dem Balkan
NP-Buchverlag: Wien 2005, 240 Seiten, geb., 19,90 Euro (ISBN 3-85326-376-3)


Inhaltliches Profil des Buches

Die Hauptverdächtigen des 11. September waren NATO-Helfer auf dem Balkan. Die wichtigsten mutmaßlichen Selbstmordbomber haben in den neunziger Jahren in Südosteuropa gekämpft. Während in den vorliegenden Standardwerken zu Al Qaida und Osama bin Laden die Aktivitäten der Terroristen in Afghanistan und Sudan und die von ihnen durchgeführten Anschläge in Ostafrika, Saudi-Arabien und Asien ausführlich geschildert werden, blieb ausgerechnet das europäische Aufmarschgebiet der Djihadisten bisher so gut wie unbeachtet: Vor allem im bosnischen Bürgerkrieg haben einige Tausend militante Moslems aus den arabischen Staaten und dem Iran an der Seite ihrer Glaubensbrüder gegen die ungläubigen Christen, also gegen Serben und auch gegen Kroaten, gekämpft. Osama bin Laden hat von der Regierung in Sarajevo einen Paß bekommen, viele seiner Getreuen haben sich dauerhaft in Bosnien und Albanien niedergelassen. Von dort führen ihre Spuren in das Kosovo, nach Mazedonien - und zu den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon.

Die Ignorierung dieses Themas in Politik und Massenmedien hat einen Grund: Ebenso wie in den achtziger Jahren in Afghanistan kämpften die Heiligen Krieger auf dem Balkan mit Wissen und Unterstützung der USA. Unter Bruch des UN-Waffenembargos versorgten US-Transportflugzeuge die Djihadisten mit modernen Waffen. Der Geheimdienst des Pentagon ging gegen UN-Blauhelme vor, die diese Mesallianz beobachtet hatten und dagegen einschreiten wollten. Während Washington das frühere Bündnis mit den radikalen Fundamentalisten in Afghanistan mittlerweile selbstkritisch sieht, gibt es keine Aufarbeitung der ähnlichen Politik auf dem Balkan, obwohl gerade von dort heute Gefahren für Europa droht. "Wenn Europa seine Haltung nicht ändert, werden wir Maßnahmen ergreifen und terroristische Aktionen auf europäischem Territorium entfesseln.Viele europäische Hauptstädte werden in Flammen stehen," sagte Sefer Halilovic, Oberbefehlshaber der bosnisch-muslimischen Armee, schon 1993.

Quellen

Das Buch ist Ergebnis einer mehrjährigen Recherche und stützt sich neben englischsprachigen, französischen und serbokroatischen Quellen auch auf Gespräche mit Geheimdienstexperten und Mitgliedern der UN-Mission in Bosnien und auf zahlreiche Besuche vor Ort.

Ausführliche Inhaltsangabe

Das "afghanische" Bündnis zwischen den USA und den Mudschahedin erlebte auf dem Balkan eine Neuauflage, und so war es kein Wunder, dass die wichtigsten Verdächtigen des 11. September dort ihre Feuertaufe erfuhren (Kapitel 1). Besonders Bosnien-Herzegowina bot für den Aufbau einer Dschihad-Front aufgrund seiner Geschichte günstige Voraussetzungen (Kapitel 2). Nur durch westliche Einflussnahme konnte es aber gelingen, zu Beginn der neunziger Jahre die dort vorherrschende gemäßigte Strömung der Muslime auszuschalten und die Förderer des Heiligen Krieges an die Macht zu bringen (Kapitel 3). Dabei spielte Wien als Schaltstelle des Waffenschmuggels zunächst die zentrale Rolle, dort erhielt Bin Laden 1993 auch einen bosnischen Pass (Kapitel 4). Mit Geldern und Kämpfern aus dem islamischen Welt wurde die bosnisch-muslimische Armee aufgebaut, Bin Laden war deswegen persönlich im Präsidentenpalast in Sarajevo (Kapitel 5). Vor allem die ausländischen Dschihadisten verübten im Verlaufe der dreijährigen Kämpfe (1992 - 1995) schreckliche Greueltaten, und auch einige der den Serben zugeschriebenen Massaker könnten auf ihr Konto gehen (Kapitel 6). Doch der Kampfwert der Gotteskrieger war zunächst gering, und das änderte sich erst, als William ("Bill") Clinton 1993 US-Präsident wurde und im Zusammenspiel mit dem Erzfeind Iran deren Aufrüstung organisierte (Kapitel 7). Mit harten Bandagen brachte der US-Geheimdienst UN-Blauhelme, die diesen Bruch des internationalen Waffenembargos kritisierten, zum Schweigen (Kapitel 8). Die vermutlich wichtigste Rolle bei diesem Bosnia-Gate spielte die Pentagon-Vertragsfirma MPRI (Kapitel 9), die nach dem Friedenschluß von Dayton (1995) auch die Kontrolle über die bosnische Armee übernahm (Kapitel 10). Statt dort, wie es die offiziellen Washingtoner Legenden wollen, die Gotteskrieger auszuschalten, übernahm MPRI die fähigsten Kämpfer, bildete sie in dem mittlerweile ebenfalls von Bin Laden-Vertrauten durchsetzen Albanien aus (Kapitel 11 und 12) und schickte sie zur Unterstützung der albanischen Terrorbewegung UCK ins Kosovo und nach Mazedonien (Kapitel 13).

Ein Großteil dieser Aktivitäten wurde aus einem saudisch-amerikanischen Spendensumpf angeblich humanitärer Organisationen finanziert, in dem Bin Laden nur eine untergeordnete Rolle spielte (Kapitel 14). Ganz generell stellt sich die Frage, ob Al Qaida nicht eher ein Propagandabegriff der US-Außenpolitik als eine real existierende Organisation ist, zumal bei vielen Topterroristen der Verdacht besteht, dass sie auch für westliche Dienste arbeiten (Kapitel 17). Dies trifft auch auf die Hauptverdächtigen des 11. September zu (Kapitel 18), insbesonders auf die beiden angeblichen Masterminds der Anschläge (Kapitel 19).

In jedem Fall hat sich dank westlicher Protektion in Bosnien-Herzegowina ein terroristischer Brückenkopf gebildet, der sowohl für die weitere Entwicklung des Landes (Kapitel 15), als auch für die Sicherheit in Europa insgesamt ein erhebliches Bedrohungspotential darstellt (Kapitel 16). Schon seit geraumer Zeit gibt es darüber hinaus eine erhebliche Wanderungsbewegung von Dschihad-Kämpfern zwischen dem Balkan und Tschetschenien (Kapitel 20). Dies wird aber im Westen nicht als Gefahr gesehen, da die US-Öllobby längst die russischen Energiereserven im Auge hat (Nachwort).

Zur Person

Jürgen Elsässer hat im letzten Jahrzehnt ein knappes Dutzend Bücher über Geopolitik im Allgemeinen und die deutschen Interessen im Besonderen verfaßt. Der ausgewiesene Balkankenner trat dabei als "unerbittlicher Ankläger der deutschen Jugoslawienpolitik" auf, schrieb die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", und "Die Presse" aus Wien urteilte in einer Buchbesprechung: "Wenn Joschka Fischer zurücktreten muß, dann hoffentlich deswegen."

Elsässer war jahrelang Redakteur des Hamburger Magazins "Konkret", schrieb regelmäßig für die "Allgemeine Jüdische Wochenzeitung" und das "Kursbuch" und arbeitet zur Zeit hauptsächlich für die Berliner Tageszeitung "Junge Welt" und den wöchentlichen "Freitag".

Quelle: Homepage von Jürgen Elsässer: www.juergen-elsaesser.de


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