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"Bye-bye Bombies"

SODI beseitigt tödliche Streumunition in Laos

Von Marion Gnanko *

Sichere Lebensräume für die Dorfbewohner im Distrikt Khamkeut zu schaffen, ist das Ziel von SODIs Integriertem Programm in Laos. Der integrierte Ansatz verbindet die Räumung explosiver Kampfmittelrückstände mit Maßnahmen zur Entwicklung. Beides ist für eine nachhaltige Überwindung der Armut notwendig.

Zwischen 1964 und 1973, während des zweiten Indochina-Kriegs, warfen die Amerikaner in mehr als 580 000 Bombenangriffen über zwei Millionen Tonnen Bomben über Laos ab. Dies ist gleichbedeutend mit einem Bombenangriff alle acht Minuten, 24 Stunden am Tag über einen Zeitraum von neun Jahren. Schätzungen zufolge blieben davon etwa 30 Prozent als explosive Blindgänger zurück. Den größten Teil darunter bildet die Submunition von Streubomben. Sie ist in ihrer Wirkungsweise Antipersonenminen ähnlich und bedroht Leben und Gesundheit der laotischen Bevölkerung. Etwa 300 Unfälle werden jährlich durch die Blindgänger verursacht, 40 Prozent der Opfer sind Kinder. Viele der Unfälle enden tödlich. Die Streubomben-Kontaminierung behindert darüber hinaus die Entwicklung des Landes, da sie die Menschen daran hindert, dringend benötigtes Land für ihr Überleben zu nutzen. Die Blindgänger sind daher eine erwiesene Ursache für die verbreitete Armut in Laos.

Der Berliner Verein Solidaritätsdiensft-international e.V. (SODI) hat sich zum Ziel gesetzt, die nachhaltige Überwindung der Armut in Laos voranzubringen. Um dieses Ziel zu erreichen, verfolgt SODI einen integrierten Ansatz: Zum einen werden Flächen für die landwirtschaftliche Nutzung und für Siedlungszwecke systematisch von den explosiven Kampfmittelrückständen befreit, so dass sie gefahrlos bewirtschaftet werden können. Zum anderen unterstützt SODI gleichzeitig mit der Realisierung von Entwicklungsprojekten die Menschen darin, ihre Lebensbedingungen zu verbessern. So entsteht derzeit in einem Dorf eine Grundschule für 160 Kinder, in einem anderen wird ein Wasserversorgungssystem für etwa 170 Familien aufgebaut.

Bevölkerung wurde allein gelassen

»Weil die erforderlichen Mittel fehlten, hat es in der Region Khamkeut zuvor keine Kampfmittelräumung gegeben, über 30 Jahre wurde die Bevölkerung hier mit diesem Problem allein gelassen«, erläutert SODI-Programmmanager Siegfried Block. Der Distrikt Khamkeut, an der vietnamesischen Grenze in Zentrallaos gelegen, war während des Krieges Ziel zahlreicher US-Bombenangriffe, da hier das Netzwerk der Ho-Chi-Minh-Pfade – dem Versorgungsweg für die vietnamesische Befreiungsbewegung – seinen Ausgangspunkt nahm. Der Distrikt gehört heute zu den am heftigsten mit Blindgängern belasteten Regionen von Laos und ist mit einer Armutsrate von über 40 Prozent gleichzeitig einer der ärmsten Distrikte des Landes.

Das Integrierte Programm von SODI in Laos startete Mitte 2009. In den letzten zwei Jahren hat SODI bereits über 230 Hektar geräumt, die dringend zur landwirtschaftlichen Nutzung, für Siedlungs- oder andere sozioökonomische Zwecke benötigt werden. Dies entspricht in etwa einer Größe von 318 Fußballfeldern. Knapp 6000 Blindgänger wurden dabei unschädlich gemacht. Neben der systematischen Flächenräumung gehört auch Adhoc-Gefahrenabwehr zu den Aufgaben der SODI-Teams: Häufig sind auch Flächen in den Dörfern mit Blindgängern verseucht. Insbesondere wenn im Umfeld von Kindergärten oder Schulen Streubomben gefunden werden, ist ein schnelles Handeln notwendig. In solchen Fällen rückt das Mobilteam aus, um innerhalb von 48 Stunden nach der Fundmeldung die Gefahr zu beseitigen.

Munition mitten im Reisfeld

Wie wichtig dieses Programm für die ländliche Bevölkerung in Laos ist, wird an der Schilderung des SODI-Programmmanagers deutlich: »Im Frühjahr räumten unsere Teams ein Reisfeld, das schon seit vielen Jahren genutzt wird. Über 600 Stück Streubombenmunition haben wir dort gefunden«, erzählt Siegfried Block. »Dieser Munitionstyp darf aus Sicherheitsgründen nicht bewegt, sondern muss an Ort und Stelle gesprengt werden. Es grenzt an ein Wunder, dass sich auf diesem Reisfeld bisher keine Unfälle ereignet haben.«

Boun Sayavong aus dem Dorf Houay Keo hatte nicht so viel Glück. Im Alter von sechs Jahren stieß er beim Graben nach Grillen mit seiner Hacke auf ein »Bombie« (so nennen die Laoten die Streumunition). Durch die Explosion verlor er seine rechte Hand, Munitionssplitter zerstörten den Sehnerv seines rechten Auges. Heute hilft der 22-Jährige, weitere Opfer zu vermeiden. Er unterstützt SODI dabei, in den Dörfern von Khamkeut Aufklärungsarbeit über die Gefahren von Streumunition durchzuführen. Ihm ist bewusst, dass er als Opfer eines Unfalls besonderes Gehör findet, wenn er Kindern seine Geschichte schildert und sie so über die Gefahren von Blindgängern aufklärt. Schließlich war er selbst ein Kind, als der Unfall passierte. Die Kinder, die ihm heute zuhören, wissen meist genauso wenig wie er damals, dass sich überall in den Reisfeldern, im Garten, im Wald die gefährlichen »Bombies« befinden können.

Mit dem Motto »Bye-bye Bombies« feierten die Laoten am 1. August 2010 das Inkrafttreten des internationalen Streubomben-Verbots (Oslo-Konvention). Der Berliner Verein SODI will dazu beitragen, dass sich die Menschen in Laos endgültig von Blindgängern verabschieden können, um den Aufbau sicherer Lebensräume für die betroffenen Familien und einen nachhaltigen Ausweg aus der Armut zu unterstützen. Die humanitäre Kampfmittelräumung von SODI in Laos wird mit finanzieller Unterstützung durch das Auswärtige Amt ermöglicht, das für die Realisierung des Programms seit 2009 bisher insgesamt 2,36 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat. Zur Finanzierung der erforderlichen Drittmittel im nächsten Jahr benötigt SODI noch Sponsoren und Unterstützung durch Spenden.

* Unsere Autorin ist SODI-Projektmanagerin für humanitäre Kampfmittelräumung.

Aus: neues deutschland, 21. Oktober 2011



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