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Jenseits des Verteidigungsauftrags der Bundeswehr

In Nordrhein-Westfalen entsteht ein Drehkreuz militärischer Gewalt

Von Bernhard Trautvetter

Vom 9. Bis zum 11. Oktober fand in Kalkar die NATO-Konferenz „Kriegsführung im 21. Jahrhundert“ statt. Es ging dabei im Untertitel um die Frage, ob Luft-Kräfte dabei einen Aufstieg oder einen Niedergang in ihrer Wichtigkeit erleben.

Man erklärte auf der Website des zuständigen Joint Air Power Competence Centre www.japcc.de/combat air.html, Ziel der Konferenz sei es gewesen, abzuklären, wie Luft- und Raumfahrt bestmöglich zu den Herausforderungen der sich schnell wandelnden Welt beitragen kann. Man hatte gezielt nicht nur im Kreis von Militärs für die Konferenz geworben. Es ging um die Integration von Luft- und Raumfahrt mit Cyber-War via Internet (elektronische Kriegsführung).

Brief an NRW-Ministerpräsidentin Kraft

Das Ostermarsch-Komitee Rhein-Ruhr hat in der Angelegenheit Kalkar einen Brief an die NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft geschrieben, den wir hier dokumentieren:
"Krieg geht von Deutschland/NRW/Kalkar aus" Offener Brief, 2. November 2012 (pdf-Datei)



Wie schon zuvor, etwa in einer Konferenz zu Genderfragen im KFOR-Einsatz suchte man gezielt den Schulterschluss zu Regierungs- und internationalen Organisationen sowie zu Nichtregierungsorganisationen. Die Mischung von zivilen Kräften mit Militärs ist eins der Konzepte der Nato seit dem Balkankrieg, auf das bezogen es bei den Grünen Stolz gibt, Winfried Nachtwei betonte auf einer Mitgliederversammlung in Essen vor ca. zwei Jahren, diese Integration sei ein grüner Erfolg. Zusätzlich ging es den Militärs noch um die Einbeziehung von Industriellen und Wissenschaftlern.

Die Webadresse beinhaltet den Begriff Combat Air, was zu Deutsch Luftschlacht heißt. Zu Combat Air findet man auf der Website, dass dieser Militärzweig in Kalkar verantwortlich ist für
  • die Koordination und Entwicklung von Strategien und Konzepten
  • die Partnerschaft für Friedensprogramme – so schwammig wie offen
  • elektronische Kriegsführung und Bekämpfung der Verteidigung von Feinden
  • bemannte und unbemannte Luftschlacht-Vehicle
  • Steuerung von Präzisionsmunition – darunter Cruise Missiles und weitere Waffen, die mit abgereichertem Uran die Härte erlangt, präzise Panzer und Bunker zu treffen und zu durchdringen
  • Luftsee-Operationen.
Drohnen werden vom Nato-Staat USA für völkerrechts- und menschenrechtswidrig Exekutionen von ‘weiche Ziele’ genannten Menschen angewandt; das Recht des Stärkeren nach Gutsherrenart steht dabei über dem Völkerrecht. Das ist in einer aus den Fugen geratenden Welt brisant, weil es um so leichter zu komplett unregelbaren und damit zur unkontrollierbaren Eskalation führen kann, die die Krisenmanager der Welt schnell zur Überforderung antreiben kann. In der Kuba-Krise bremste Kennedy Generalstabschef Taylor und auf dem sowjetischen B-29 U-Boot gelang es, den ebenfalls auf Eskalation orientierenden Befehlsinhaber vom Plan zum atomaren Schlag abzubringen.

In dieser fragilen Welt ist auch über zwei Jahrzehnte nach dem Ende des Kalten Krieges höchste auf das Völkerrecht orientierende Umsicht infolge des Überlebensinteresses der Gattung Mensch geboten.

Das allerdings ist Militärs fremd. Während die Nato weiter auf der nuklearen Erstschlags-Option beharrt – und das trotz des Urteils des Internationalen Gerichtshofes, dass die Androhung von Atomwaffen und deren Einsatz generell völkerrechtswidrig ist, plant die Nato in Kalkar die Ausweitung ihrer Strategie auf den erdnahen Orbit-Raum, wie auch dieser Link dokumentiert: http://www.japcc.de/projects.html

Die Space-Kapazitäten der Nato werden unter anderem in ihrem alle zwei Jahre stattfindenden Schriever-Game entwickelt. Zum Schriever-Wargame 2012 findet man eine pdf-datei unter japcc.de/fileadmin/user_upload/Reports/Flyer/Flyer_5/2012-06-04_JAPCC_Flyer_Ed-5_web.pdf, die besagt, dass hier die Koordination, die ‚Missions-Effektivtät‘ (so nennt man auch Angriffskriege), die Kraft zum Durchhalten und Wiedererstarken (resiliennz) so gesteigert und die Risiko-Anfälligkeit so gemindert werden konnte, dass die Wichtigkeit dieses „Schriever“-Durchspielens von Krieg gar nicht hoch genug eingestuft werden kann. Hier werden Luft- und Raumfahrt und Cyber-War (also internet-gestützer Datenkrieg z.B. mit ‚Viren‘)-Komponenten miteinander verknüpft, so heißt es in der Werbe-Flyer-Datei für das Spiel:
Warum nicht Raum- und Cyber-Komponenten? Das Spiel ist an die Anforderungen angepasst, die eigene Freiheit im Raum- und Cyberkrieg zu unterstützen. Der Cyber-Krieg findet bereits statt, wie der Wurm Stuxnet zeigt, den Israel und die USA für einen Angriff auf iranische Atomanlagen entwickelt haben. „Das Cyberkrieg-Programm sei noch zu Zeiten von Obamas Vorgänger George W. Bush aus der Taufe gehoben worden. Erst in der Amtszeit des aktuellen Präsidenten seien aber amerikanische und israelische Computerexperten mit dem komplexen Wurm fertiggeworden.“(Stern online 21.6.12)

Im 21. Jahrhundert, wie die eingangs erwähnte Konferenz es thematisiert, fand schon zudem der völkerrechtswidrige Angriffskrieg gegen den Irak statt, zu dem die einschlägige Air Space Power Course Website der Allianz einen Link anbietet, unter dem es heißt, dass man im ‚Desert Storm‘ genannten Irak-Krieg zu einer Koordination der Luft-Kampagne gefunden hat, die die Überlegenheit der Luft- und Raumfahrt zu einem alles entscheidenden Faktor hat werden lassen, um zu gewinnen.

Für diese Integration der modernen Elemente siegreicher Kriege firmiert derzeit Maj P. Verroco verantwortlich, der Chef der Nato Raum-Politik ist und Nato-Strategist der JAPCC in Kalkar.

Die Landes- sowie die Bundesregierung muss von den Friedenskräften zur Ein-haltung der Gesetze gedrängt werden, hier vor allem des Grundgesetzes, nach dem die Bundeswehr nichts anderes ist und sein darf, als ein Instrument zur Verteidigung auf der Basis eines Bundestagsbeschlusses (Parlamentsarmee).

Genauso ist das Friedesgebot des Völkerrechts einzufordern, was auch bedeutet, dass Schluss sein muss mit der unsäglichen Ablösung von ‚Friedenspolitik‘ durch den verräterischen Begriff ‚Sicherheitspolitik‘, was auch die Sicherung der Handels-wege umfasst, und was Köhler das Amt gekostet hat, weil er dumm genug war, nachzuplappern, was die Nato in ihren zunächts intern gehaltenen Projekten übt.

Die Ostermarsch-Bewegung hat damit am 3.10.2012 mit einer Demonstration gegen die Nato-Infrastruktur im Raum Kalkar begonnen, den friedlichen Widerstand gegen diese hinter dem Rücken der Öffentlichkeit laufende Militarisierung zu organisieren. Kalkar am Tag der Deutschen Einheit (3.10.) war nur der Anfang.

Das Kriegsplanungs- und –unterstützungs-Zentrum in Kalkar muss ersatzlos geschlossen werden, die Atomwaffen sind aus Deutschland abzuziehen, die Umkonzeptionierung der Bundeswehr entsprechend der neuen Nato-Strategie zu einer immer deutlicheren Integration in die ‚Sicherheit‘(statt ‚Frieden‘) genannte Politik der weltweiten Intervention ohne Verteidigungs-Charakter muss enden.


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