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Action mit Kampfpanzern

Bundeswehrpropaganda am Antikriegstag: Militärspiele für Kinder im Gefechtsübungszentrum Altmark. Kein Baustopp für »Schnöggersburg« trotz EU-Rüge

Von Susan Bonath *

Statt der Opfer des von den deutschen Faschisten am 1. September 1939 vom Zaun gebrochenen Weltkrieges zu gedenken, bejubelten Sachsen-Anhalts Medien am Antikriegstag lieber die Bundeswehr. Die sorgte mit einem Tag der offenen Tür im Gefechtsübungszentrum (GÜZ) Altmark für entsprechende Schlagzeilen. Wo Soldaten sonst auf weltweite Einsätze vorbereitet werden, war am Samstag Kriegsspiel und -spaß für die ganze Familie angesagt. Antimilitaristische und antifaschistische Aktionen wie der Friedensweg der Bürgerinitiative »Offene Heide« in Colbitz und das »Radeln gegen rechts«, mit dem das Bündnis »Magdeburg nazifrei« Tatorte der Neonazis markierte, gerieten dagegen ins ­mediale Hintertreffen.

»Besucher sehen Kampfpanzer in Aktion«, betitelte die Magdeburger Volksstimme ihr online veröffentlichtes Video vom Event. Der Film zeigt die Kriegsgeräte vom Typ Leopard II, die vor rund 5500 klatschenden Gästen »mit viel Getöse und großen Staubwolken durch die Heide düsen«. Die Abwehr eines Angriffs auf ein Übungsdorf wird mit ratternden Gewehren inklusive getöteter Gegner simuliert. Soldaten setzen Kinder auf Panzer und erklären dessen Funktionen. Mit Attraktionen habe die Bundeswehr die Jüngsten begeistert, wird in einem vom Land Sachsen-Anhalt auf YouTube veröffentlichten Video gelobt. Die Truppe sei volksnah und verstecke sich nicht, meinte die AltmarkZeitung (Montagausgabe). So habe sie extra für eine Rentnerin einen Kleinbus organisiert, um sie nach der Kriegsshow zum Parkplatz zu bringen. »Unser Ziel war es, jeder Altersgruppe etwas zu bieten«, zitierte das Blatt GÜZ-Leiter Gunter Schneider.

Älteren Mitbürgern »etwas geboten« hatte das Heer schon am 4. August: Bewaffnete Soldaten trieben zwei Frauen jenseits der 70 und ihre Mitstreiter von der »Offenen Heide« zu Fuß rund 14 Kilometer über den Truppenübungsplatz. Die Militärs hatten eine Gruppe von Friedensaktivisten bei einer Protestaktion gestellt, die sich gegen Krieg und Aufrüstung richtete und an einen Todesmarsch von KZ-Häftlingen im Jahr 1945 durch die Colbitz-Letzlinger Heide erinnern sollte. »Das war reine Schikane, es hätte viel kürzere Wege vom Übungsgelände gegeben«, resümierte am Sonntag eine 62jährige Teilnehmerin gegenüber jW. Seit langem registriert die Friedensinitiative, daß örtliche Medien die Bundeswehr häufig unkritisch, Kriegsgegner dagegen abschätzig darstellen. Ein besonders krasses Beispiel lieferte am 29. Juli Volksstimme-Chefredakteur Alois Kösters. »Aus militanten Kriegsgegnern sind nun endgültig Terroristen geworden«, bezichtigte er in einem Kommentar die Teilnehmer des antimilitaristischen »War starts here«-Camps eines Brandanschlags auf eine Bundeswehrkaserne in Havelberg. Die Polizei hatte nach dem Anschlag zunächst eine vermeintliche »Spur ins Camp« verfolgt, die sich aber als falsch herausstellte.

Oberst Schneider verkündete unterdessen am Samstag, daß die Kriegsübungsstadt »Schnöggersburg« in der Colbitz-Letzlinger Heide weitergebaut wird. Das Projekt wird über 100 Millionen Euro Steuergelder verschlingen – und später wie das GÜZ vom Rüstungskonzern Rheinmetall betrieben werden. In dem 6,5 Quadratkilometer großen »Urbanen Zentrum« sollen ab 2017 Soldaten auf den Nahkampf in Großstädten vorbereitet werden. In diesem Jahr kosteten die Arbeiten bereits 10,1 Millionen Euro. »Es geht normal weiter«, betonte Schneider vor Publikum.

Dabei hatte die Europäische Kommission vergangene Woche in einer Antwort auf eine Beschwerde der Grünen »erhebliche Bedenken« geäußert. Das Land habe den Vogelschutz nach EU-Recht mißachtet und Genehmigungen zu Unrecht erteilt, hieß es in der Stellungnahme. Den von den Grünen erhofften Baustopp wird es dennoch nicht geben, auch wenn die Verantwortlichen mit einem Vertragsverletzungsverfahren rechnen müssen. Nach Ansicht von Sachsen-Anhalts Linksfraktion hat sich die Bundeswehr die Übungsstadt ohnehin »mit Lug und Trug erschlichen«. Weder könne sie ein Einvernehmen mit Anrainergemeinden belegen, noch seien Umweltverträglichkeit und Immissionsschutz geprüft worden. Militär und Landesbehörden hätten Umweltverbänden systematisch die Einsicht in Unterlagen verwehrt, heißt es in einer Erklärung der Linken vom 23. August.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 3. September 2013


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