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US Air-Base Ramstein: Erweiterungspläne rechtlich angreifbar

Verfahrensweg nicht eingehalten. Gegen deutsches und EU-Recht. Erklärung des BUND

Im Folgenden dokumentieren wir
  1. eine Pressemeldung des BUND Rheinland-Pfalz zu den Ausbau- und Erweiterungsplänen der US-Airbase Ramstein; diese Erweiterungspläne stehen offenbar in einem Zusammenhang mit dem weiteren Ausbau des Stützpunktes als Drehscheibe für Kriegseinsätze nach der neuen US-Sicherheitsstrategie ("Präventivkriege"); daher ist
  2. ein Artikel angehängt, der vor wenigen Tagen in der Tageszeitung taz erschienen war; darin wird der Hintergrund ausgeleuchtet, warum die US-Basen in Deutschland so wichtig sind auch für den geplanten Krieg gegen den Irak.


27. 09. 2002

Presseerklärung


Die im Genehmigungsverfahren zur Erweiterung des Militärflughafens Ramstein vorgelegten Planungsunterlagen enthalten enorme Planungsfehler und Verstöße gegen europäisches und deutsches Recht.

So wird vom BUND das Fehlen einer umfassenden Umweltverträglichkeitsprüfung als besonders schwerwiegender Mangel angesehen. Insbesondere die in der EU-Richtlinie sowie dem deutschen UVP-Gesetz geregelte umfassende Prüfung aller Umweltbelange hat hier nicht stattgefunden. So fehlt es auch am qualifizierten Vergleich unterschiedlicher Alternativen des Standortes und des Flugplatzbetriebs.

Des weiteren ist zu beanstanden, dass die hohen Anforderungen an die FFH-Verträglichkeitsstudie nicht beachtet wurden. Insbesondere hätte wegen der Beanspruchung prioritärer Lebensräume eine Stellungnahme der EU-Kommission eingeholt werden müssen.

Dieser Verstoß gegen EU-Richtlinien wird mit Sicherheit die Einreichung einer Beschwerde in Brüssel zur Folge haben.

Auf das in der Regel bei derartigen Großvorhaben durchgeführte Planfeststellungsverfahren mit seinen umfassenden Beteiligungsrechten wird ebenfalls aus nicht erkennbaren Gründen verzichtet. Offenbar sind wirtschaftliche Interessen als Grund für die Verlegung der Frankfurter US-Air Base nach Ramstein entscheidend. Militärische Sonderrechte oder Nachwirkungen des Besatzungsrechtes können wohl kaum überzeugend als Grund für den Verzicht auf diese demokratische Errungenschaft aus den 60er-Jahren herangezogen werden.

Der Vorteil des Planfeststellungsverfahrens ist neben der umfassenden Öffentlichkeitsbeteiligung, dass über die konzentrierende Wirkung des Verfahrens die zahllosen Wechselwirkungen unterschiedlicher Baumaßnahmen und Betriebsvorgänge einbezogen werden. In den vorliegenden Unterlagen wurde beispielsweise nicht im Geringsten auf die wasserwirtschaftlichen Belange (Verrohrung von Bächen, Absenkung des Grundwasserspiegels, vermehrte Hochwasserbelastung für die Unterlieger) eingegangen.

Das Vorhaben widerspricht diametral den Zielen der Raumordnung für die betroffene Westpfälzer Moorniederung, deren "gesamte Situation" hinsichtlich Arten und Biotopen nach dem regionalen Raumordnungsplan "deutlich zu verbessern" sei. In den Planungsunterlagen für die Flugplatzerweiterung heißt es dagegen in brutaler Offenheit:
"Das Vogelschlagrisiko soll durch die Schaffung unattraktiver Lebensräume vermindert werden. Dazu soll das Nahrungsangebot als auch die Deckung für Vögel verringert werden".

Der BUND-Landesverband unterstützt daher den Vorsitzenden seiner Kreisgruppe Kaiserslautern, Kalle Kress, der gegenüber dem "Landesbetrieb Straßen und Verkehr Rheinland-Pfalz" den Abbruch des Genehmigungsverfahrens und die Einsetzung eines Mediationsverfahrens verlangt hatte.

Im Einzelnen seien einige besonders gravierende Beanstandungen an den Planungsunterlagen aufgeführt:
  • Das Bodenlärmgutachten berücksichtigt nicht die 2.900 Flugbewegungen durch Hubschrauber.
    Im westlichen Teil von Landstuhl und in Miesenbach kommt es zu täglich 10 Stunden Triebwerksprüfläufen für C-130 Transporter mit einem Lärmpegel von bis zu 128 unerträglichen dB(A).
  • Das lärmmedizinische Gutachten hat keinesfalls den heute erreichten wissenschaftlichen Stand zur Beurteilung der Auswirkungen von Fluglärm. Erst neuerdings ist Gutachter Professor Jansen mit seiner veralteten Methodik zur Bewertung des Nachtlärms bei der Erweiterung des Flughafens Hamburg oder beim Flughafen München gescheitert. In Hamburg war die Stadt freiwillig mit einer Absenkung des Grenzwertes für den nächtlichen Dauerschall von 60 auf 36 Dezibel dem in dieser Sache ergangenen OVG-Urteil vom 3. 9. 2001 zuvorgekommen.
  • Äußerst unglaubwürdig ist das Luftschadstoffgutachten, das gegen alle Erfahrungen und Messergebnisse keine Bleiemissionen kennt. Der BUND musste daher auch die Genehmigungsbehörde eigens auf die Verwendung des Treibstoffes "JP-8" durch NATO-Flugzeuge hinweisen. Dessen Inhaltsstoffe werden geheim gehalten. In den USA wird er mit dem sog. "Golfkriegssyndrom" in Verbindung gebracht. Er steht im Verdacht, beim Einatmen Lunge, Nieren und das Immunsystem zu beeinträchtigen und die sog. Multiple Chemikalien-Sensitivität (MCS) zu verursachen.
  • Der Ausbau bedeutet eine nachhaltige Zerstörung großer Flächen, die unter dem Schutz der EU-weit gültigen Fauna-Flora-Habitate-Richtlinie (FFH) stehen. Ausgleichsmaßnahmen für diese radikalen Ausrottungsabsichten sind nur in geringem Umfang im gleichen Naturraum vorgesehen. Stattdessen sollen punktuelle Maßnahmen in mehr als 50 km Ent-fernung (z.B. Kriegsfeld, Pferdsfeld, Rhaunen) erfolgen und kommen der gebeutelten Natur im Landstuhler Bruch nicht im Geringsten zugute. Eine Stellungnahme der EU-Kommission, wie dies bei Eingriffen in prioritäre Lebensräume Vorschrift ist, wurde nicht eingeholt.
    Von daher entsteht dieselbe Konfliktsituation wie bei dem z. Zt. vor dem OVG Koblenz verhandelten Eingriff des Straßenbaus in ein durch Europarecht geschütztes Vogelschutzgebiet an der Mosel. Insgesamt ist mit 294,4 Hektar Biotopverlust zu rechnen - mit einzigartigen und nur hier anzutreffenden Lebensräumen.
  • Die Amerikaner sind gezwungen, ihren Trinkwasserbedarf aus deutschen Quellen zu decken, weil sämtliche Trinkwasserbrunnen auf ihren Liegenschaften geschlossen werden mussten. Trotz dieser für sich sprechenden Tatsache spielen in den Planungsunterlagen Wasserhaushalt, Wasserqualität und Wasserwirtschaft keine Rolle. Umso verwunderlicher ist dies angesichts der Vielzahl von Chemikalien, die insbesondere auf einem Militärflughafen zum Einsatz kommen, so etwa bei der Enteisung von Flugzeugen und Rollbahnen oder den chemischen Zusätzen für Treibstoffe.
    Erklärbar wird die Schludrigkeit der Behörden im Umgang mit hochwertigen Rechtsgütern aus dem unauflösbaren Zusammenhang des Wegzugs der Amerikaner von Frankfurt mit den dortigen Erweiterungsplänen für Rhein-Main. Diese wiederum sind verknüpft mit den Blütentraum Flughafensystem Frankfurt-Hahn.
Fazit: Das Verfahren unter solchen Bedingungen durchzuziehen, wäre eine Beleidigung nicht nur der betroffenen Menschen, sondern auch des Rechtsstaates.

Ulrich Mohr, BUND Rheinland-Pfalz (Pressesprecher)


Der Krieg soll unsichtbar bleiben

Von ERIC CHAUVISTRÉ

Auch wenn keine Bomber von Deutschland aus nach Irak fliegen werden: Gesteuert werden die Luftangriffe auch von US-Basen in Deutschland aus. Bei einem längeren Krieg ist eine Verlegung hier stationierter US-Truppen an den Golf wahrscheinlich


Der Bericht ist voll des Lobes für die europäischen Verbündeten. Die Alliierten hätten ihre Häfen und Flugplätze zur Verfügung gestellt und im Bahnnetz freie Kapazitäten geschaffen. "Eine große Prozentzahl der Flüge, die Fracht aus den Vereinigten Staaten ins Kampfgebiet gebracht haben, wurden durch die große und sehr gut ausgestattete Rhein-Main-Basis abgewickelt." So bilanziert der Pentagon-Bericht den Golfkrieg 1991. Damals lief der größte Teil des Nachschubs über deutsche Stützpunkte, und das Pentagon verfrachtete das gesamte in Deutschland stationierte VII. Corps der US-Armee an den Golf.

Wenn das US-Verteidigungsministerium nach dem von Präsident George W. Bush auch nach dem Einlenken Iraks fest für den kommenden Winter geplanten Krieg wieder Bilanz zieht, wird das Fazit wohl zurückhaltender ausfallen. Nicht nur aus diplomatischen Gründen - weil eine deutsche Regierung dann gar nicht so gerne für ihre Unterstützung gelobt werden will. Auch militärisch wird der Golfkrieg von Bush junior eine andere Art der Unterstützung brauchen als der des Bush senior ein Jahrzehnt zuvor. Es wird weniger Truppen am Golf geben, die Reichweite der Bomber ist größer geworden, und längst haben die Amerikaner dafür gesorgt, auch auf Stützpunkte außerhalb Deutschlands ausweichen zu können.

"Die derzeitige Betriebsamkeit auf der Rhein-Main-Airbase könnte auch auf Verlegungen von Material auf andere europäische Stützpunkte hinweisen", vermutet der Hamburger Rüstungsforscher Peter Lock. Neben Basen in Kuwait und Katar könnte etwa die spanische US-Luftwaffenbasis Morón das Ziel der Flüge aus Frankfurt und dem rheinland-pfälzischen Spangdahlem sein - sie wurde in den letzten Jahren dramatisch ausgebaut. Sind die Verlegung des Militärmaterials aus Deutschland bis zu den ersten Angriffen abgeschlossen und die Nachschubwege über andere Länder organisiert, könnte eine deutsche Bundesregierung tatsächlich behaupten, deutsche Stützpunkte würden nicht für den Irakkrieg genutzt.

Hat der Krieg erst einmal begonnen, werden vor allem die über Jahrzehnte angelegten Kommando- und Kommunikationseinrichtungen der US-Streitkräfte in Deutschland eingesetzt. Eine fast unsichtbare Unterstützung, denn mit Truppenbewegungen wird dies nicht verbunden sein. Das in Ramstein beheimatete Hauptquartier der US-Luftwaffe etwa wird zumindest die über die Türkei in den Nordirak hinein laufenden Angriffe koordinieren, meint Bill Arkin, Washingtoner Militärexperte und ehemals Geheimdienstoffizier der US-Streitkräfte in Deutschland. Auch die Zentrale des "European Command" (Eucom) in Stuttgart-Vaihingen würde dann der Kriegsführung beteiligt sein. Schon jetzt steuert Eucom die regelmäßig unter dem Codenamen "Northern Watch" stattfindenden Patrouillenflüge und Luftangriffe auf irakische Stellungen im Norden Iraks.

Auch auf die Nutzung des Krankenhauses der US-Streitkräfte in Landstuhl werden die USA im Kriegsfall nicht verzichten wollen. Zur Versorgung schwer verletzter US-Soldaten aus dem Nahen Osten ist das Lazarett in Rheinland-Pfalz fest in jede Kriegsplanung im Nahen und Mittleren Osten eingeplant.

Für Bombardements werden die deutschen Stützpunkte nicht zwingend gebraucht. Allerdings könnten schwere Bomber vom Typ B-52 sowie B-2-Tarnkappenbomber, die vom britischen Luftwaffenstützpunkt Fairford aus starten, den deutschen Luftraum überfliegen.

Ob wieder, wie für den Golfkrieg 1991, in Deutschland stationierte US-Bodentruppen an den Golf verlegt werden, hängt von dem noch nicht endgültig festgelegten Schlachtplan für einen Irakkrieg ab. Kommen in der ersten Linie leichte Luftlandetruppen, Marines und "Special Forces" zum Einsatz, wären kaum Truppenverlegungen von deutschen Stützpunkten aus notwendig. Würden sich die Pentagon-Planer aber mit dem Einsatz schwerer Truppen für einen möglicherweise längeren Krieg rüsten wollen, läge es am nächsten, eine in Deutschland stationierte Division einzufliegen.

Aus: taz vom 20. September 2002


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