Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Umbau zur Festung

Das Münchner Amerikahaus soll das Büro der NATO-Sicherheitskonferenz aufnehmen

Von Rudolf Stumberger, München *

Im Münchner Amerikahaus will das Büro der Sicherheitskonferenz (Siko) einziehen. Kritiker befürchten, so würde das Haus seinen offenen Charakter verlieren.

Die moderne Architektur der 1950er Jahre gilt mit ihren offenen und transparenten Gebäuden als eine demokratische Architektur, die sich deutlich von den Monumentalbauten der Nazis unterscheidet. In München gehört dazu das 1957 eröffnete Amerikahaus am Karolinenplatz. »Wir haben das als Haus der Befreiung gesehen, als ein Denkmal für die Demokratie«, sagt Franz Simm. Der 87-Jährige ist einer der Architekten des hellen Gebäudes.

Von oben fällt das Sonnenlicht herab durch die Kuppel der Rotunde und erhellt das Foyer des Amerikahauses. Im Erdgeschoss hängen großformatige Fotografien von Menschen am Orchard Beach, einem der Strände von New York City. Im zweiten Stock trifft man auf eine Bilderausstellung über den Blues im amerikanischen Süden. Und im dritten Stock sitzt Meike Zwingenberger, seit Jahresbeginn Geschäftsführerin der neuen »Stiftung Bayerisches Amerikahaus gGmbH – Bavarian Center for Transatlantic Relations« an ihrem Schreibtisch. Diese Stiftung hat die Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH mit dem Freistaat Bayern als alleinigem Gesellschafter. Von der Heizung her ertönt leises, aber stetes Klopfen. »Das rührt von der Luft in den Rohrleitungen her«, sagt die Geschäftsführerin, »und ist einer der Gründe, warum das Haus saniert werden muss«. Vieles befindet sich im Originalzustand aus den 50ern, zum Beispiel die Bestuhlung im großen Konzertsaal des Hauses.

Das Haus soll modernisiert werden, die Umbauten sind für zwei Jahre geplant. Danach wird der Kulturbetrieb wieder weitergehen – und das Büro der Münchner Sicherheitskonferenz (Siko) als Mieter in den dritten Stock einziehen. Dieses Büro mit rund zehn Mitarbeitern hat – von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt – derzeit seinen Sitz in den staatlichen Räumen der Prinzregentenstraße 7. Die Sicherheitskonferenz ist ein jährlich Ende Januar in München stattfindendes Treffen hochrangiger Politiker, Militärs und Wirtschaftsvertreter, das vom Bundespresseamt gesponsert wird. Seit 2011 hat die ehemals »private« Konferenz die Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH, deren ständiges Büro unter dem Jahr internationale Konferenzen zu außen- und sicherheitspolitischen Fragen organisiert. Die Räume in der Prinzregentenstraße stehen dem Büro kostenfrei zur Verfügung, müssen aber bald renoviert werden. So kam die Idee mit dem Amerikahaus als neues Domizil von der Staatsregierung: »Wir haben uns nicht darum bemüht, das Angebot wurde an uns herangetragen«, so ein Sprecher der Sicherheitskonferenz.

Da die Siko, die regelmäßig von Großdemonstrationen begleitet wird, mit hohen Sicherheitsmaßnahmen durch die Polizei und der Einrichtung einer Sicherheitszone rund um den Tagungsort des Bayerischen Hofes verbunden ist, fürchten Kritiker dieser Bürolösung eine Beeinträchtigung der offenen Struktur des Hauses durch Sicherheits- und Kontrollmaßnahmen. Die offene Struktur ist auch das Anliegen der Opposition im bayerischen Landtag. Die verabschiedete Ende Januar einen interfraktionellen Antrag, in dem SPD, Freie Wähler und Grüne fordern, dass die »Münchner Sicherheitskonferenz weder ein Stockwerk noch auch nur einzelne Räumlichkeiten im Gebäude des Amerika Haus zur Verfügung« gestellt werden. Denn, so Isabell Zacharias, die für die SPD im Wissenschaftsausschuss sitzt, das würde zur Einrichtung von Sicherheitszonen führen und wäre das »Ende einer offenen Kultureinrichtung«. Zu den Kritikern gehört auch Architekt Franz Simm: »Ich halte das für keinen guten Gedanken.« Während er mit den sonstigen Umbaumaßnahmen »seines« Hauses einverstanden ist, würde er eine derartige Nutzung bedauern: »Das hat doch schon diese politische Klammer«.

Wie sich ein offenes Gebäude der 1950er im Zuge von Sicherheitsmaßnahmen in eine Festung verwandeln kann, lässt sich in München beim amerikanischen Generalkonsulat an der Königinstraße beobachten. Ursprünglich war der Bau, der leichtfüßig auf dünnen Säulen ruht, frei zugänglich. Heute ist er von Stahlgittern eingezäunt und mit Stacheldraht umgeben, von Polizei bewacht und nur durch Sicherheitsschleusen zu betreten. Ein solches Szenario verneinen die Verantwortlichen. Der emeritierte Politikprofessor Heinrich Oberreuter, Mitglied im Beirat des Amerikahauses, kritisierte zunächst den geplanten Einzug des Siko-Büros als »ministerielle Fantasie«, ein Haus, das man nur noch durch eine Sicherheitsschleuse betreten könne, sei kein offenes Haus mehr. Inzwischen aber seien bei ihm diese Bedenken ausgeräumt, so Oberreuter. Das Kultusministerium habe ihm versichert, dass Sicherheitsschleusen nur im dritten Stockwerk eingebaut würden. Im Gleichklang dazu der Sprecher des Siko-Büros: »Das Amerikahaus wird ein offenes Haus bleiben.« Man will die Landtagsopposition zu einem parlamentarischen Abend einladen, um sie von dem »problemlosen Zugang« zu überzeugen. Auch Geschäftsführerin Zwingenberger sagte: »Wir wollen eine offene Struktur«, das Amerikahaus solle Plattform für verschiedenste Organisationen werden.

Dass das Amerikahaus, das symbolträchtig im einstigen Naziviertel der »Hauptstadt der Bewegung« erbaut wurde, als Kulturbetrieb überhaupt erhalten bleibt, stand lange auf der Kippe. 1997 hatte die amerikanische Regierung aus Sparmaßnahmen ihre Unterstützung für das Haus eingestellt, das Ende für das kulturelle Programm, die Beratung für den Jugendaustausch und die öffentliche Bibliothek schien gekommen. Doch eine Initiative mit Unterstützung aus Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit gelang es, das Haus als bayerische Institution weiterzuführen, ab Januar 1998 unter der Regie eines Vereins, dem »Bayerisch-Amerikanischen Zentrum« (BAZ).

Die Aktivitäten des Amerikahauses liefen mit reduziertem Etat weiter, doch 2011 kritisierte der Bayerische Oberste Rechnungshof zu hohe Förderkosten, fehlende Einnahmen und das Fehlen von Drittmitteln, die gesamte Trägerstruktur sollte schlanker organisiert werden. Die Geschäftsführung des Vereins wies die Vorwürfe zurück. Doch im März 2012 stand das Aus für das Amerikahaus in Gestalt der »Deutschen Akademie der Technikwissenschaften« (Acatech) vor der Tür. Diese vom Bund mitfinanzierte Organisation, die dem Wissenstransfer dienen soll, suchte nach einem neuen Domizil und hatte dazu das Amerikahaus ausfindig gemacht. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) bestimmte: Das Amerikahaus muss ausziehen. Es folgte eine erneute Initiative zum Erhalt der Institution am angestammten Platz: Am 15. Juni 2012 »umarmten« 650 Freunde das Haus, um für dessen Erhalt zu demonstrieren. Es dauerte bis Februar 2013, als schließlich die Kehrtwende kam: Das Amerikahaus bleibt doch erhalten, hieß es nun aus dem Wissenschaftsministerium, aber mit einem »Neustart«.

An dem arbeitet nun Geschäftsführerin Zwingenberger. Das Kulturprogramm soll im Großen und Ganzen wie bisher weiterlaufen, neu sein soll die »Förderung von Kooperationen und Verständnis auf allen Ebenen unserer transatlantischen Beziehungen«. Konkret wird es dabei um Vernetzungen im Bereich Wissenschaft und Wirtschaft gehen, angedacht sind Konferenzen und Vorträge.

Ein weiterer Kritikpunkt der Opposition ist freilich, was Oberreuter den »Wandel von der Selbstbestimmung zur Mitbestimmung« nennt, also den Wechsel von einem unabhängigen Verein zu einer Stiftung des Freistaates. So begrüßt Michael Piazolo von den Freien Wählern den »frischen Wind« aufgrund der Neuorganisation, sieht aber die Gefahr einer Bestimmung des Amerikahauses »von oben«. Deshalb fordert der interfraktionelle Antrag, der von der CSU-Mehrheit abgelehnt wurde, eine »direkte Mitsprache und Beteiligungsmöglichkeit« der Bürger.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 6. März 2014


Zurück zur Seite "Münchner Sicherheitskonferenz"

Zur Sicherheitskonferenz-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage