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Europa muss "an der südlichen Gegenküste" für Ordnung sorgen - und Deutschland muss "führen"

Vor der Münchner "Sicherheitskonferenz": Ischinger stellt Programm vor - Friedensbündnis kritisiert "Familientreffen aus den NATO- und EU-Staaten"


Die 48. Münchner "Sicherheitskonferenz" findet vom 3. bis 5. Februar 2012 statt. Der Vorsitzende der Konferenz, Botschafter Wolfgang Ischinger, erwartet etwa 350 Teilnehmer aus mehr als 60 Staaten. Die Diskussionen der Konferenz können per Livestream auf www.securityconference.de verfolgt werden.
Eine Woche vor Beginn der Konferenz veröffentlichte die Hauspostille der CSU, der "Bayernkurier", ein Interview mit Wolfgang Ischinger, aus dem wir im Folgenden ein paar bemerkenswerte Äußerungen zitieren. Im Anschluss daran dokumentieren wir die Presseerklärung des Aktionsbündnisses gegen die "Sicherheitskonferenz"


O-Ton Wolfgang Ischinger:

Zur Führungsmacht Deutschland:
"Was bedeutet es für Europa, dass jetzt im Grunde EIN Land den Ton angibt und dass, von außen betrachtet, Frau Merkel und nicht Herr Barroso sozusagen der Entscheider über die Zukunft der Eurozone geworden ist?"
(...)
"Wir haben uns so wohlgefühlt in einer Europäischen Union, in der sich die Großen etwas kleiner machen und die Kleinen sich etwas größer machen dürfen, und in der so eine durchaus funktionierende Harmonie hergestellt worden ist. Aber diese Harmonie ist zerbrochen in der Finanzkrise. Und irgendeiner muss ja nun wieder zu stabilen Verhältnissen führen, und ich fürchte, nur wir können es. Also müssen wir es jetzt auch tun. Und die deutsche politische Klasse wird sich an diese neue Führungsverantwortung gewöhnen müssen."

Im arabischen Raum "für Ordnung sorgen":
"Es ist nicht die allererste Aufgabe der USA, an der südlichen Gegenküste der EU für Ordnung zu sorgen. Dies ist eine ureigenste europäische Aufgabe. Hier muss sich Europa seinen eigenen historischen, geographischen und politischen Aufgaben stellen."

Weniger Schulden - mehr für die Rüstung:
"Und wir haben verfolgen können, wie europäischen Staaten, die sich aktiv an der Libyenkrise beteiligt haben, schon nach wenigen Tagen oder Wochen die Ressourcen ausgingen, um eine solche Intervention mit einem guten Ergebnis zu Ende zu bringen. Mit anderen Worten, es gibt einen sehr engen Konnex zwischen der fi nanziellen Schuldenlage und der Fähigkeit, Stabilität und Sicherheit in der eigenen Region und im Rest der Welt zu produzieren und zu exportieren. In dem Maße, in dem wir die Schuldenkrise nicht bewältigen, werden wir riskieren, dass Instabilitäten eher zu uns kommen, als dass wir sie von uns weghalten können."

Alle Zitate aus dem Interview, das der "Bayernkurier" mit Wolfgang Ischinger führte; veröffentlicht am 28. Januar 2012.


AKTIONSBÜNDNIS GEGEN DIE NATO-„SICHERHEITSKONFERENZ“

www.sicherheitskonferenz.de

Presse-Erklärung zu Ischingers SIKO-Tagungsprogramm

München, 28. Januar 2012

SIKO-Konferenzleiter Ischinger hat auf seiner Pressekonferenz am 26. Januar das Programm für die bevorstehende Münchner „Sicherheitskonferenz“ bekannt gegeben und einige der prominentesten Teilnehmer an der diesjährigen NATO-Kriegstagung vorgestellt. Sowohl das Tagungsprogramm, als auch die angekündigten Redner entlarven seine öffentlichen Behauptungen, auf der SIKO gehe es ausschließlich um „Konfliktverhütung und Friedenssicherung“ als schönfärberische Propaganda für eine gutgläubige Öffentlichkeit.

Wie in den Vorjahren versammeln sich Bayerischen Hof die Hauptverantwortlichen für die Aggressionskriege der NATO und ihre Militärstrategen, um sich gemeinsam mit internationalen Wirtschafts- und Finanzbossen über Strategien zur Aufrechterhaltung ihrer weltweiten Vorherrschaft zu verständigen.

Hier treffen sich diejenigen, die gerade mit der Mandatsverlängerung für den Bundeswehreinsatz die Fortsetzung des Krieges in Afghanistan beschlossen haben und sich damit zum wiederholten Mal über den Mehrheitswillen der Bevölkerung in der Bundesrepublik hinweg setzen. Wie in den vergangenen Jahren auch, werden die Repräsentanten aus den NATO- und EU-Staaten die SIKO als Propagandaforum zur Rechtfertigung ihrer völkerrechtswidrigen Militäreinsätze und für neue Kriegsdrohungen nutzen. Die verschärften Sanktionen – „der Ölkrieg“ des Westens gegen den Iran – ist bereits das Vorspiel für den ganz offensichtlich beabsichtigten nächsten „heißen Krieg“.

Die SIKO ein Familientreffen aus den NATO- und EU-Staaten

Zu den Hauptrednern auf der bevorstehenden sogenannten „Sicherheitskonferenz“ gehören überwiegend Außen- und Militärminister der NATO-Staaten sowie Regierungschefs von befreundeten Staaten. Eröffnet wird die SIKO vom deutschen Militärminister de Maizière. Aus den USA kommen Außenministerin Hillary Clinton und Kriegsminister Leon Panetta. Er war vorher CIA-Direktor und verantwortlich für die US-Folterpraxis der letzten Jahre, ebenso wie für unzählige extralegale Hinrichtungen der CIA-Killerkommandos in Afghanistan, Pakistan und dem Iran.

Außerdem kommen der notorische Kriegsverbrecher und Ex-Außenminister Henry Kissinger, der Chef der westlichen Militärallianz, NATO- Generalsekretär Rasmussen, die Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Catherine Ashton und einige weitere EU-Kommissare.

SIKO-Programm Auftakt: „Die Führungsmacht Deutschland“

Gleich am ersten Tag geht es zur Sache. Nicht etwa – wie SIKO-Weichspüler Ischinger in der Öffentlichkeit immer wieder beteuert – „um die Sicherung des Friedens“, sondern um pure Machtpolitik. Das Eröffnungsthema ist: „Die neue machtpolitische Rolle Deutschlands in Europa und in der Welt“. Es gehe, sagt Ischinger, um den wirtschaftlichen und politischen Einfluss Deutschlands, um „Führungsmacht“ und selbstverständlich auch um die militärische Rolle Deutschlands. Er nennt das „Sicherheitspolitik“. Sie sei „eine wichtige Rahmenbedingung für den Erfolg, den unsere Wirtschaft auf der ganzen Welt erzielt hat und auch weiter erzielen soll“.

Im Zentrum stehe heute die Frage „nach der neuen deutschen Führungsstärke und Führungskraft“. Zu dieser Debatte ist auch der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski eingeladen, der kürzlich in Berlin die Deutschen aufgefordert hatte „Nehmt Eure Führungsaufgabe wahr“. Ischinger erklärte dazu: „Nur wir können das, also müssen wir es jetzt auch tun“. Das gelte vor allem für Europa, denn der EU fehle es bisher an einer „glaubwürdigen militärischen Dimension“. Um aber ihren Einfluss auf die Weltpolitik auszubauen, müsse die EU eine einheitliche Strategie, eine schlagkräftige Militärpolitik und die entsprechenden Kriegsfähigkeiten entwickeln. Ausdrücklich kritisierte Ischinger auf seiner Pressekonferenz, dass die Europäer etwa gleich viele Soldaten wie die USA unterhalten, aber nur ein Zehntel der militärischen Schlagkraft aufbringen.

Weitere Tagungsthemen sind: Die NATO – Russland Kooperation, die Raketenabwehr und die neue Militärstrategie der US-Regierung, die derzeit ihren Fokus auf den asiatisch-pazifischen Raum verlagert und sich dort als Ordnungsmacht etablieren will.

Zum Tagungsthema „Weltweite Finanzmarktkrise“ hat Ischinger die Spitzenmanager des globalen Finanzkapitals eingeladen, den Weltbankchef Robert Zoellick, den US-Investor und Milliardär George Soros, den Chef der Deutschen Bank Josef Ackermann – und wie in den vergangenen Jahren auch – zahlreiche weitere Vertreter aus den Chefetagen großer Wirtschafts- und Rüstungskonzerne.

Der Grund, weshalb dieses Thema auf der SIKO behandelt wird, liegt in der Sorge der Kriegsstrategen, dass die wachsenden Staatsschulden die militärische Handlungsfähigkeit einschränken, oder wie es Ischinger ausdrückt, „die Fähigkeit, Sicherheit in den Rest der Welt zu exportieren“. Diese „exportierte Sicherheit“ kann man derzeit in Afghanistan, im Irak und in Libyen bewundern.

Ischinger, der „Wolf im Schafspelz“

Uns, den Gegnern der Kriegspolitik der NATO und der EU, bietet Ischinger immer wieder Dialoggespräche an, „auf allen Ebenen“, wie er ausdrücklich betont. Er hoffe, sagte er bei seiner Pressekonferenz, dass durch seine „Dialogbereitschaft die Zahl der Demonstranten sinkt ... Kritiker im Saal (seien ihm) lieber, als auf der Straße“. Ein paar Kriegsgegner als Feigenblatt auf seiner Kriegstagung, das hätte Herr Ischinger gern. Doch diesen Gefallen werden wir ihm nicht tun. Ischinger ist für uns kein Dialogpartner. Er selbst gehört zur Führungsriege der Kriegstrommler in unserem Land und als Chef der SIKO ist er quasi der inoffizielle Propagandachef für die Militärpolitik Deutschlands, der NATO und der EU.

(Einige Fakten dazu in: „Der Wolf im Schafspelz“, http://sicherheitskonferenz.de/SiKo-Zeitung-2012-Wolf-im-Schafspelz )

Mit der NATO wird es keinen Frieden auf der Welt geben

Die NATO ist ein Kriegsbündnis, nicht der verlängerte Arm von Amnesty International. Sie ist auch kein Instrument der Konfliktlösung, sondern eine Bedrohung für alle Länder, die sich nicht freiwillig den Vorherrschaftsinteressen der westlichen Großmächte unterwerfen. Dieser Politik der Androhung und Anwendung militärischer Gewalt setzen wir unseren entschiedenen Widerstand entgegen.

„Die Münchner Sicherheitskonferenz ist eine Werbung für Bayern und für München“, behauptete Ischinger gegenüber der Presse. Richtig ist: Die SIKO ist eine Werbeveranstaltung für mehr Rüstung und Krieg. NO PASARAN! Ginge es nach dem Grundgesetz dürfte die SIKO gar nicht stattfinden. Denn nach Artikel 26, GG ist die Vorbereitung zur Führung von Angriffskriegen ausdrücklich verboten und unter Strafe gestellt.

Inzwischen mobilisieren mehr als 90 Organisationen zu den Protesten gegen die NATO-Kriegstagung in München. Das Aktionsbündnis erwartet rund 5000 Teilnehmer zu dieser großen Antikriegs-Demonstration, mit Teilnehmern nicht nur aus München, sondern auch aus vielen anderen Städten der Bundesrepublik.

Die Großdemonstration der Antikriegsbewegung findet am Samstag, den 4. Februar 2012 statt. Sie beginnt um 13 Uhr am Stachus.

Claus Schreer


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